Wetter

19.04.2012: Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 3

von Holger Westermann

„Der Krieg ist aller Dinge Vater ...“ (Heraklit, Fragmente B 53) diese Einschätzung muss man nicht teilen, aber die meteorologischen Hilfsmittel wurden zumeist für den militärischen Einsatz entwickelt. So war es beispielsweise beim Radar: In den dreißiger Jahren wurde die Radartechnik vom Militär entwickelt um Schiffe und Flugzeuge zu orten. Während des 2. Weltkriegs erlangte das Radar bereits große Bedeutung, wobei festgestellt wurde, dass auch Regen auf den Radarschirmen abgebildet wurde. Dies machten sich nach dem Krieg die Meteorologen zu nutze.

Im Jahre 1957 wurde das erste Wetterradar auf dem europäischen Festland beim Institut für Meteorologie und Geophysik der FU Berlin installiert. Dieses war damals für die Wettervorhersage für Westberlin zuständig. Dort waren die Meteorologen auf die Daten des Radars angewiesen, da während des „kalten Kriegs“ die Meldungen der Wetterstationen der DDR erst mit großer Verzögerung verfügbar waren. Im Jahr 1968 wurde das erste Radar des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Observatorium Hohenpeißenberg (Bayern) installiert. 1985 begann dann der Aufbau des Radarverbundes in Deutschland, so dass nach und nach Niederschlagsechos über dem ganzen Land beobachtet werden konnten. Mittlerweile sorgen deutschlandweit 17 Radargeräte für eine kontinuierliche Beobachtung von Regen und Schnee. Ohne diese wären sogenannte Kürzestfristprognosen (für die nächsten Stunden) heute nicht mehr vorstellbar. Auch die Entscheidung zur Ausgabe von Unwetterwarnungen basiert zum größten Teil auf Radarmessungen.

Ein weiterer Meilenstein in der Beobachtung der Atmosphäre war die Entwicklung von Satelliten. Bereits drei Jahre nachdem Sputnik 1 die Erde umkreiste, wurde von den USA im Jahr 1960 mit TIROS 1 der erste Wettersatellit ins All geschickt. Damit gab es zum ersten Mal flächendeckende Informationen aus unbewohnten Gebieten, aus den Polargebieten und von den Ozeanen. Im Jahr 1966 begann mit ESSA-3 die operationelle Nutzung von Satellitendaten, von denen auch der DWD profitierte.

Im Jahr 1975 startete mit den amerikanischen GOES-Satelliten die Ära der geostationären Satelliten. Diese befinden sich immer über dem selben Punkt der Erdoberfläche und erlauben somit eine kontinuierliche Beobachtung der Wolken ("Satellitenfilm"). Bereits im Jahr 1977 konnte EUMETSAT den ersten geostationären Wettersatelliten für Europa in Betrieb nehmen. Seitdem hat es viele weitere technische Entwicklungen gegeben. Die Satelliten wurden mit immer präziseren Messinstrumenten ausgestattet, so dass diese heute wesentlich mehr Informationen liefern als nur ein "Bild von den Wolken".

Die nächste Revolution der Meteorologie reicht bis in die Gegenwart: Die Computerprognosen. Bereits weniger als 30 Jahre nach Richardsons Vision (siehe Teil 2) wurden anhand von physikalischen Gesetzen berechnete Wettervorhersagen tatsächlich möglich. Allerdings kamen dazu nicht zehntausende menschliche Rechnern zum Einsatz, sondern ein einziger elektronischer. Dies wurde im Jahr 1950 zum ersten Mal mit ENIAC, einem Großrechner des amerikanischen Militärs, getestet. Für die Berechnung einer 24-stündigen Prognose benötigte ENIAC volle 24 Stunden, doch die schnelle Entwicklung der Computer ermöglichte es dem Schwedischen Meteorologischen und Hydrologischen Institut (SMHI) bereits 1954 computergestützte Wetterprognosen zu errechnen. Zwar konnte die Prognosequalität noch nicht überzeugen, doch die Richtung der weiteren Entwicklung war damit vorgezeichnet. Seit den 1960er Jahren erstellt auch der DWD berechnete Wettervorhersagen. Dabei war für die Weiterentwicklung und Verbesserung der Vorhersagemodelle stets von der Rechenleistung der eingesetzten Großrechner abhängig. Deshalb stehen heute die leistungsfähigsten Computer der Welt bei den Wetterdiensten – und beim Militär.

Die Prognosen haben inzwischen eine Qualität erreicht, die vor 50 Jahren noch vollkommen unvorstellbar war. Zudem stehen den Meteorologen heute die Berechnungen einer Vielzahl von Vorhersagemodellen zur Verfügung, da die Wetterdienste ihre Daten auch international austauschen und teilweise auch kostenfrei im Internet zur Verfügung stellen. Damit beschäftigt sich die synoptische Meteorologie heute in erste Linie mit der "Zusammenschau" der großen Datenmenge und filtert für seine Vorhersagen die wesentlichen Aussagen heraus.

Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 1

Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 2

Quellen:

Dipl.-Met. Peter Hartmann: Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 3: Neue Mess- und Vorhersagetechniken, Fortsetzung vom 18. April. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 19.04.2012.

Erstellt am 19. April 2012
Zuletzt aktualisiert am 19. September 2012

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