Wetter
18.04.2012: Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 2
Neben dem Traum vom Fliegen hängen die Menschen seit jeher dem Wunsch nach, das Wetter berechenbar zu machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam man diesem Ziel einen guten Schritt näher, den Brüdern Willbur und Orville Wright gelang 1903 in Dayton (USA) der erste Motorflug und der norwegische Physiker und Meteorologe Vilhelm Bjerknes versuchte 1904 eine Wettervorhersage auf Basis physikalischer Gleichungen zu berechnen. Damit war die Idee einer vorausberechneten Wettervorhersagen in der Welt, auch wenn die materiellen Voraussetzungen für die konkrete Anwendung noch ein wenig auf sich warten ließen.
Der britische Meteorologe Lewis Fry Richardson griff 1915 die Anregung von Bjerknes, der inzwischen als Professor für angewandte Mathematik und mathematische Physik in Leipzig lehrte, auf. Er hatte erkannt, dass die Messungen in Bodennähe nicht ausreichen um das relevante Geschehen in der Atmosphäre zu beschreiben. Um ein Bild von Temperatur, Druck und Luftfeuchtigkeit in großer Höhe zu gewinnen, ließ er gleichzeitig mehrere Wetterballons aufsteigen. In den oberen Atmosphäreschichten platzen diese Ballons und die Aufzeichnungen der Messinstrumente konnten ausgewertet werden, sobald man sie im Gelände gefunden hatte.
An einer Vorhersage für 6 Stunden rechnete Richardson mehrere Monate, bis er am Ende zu einem Ergebnis kam, das nicht nur gänzlich falsch sondern sogar vollkommen unrealistisch war. Sein Verdienst bleibt es aber gezeigt zu haben, dass eine numerische Wettervorhersage prinzipiell möglich ist.
Als wesentlich besser praxistauglich erwiesen sich die Theorien, die Vilhelm Bjerknes selbst, sein Sohn Jacob Bjerknes und Halver Solberg entwickelten. Vilhelm Bjerknes war beim Ausbruchs des ersten Weltkriegs 1917 nach Norwegen zurückgekehrt und hatte an der Universität Bergen das Geophysikalische Institut gegründet. Auf Grundlage einer sorgfältigen Analyse von Wettermeldungen entwickelte das Team die Vorstellung von Luftmassen und Fronten sowie deren Entstehung und Entwicklung. Auch der Lebenslauf der Tiefdruckgebiete (Meteorologen sprechen von „Idealzyklonen“) wurde beschrieben. Zwar wurden viele Ideen der Bergener Schule später weiterentwickelt und verfeinert, sie sind aber im Prinzip auch heute noch fester Bestandteil der Berechnung von Wettervorhersagen.
Ab den dreißiger Jahren verbesserte sich die Messung der Wetterdaten in den oberen Atmosphäreschichten. In dieser Zeit wurden regelmäßige Messungen mit Radiosonden verfügbar, die ihre Ergebnisse direkt zum Boden funkten. So konnte ohne große Zeitverzögerung ein dreidimensionales Bild der Atmosphäre erstellt werden, das dann zur Berechnung der Wettervorhersage diente.
In Deutschland wurde die Entwicklung vor allem von Richard Scherhag vorangetrieben, der zu dieser Zeit beim "Reichsamt für Wetterdienst" tätig war. Scherhag entwickelte auch eine Methode, mit der 24-stündige Bodenvorhersagekarten gezeichnet werden konnten. Später kamen Vorhersagekarten für höhere Luftschichten hinzu. Diese Techniken waren auch lange Zeit beim Deutschen Wetterdienst im Einsatz, bis die Entwicklung von Computern Richardsons Idee wieder aktuell werden ließ. Mehr darüber erfahren Sie im dritten und letzten Teil unseres Ausflugs in die Geschichte der Synoptik, der voraussichtlich morgen erscheint.
Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 1
Wettervorhersagen, die Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 3
Quellen:
Dipl.-Met. Peter Hartmann: Geschichte der synoptischen Meteorologie. Teil 2: Entwicklung der theoretischen Grundlagen, Fortsetzung vom 14. April. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 18.04.2012.
Erstellt am 18. April 2012
Zuletzt aktualisiert am 19. September 2012

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