Umfangreiche Metastudie analysiert gängige Therapien
Grippe und Erkältungen vorbeugen und behandeln
Virusinfektionen wie Erkältung und Grippe ziehen so zuverlässig durch die Bevölkerung, dass von einer Saison für diese Erkrankungen gesprochen wird, manche sehen auch Wellen, die sich unter den Menschen ausbreiten. Dabei ist eine Erkältung für jeden einzelnen Betroffenen eine körperliche Belastung, die einige Tage Bettruhe und einige Wochen reduzierte Leistungsfähigkeit provoziert. Eine Influenza-Infektion ist dagegen eine ernsthafte Erkrankung, die jedes Jahr mehrere tausend Menschen das Leben kostet. Eine aktuelle Übersichtsarbeit prüft die gängigen Mittel und Methoden zur Vorbeugung und zur Therapie.
Erwachsene werden durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr, Kinder rund sechsmal von einer Erkältung geplagt. Symptome wie Halsschmerzen, verstopfte oder laufende Nase, Husten und Unwohlsein belasten die Gesundheit massiv an einem bis drei Tagen und latent am sieben bis zehn Tagen, sie können aber auch mehrere Wochen plagen. „Obwohl Erkältungen zumeist von selbst wieder ausheilen, ist sie als sehr häufige Erkrankung eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung. Sie lähmt die Leistungsfähigkeit in Freizeit und Beruf, beim Autofahren können gefährliche Einschränkungen bei Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit (husten und niesen am Steuer) auftreten.“ erläutern die Autoren der Studie.
So haben Erkältungskrankheiten durchaus auch wirtschaftliche Bedeutung. Allein in den USA werden die direkten Kosten für Arztbesuche, Medikamente und Sekundärinfektionen auf $ 17 Milliarden; die indirekten Kosten durch erkrankungsbedingten Arbeitsausfall oder zur Betreuung eines erkrankten Kindes auf $ 25 Milliarden pro Jahr geschätzt (Referenzjahr 1997, durch Inflation dürften die Beträge heute deutlich darüber liegen). Volkswirtschaftliche Kosten, die aufgrund von Minderleistung oder Fehlern im Beruf entstanden, sind bei dieser Kalkulation noch nicht berücksichtigt.
Nicht nur Grippe, sondern auch Erkältungen werden ausschließlich von Viren verursacht. Nur etwa bei 5% der klinisch diagnostizierten Erkältungen tritt ein begleitende (opportunistische) Bakterieninfektion auf. Da dabei oft die von der Virusinfektion gereizten Atemwege betroffen sind, beispielsweise durch eine Lungenentzündung, ist eine Behandlung mit Antibiotika in solch einem Fall unbedingt notwendig. Aber nur in solch einem Fall, denn gegen Viren sind Antibiotika machtlos. Wer sie dennoch bei einer Erkältung einnimmt schwächt seinen Körper zusätzlich (auch hilfreiche Bakterien werden abgetötet, die Viren können sich noch besser ausbreiten) und er protegiert die Selektion von Bakterienstämmen, die gegen Antibiotika unempfindlich sind.
Doch was hilft tatsächlich bei Grippe und Erkältung – zu Vorbeugung und zur Therapie?
Die effektivste Maßnahme, um eine Erkältung oder Grippe zu vermeiden, ist auch die preiswerteste: Händewaschen. Das ergab die Auswertung von 67 wissenschaftlichen Studien (randomized controlled trial, RCTs). Dabei waren die traditionelle Methode mit Wasser und Seife ähnlich gut wirksam wie der Einsatz teurer Desinfektionsmittel. Viren verbreiten sich sowohl durch Kontaktinfektion wie auch durch die sogenannte Tröpfcheninfektion. Bei der Kontaktinfektion wird das Virus vom bereits Infizierten auf einer Fläche (Hand, Türklinke, Tischplatte) unbeabsichtigt abgelegt und kann dort von anderen aufgenommen werden. Von der Kontaktstelle muss das Virus dann nur noch an die Schleimhäute in Nase oder Mund gelangen. Deshalb ist es wichtig vor dem Essen oder Trinken die Hände zu waschen. Da der Hand-Mund oder Hand-Nase-Kontakt aber auch oft unbewusst herbei geführt wird, empfiehlt sich während der Erkältungs- oder Grippesaison das Händewaschen auch nach Kontakt mit vielen anderen Menschen, egal ob der Kontakt unmittelbar (Bus, Party, Kaufhaus, Konferenz) oder mittelbar (Türklinke am Bahnhof, Warentrenner an der Supermarktkasse) stattfand. Gegen die Tröpfcheninfektion, bei der die Viren durch niesen als Aerosol in der Luft verteilt werden, hilft auch Händewaschen nicht.
Andere Maßnahmen zur Vorbeugung haben sich als weniger effektiv erwiesen. In zwei RCTs erkälteten sich Kinder, die täglich 10 oder 15 mg Zinksulfat eingenommen hatten, weniger häufig als ihre Altersgenossen und fehlten deswegen seltener in der Schule. Deshalb empfehlen die Autoren Zink nur für Kinder, für Erwachsene ist die Wirksamkeit nicht nachgewiesen (wenn auch wahrscheinlich). Auf der anderen Seite können Zink-Tabletten Nebenwirkungen hervorrufen, wie Übelkeit, metallischen Geschmack oder Trockenheitsgefühl im Mund, Verstopfung oder Bauchschmerzen.
Die in der Werbung propagierte Prophylaxe mit Probiotika stufen die Autoren dagegen als wirkungslos ein. Zwar gäbe es einzelne Hinweise auf mögliche Wirksamkeit, doch da die eingesetzten Bakterienstämme sowie deren Darreichungsform (Nahrungsmittel, Flüssigkeiten, Tabletten) von Studie zu Studie variieren, können keine Empfehlung ausgesprochen werden. Auch für Vitamin-D, Ginseng-, Knoblauch-, und Echinacea-Präparate gibt es nach Ansicht der Autoren keinen wissenschaftlich fundierten Wirknachweis, der eine Empfehlung zur Infektions-Prophylaxe rechtfertigen würde. Allein Vitamin-C könne Menschen helfen, die aufgrund außergewöhnlicher Belastung, engagierte Freizeitsportler oder Schwangere, einen erhöhten Bedarf an diesem Vitamin hätten. Für die Durchschnittsbevölkerung sind Vitamin-C-Präparate wohl nicht von Vorteil.
Eine definitiv wirksame Vorbeuge-Maßnahme, die von den Autoren nicht explizit genannt wird (weil die zugrundeliegende Studie erst im November 2013 veröffentlicht wurden), ist das Anfeuchten der Raumluft. Viren überleben bei trockener Luft bis zu sechsmal länger als bei feuchter Luft. Gerade im Winter ist die Luft im Freien kalt und trocken, die Heizungsluft im Wohnraum warm und trocken. Für Viren sind das ideale Überdauerungs- und Infektionsbedingungen.
Ist eine Erkältung oder Grippe ausgebrochen, kann die Erkrankung selbst kaum noch durch Medikamente oder andere Maßnahmen beeinflusst werden. Der Körper muss die Virusinvasion selbst bezwingen. Erhöhte Körpertemperatur, vermehrte Schleimproduktion in den Atemwegen und reduzierte Aktivität (körperlich und geistig) sind evolutionär bewährte Abwehrmaßnahmen des Körpers. Diese an sich positiven Körperreaktionen können mit Medikamenten reguliert werden, damit die Patienten nicht übermäßig unter der Infektion leiden.
Bewährt haben sich vor allem Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol um die unangenehmen Begleiterscheinungen der Infektion wie Fieber und Schmerzen in Muskeln und Gelenken zu reduzieren. Doch die Anwendung von fiebersenkenden Schmerzmitteln ist in Hinblick auf eine schnelle Genesung des Einzelnen sowie in Hinblick auf das zügige Abflauen der Infektionswelle fragwürdig. Fieber zwingt die Menschen zur Bettruhe. Dadurch entgehen sie zusätzlichen Belastungen (Risiko einer opportunistischen Bakterieninfektion) und vermeiden es andere anzustecken.
Antihistaminika (halten eine Überreaktion des Körpers im Zaum, wirken auch gegen Husten und Schnupfen), kombiniert mit abschwellenden Mitteln und / oder Schmerzmitteln helfen offensichtlich auch – aber nur bei Schulkindern. Jüngere und Erwachsene profitieren von dieser komplexen Behandlung nicht.
Von Nasensprays raten die Autoren der Studie aufgrund der Nebenwirkungen und des hohen Suchtpotentials dieser Medikamente ab. Für Menschen, die unter verengten Nebenhöhlen oder extremer Schleimhautschwellung nur noch schwer Luft bekommen, kann eine vorübergehende Anwendung von Nasensprays sinnvoll sein. Als Alternative kann auch eine Nasenspülung (Nasendusche) helfen, wobei die Anwendung gewöhnungsbedürftig ist.
Rezeptfreie Hustenstiller und Hustenlöser sind weitgehend wirkungslos, zumindest ist die Datenlage in ihrer Gesamtschau uneinheitlich – auch wenn einzelne Studien positive Effekte gefunden haben. Erkältungssalben mit Kampfer, Menthol, Eukalyptus und weiteren ätherischen Ölen aus Heilpflanzen lindern die Erkältung kaum, erlauben aber ein besseres Durchschlafen. Für Kinder die sich „gesundschlafen“ (die aufgrund der geringen Körpermasse und des agileren Immunsystems über Nacht gesund werden) möglicherweise eine hilfreiche Unterstützung. Eltern sollten aber zuvor sicher stellen, dass keiner der oft vielfältigen Inhaltsstoffe beim Kind Allergien auslöst.
Das Hausmittel Milch mit Honig ist geeignet den Husten zu lindern, die Erkältung oder Grippe heilen kann es auch nicht. Doch wer mit Hals- und Muskel- und Kopfschmerzen eine Hustenattacke vermeiden kann, ist auch für diesen Effekt dankbar.
Das Fazit der Autoren ist ernüchternd: Gegen Grippe und Erkältung gibt es derzeit noch keine wirksame Therapie, allein die unangenehmen Begleiterscheinungen und Symptome lassen sich lindern. Verhindern lassen sich die Infektionen für sozial integrierte Menschen auch nicht zuverlässig, aber durch Händewaschen kann das Risiko reduziert werden.
Quellen: Allan, G.M.; Arrol, B. (2014): Prevention and treatment of the common cold: making sense of the evidence. Canadian Medical Association Journal online veröffentlicht am 27.01. 2014. doi:10.1503/cmaj.121442 Westermann, H. (2013): Hohe Luftfeuchte schützt vor Grippe. Menschenswetter Artikel 880, online veröffentlicht am 29.11. 2013. Westermann, H. (2014): Grippewelle 2014 schwappt nach Mitteleuropa. Menschenswetter Artikel 918, online veröffentlicht am 22.01. 2014.
Erstellt am 11. Februar 2014
Zuletzt aktualisiert am 11. Februar 2014

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