An der Küste ist es glücklicherweise selten windstill

Seenebel schluckt Sonnenschein

von Holger Westermann

Ganz Mitteleuropa aalt sich derzeit bei Sonnenschein und sommerlicher Mittagstemperatur. Nur an der Nord- und Ostseeküste bleibt es diesig und kühl. Von Borkum bis Rügen schlängelt sich Seenebel und verhindert, dass die Sonnenstrahlung Menschen und Landschaft erwärmt. Glücklicherweise ist diese Wetterlage eher selten – aber dennoch lästig.

Seenebel bildet sich, wenn die Temperatur der Wasseroberfläche deutlich kälter ist als die darüber liegende Luftschicht. An der Kontaktfläche entzieht das Wasser der unmittelbar darüber liegenden Luft Wärme, eine dünne Luftschicht kühlt ab. Da kältere Luft weniger Feuchte aufnehmen kann als warme (bevor sie bei 100% relativer Luftfeuchte kondensiert), führt die Abkühlung an der Wasseroberfläche dazu, dass sich Nebel bildet. Herrscht kräftiger Wind, so wird die Luft durchwirbelt und die Abkühlung verteilt sich in der gesamten Luftmasse – es kann kein Seenebel entstehen. Bei Windstille bleibt die Luftschichtung stabil; ideale Nebelbedingungen.

Ganz windstill ist es an der Küste jedoch nie. Tagsüber erwärmt die Sonneneinstrahlung den Boden und damit die bodennahe Luft stärker als die Luft über Wasser. Deshalb steigt die Luft dort auf, es entsteht am Boden ein Unterdruck, der durch einen Wind von See zum Land (auflandig) ausgeglichen wird. Nachts weht dieser thermische Wind in die entgegengesetzte Richtung, vom Land zur See (ablandig). Insbesondere bei wolkenlosem Himmel gibt die Landmasse bei Nacht die Wärme zügig wieder ab und nun steigt die Luft über Wasser nach oben und fließt von Land her nach.

Dieser Effekt ist bei Dunst und Nebel, ähnlich wie bei bewölktem Himmel, geringer als bei strahlendem Sonnenschein, aber immer noch vorhanden. Der über dem Meer entstandenen Nebel wird so tagsüber an Land verfrachtet. Bei Nacht herrscht dann auf dem Meer „dicke Suppe“, eine ernsthafte Gefahr für die Schifffahrt. Aber auch Wattwanderer an der Nordsee sollten berücksichtigen, dass mit der Flut auch Nebel auflaufen kann, der die Orientierung in dieser einförmigen, an Orientierungspunkten armen Landschaft erschwert.

Provoziert wird diese Wetterlage durch Warmluftzufuhr aus Südeuropa. Derzeit wird sie an der Vorderseite eines mächtigen Tiefdrucksystems über dem östlichen Atlantik aus Nordafrika herangeführt. Im Vergleich dazu konnte sich das Wasser der Nord- und Ostsee in diesem Frühling noch nicht stark genug erwärmen, sodass derzeit große Temperaturgegensätze zwischen Wasser und Luft auftreten. Während sowohl im Landesinneren von Dänemark als auch von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern die Luft bereits 12 bis 16°C erreicht, liegt die Wassertemperatur bei rund 5°C.

Wer den Seenebel für ein Problem ausschließlich der Küstenbewohner hält irrt. Auch an großen Wasserflächen im Binnenland kann der Effekt auftreten, beispielsweise am Bodensee oder an den österreichischen Seen. Je tiefer die Seen sind, je mehr Wasser sie im Verhältnis zu ihrer Oberfläche erwärmen müssen, um so länger lässt sich dort dieser Effekt im Frühjahr (herbstlicher Nebel über Wasserflächen hat andere, wenn auch ähnliche Ursachen) beobachten. Auch hier klagen die Menschen darüber, dass Seenebel den Sonnenschein schluckt. Zumal hier windstille Tage deutlich häufiger auftreten als an der Küste.

Quellen:

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel: Seenebel kontra Sonne und sommerliche Temperaturen. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 01.04.2014

Erstellt am 2. April 2014
Zuletzt aktualisiert am 2. April 2014

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Zwischenfrühling

Sonnenschein, Wärme an langen lichten Tage dieser Frühlingsdreiklang lockt hierzulande in den kommenden Tagen ins Freie. Das nasskalte Wetter weicht angenehmer Witterung. Für die Mehrzahl wetterempfindlicher Menschen eine Wohltat - leider wird auch der Pollenflug stimuliert. weiterlesen...


Beschleunigte Alterung der Gehirne erwachsener Frauen nach traumatiesierender Erfahrung in der Kindheit

Erleiden Mädchen emotionale, sexuelle oder physische Gewalt, müssen sie als Frauen mit einem höheren Risiko für Depressionen, Angststörungen, Fibromyalgie, Herzkreislauf - und Stoffwechselerkrankungen leben. Forscher der Charité Berlin haben nun einen weiteren neurologischen Effekt erkannt. weiterlesen...


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...