Wetter

Warum der Wind weht

von Holger Westermann

Der große Windgenerator der Erde ist die planetarischen Zirkulation, der Ausgleich zwischen den Kaltluftmassen der polaren Gebiete und der äquatorialen Warmluft. Dazu zählen beispielsweise die Passatwinde, der Nordost-Passat auf der Nordhalbkugel und der Südost-Passat auf der Südhalbkugel. Motor dieses Systems ist die starke Sonneneinstrahlung am Äquator. Hier erwärmt sich die Luft und steigt auf, wird polwärts abgelenkt und sinkt etwa am 23. Breitengrad wieder ab (innertropische Konvergenzzone). Von dort wird die Luft wieder zum Äquator gesaugt, um die aufsteigende Luft zu ersetzen. Durch die Erdrotation verläuft dieser Rückstrom nicht senkrecht zum Äquator, sondern wird ostwärts abgelenkt. Für die kurzfristige Wetterentwicklung sind jedoch eher die lokalen Windeffekte relevant.

In Deutschland sind lokale Winde eher selten, denn bis zu den Alpen gibt es für die windbestimmenden Strömungen atlantischer Tiefdruckgebiete kaum nennenswerten Widerstand. Allein Harz und Schwarzwald, sowie Erzgebirge, Taunus, Thüringer- und Bayrischer Wald, bremsen die Luftmassen aus Westen und Nordwesten. Lokale Windereignisse im Norden Mitteleuropas konzentrieren sich auf den Küstenstreifen von Nord- und Ostsee. Die unterschiedlich rasche Wärmekapazität (Erwärmung und Abkühlung) von Wasser und Land erzeugen tagsüber eine auflandige Luftbewegung und bei Nacht eine ablandige (Landwind und Seewind).

Kommt der Wind aus Süd oder Südost kann beim Überströmen der Alpen an deren Nordseite Föhn auftreten, der zumeist ungewöhnlich warmes und sonniges Wetter mit sich bringt. Allgemein ist das Relief und der Bewuchs der Oberfläche (Orographische Beschaffenheit) ein entscheidender Faktor für die Windentwicklung. Je nach Oberflächenbeschaffenheit und damit Windwiderstand (Reibung) wird der Wind mehr oder weniger abgebremst. So bremsen Wälder stärker als Äcker oder gar Wasserflächen. Berge wirken wie Barrieren oder Leitplanken für die Luftströmung. So ist der Wind an der Nord- und Ostsee-Küste auf dem Wasser und am Strand (buten) stets lebhafter als wenige Kilometer landeinwärts (binnen). Obwohl kein Berg, zumeist noch nicht einmal ein Hügel dem Wind im Weg liegt, genügt die höhere Reibung am Boden um ihn spürbar zu bremsen.

Ansonsten sind spezielle Windeffekte ein Phänomen, das sich südlich der Alpen konzentriert. Hierzulande dominiert der Einfluss atlantischer Tiefdruckgebiete mit ihrer typischen West-Ost-Strömung. Die lokalen Winde, zumeist durch markante Temperaturgegensätze im Tagesverlauf oder durch Düseneffekte zwischen Gebirgen provoziert, erreichen oft Sturmstärke. Wie alles, was die Menschen bedroht, werden auch diese lokalen Winde oft mit Namen versehen. Wer sie kennt, kann Ort und Entstehungsbedingungen nennen. Für Meteorologen und interessierte Laien wie Piloten, Ballonfahrer, Segler und Bergsteiger aber auch vom Gegenwind geplagte Radfahrer ein hilfreiches Kommunikationsmittel.

Der Scirocco (an der Adria auch Jugo genannt) ist ein trockener Wüstenwind, der von der Sahara in Richtung Mittelmeer weht und Staub und Sand mit sich führt. Diese Wärmelieferant entsteht besonders häufig im Frühjahr und Herbst, wenn die Temperaturdifferenz zwischen kühlen Tiefdruckgebieten in Südeuropa und der heißen Luft über der Sahara besonders ausgeprägt ist. Auf seinem Weg über das Mittelmeer nimmt die Luft viel Feuchtigkeit auf, die sich an Gebirgen in Italien, Spanien oder Griechenland mit starken Niederschlägen abregnen kann.

In entgegengesetzter Richtung wehen Mistral und Bora, die trockenen und böigen Fallwinde des Mittelmeeres. Der Mistral stürmt in Frankreich das Rhonetal herunter und beutelt die Cote d’Azur mit ablandigem Sturm und bissigen Böen. Die Trichterwirkung des engen Flusstals, dass sich plötzlich zum Delta weitet, verhindert eine gleichmäßige Ausbreitung des Windes. Für die Menschen an Land ist der Mistral unangenehm (insbesondere für Radfahrer), für Menschen auf dem Meer eine große Gefahr. Ähnlich verhält sich die Bora an der slowenisch-kroatischen Adria. Hinter der istrischen und dalmatinischen Küste erhebt sich das Velebit-Gebirge als ideale Abrisskante für Luftströmungen. Häufig entsteht Bora, wenn sich gleichzeitig ein Hoch über dem Balkan und ein Tiefdruckgebiet südlich der Alpen entwickeln. Dann strömt sehr kalte kontinentale Luft in Richtung Adria und stürzt als böiger Fallwind das Karstgebirge herunter. Dabei erwärmt sich die Luft nur geringfügig, da die Gebirgszüge relativ niedrig sind. Im Winter sind Spitzengeschwindigkeiten bis zu 250 km/h möglich und die Winde können über einen langen Zeitraum von bis zu 14 Tagen auftreten.

Der Meltemi ist der vorherrschende Sommerwind in der Ägäis. Der trockene und kühle Wind weht auch Nordwest-, Nord- und Nordost vom griechischen Festland in Richtung Kreta. Verantwortlich dafür ist das sommerliche Azorenhoch über Mitteleuropa (Luftströmung mit dem Uhrzeigersinn) und einem Tiefdruckgebiet über dem Schwarzen Meer und der Türkei (Hitzetief, Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn). Dazwischen entsteht eine stabile Nord-Süd-Strömung, die vom Griechischen Gebirge (Olymp > 2.900m) kanalisiert und von Land-See-Wind-Effekten moduliert wird. Der Meltemi kann bei Sturmstärke mehrere Tage andauern.

Bei Seglern am Gardasee hat der Vento (Peler) einen vergleichbaren Klang. Dieser böige Nordwind tritt in Sommernächten auf. Dann sinkt die kalte Luft der Alpen ab, zieht über das warme Wasser des Sees und steigt erwärmt am südlichen Ufer wieder auf. Tagsüber kehren sich die Verhältnisse um: Die Luft an der Südseite der Alpen wird durch Sonneneinstrahlung erwärmt, steigt auf und bodennah fließt Luft über den See nach. Dieser Südwind wird Ora genannt.

Gemeinsam ist den Winden mit Namen, dass sie oft hinreichend Kraft entfalten, den Menschen in ihrem Einflussbereich großen Schaden zuzufügen. Dabei wird der mittelbare Schaden, den die zumeist heftigen (deutlich und plötzlich) Veränderungen von Druck, Temperatur und Luftfeuchte mit sich bringen oft gar nicht angesprochen. Wetterempfindliche Menschen reagieren sehr sensibel auf diese Veränderungen. Nervosität und Konzentrationsprobleme sind häufige Effekte, aber auch auf die Symptome chronischer Erkrankungen können sich starke Winde belastend auswirken. So betrachtet ist es für Mitteleuropäer wohlmöglich verschmerzbar, dass hierzulande nur der Föhn (und in Freiburg der „Höllentäler“, ein kalter Fallwind an Sommerabenden) einen eigenen Namen trägt.

Quellen:

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann: Also daher weht der Wind! Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 09.01.2014

M.Sc.-Met. Anna Wieczorek / Dipl.-Met. Martin Jonas: Ist das aber eine steife Brise. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 23.01.2014

Erstellt am 23. Januar 2014
Zuletzt aktualisiert am 23. Januar 2014

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