Postthrombotisches Syndrom bleibt unbeeindruckt
Kompressionsstrümpfe stützen den Kreislauf nicht
Die Kompression der Venen mit Stützstrümpfen, um den Rückfluss des Blutes zum Herzen zu unterstützen, zählt derzeit zur Basistherapie bei Patienten mit tiefen Venenthrombosen. Damit soll die Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms (PTS) verhindert werden. Denn während der Auflösung eines Thrombus (Gerinnsel in der Vene) entzündet sich in 25-50% der Fälle die Wand des Blutgefäßes. Dabei werden die Venenklappen im betroffenen Bereich angegriffen oder sogar zerstört, oft bildet sich Narbengewebe. Die Venen sind nicht mehr voll funktionstüchtig. Bisher wurde den Patienten das Tragen vom Stützstrümpfen empfohlen, um das Defizit auszugleichen. Eine aktuelle Studie stellt diese Therapie nun in Frage.
Die Folge eines PTS ist chronischer Blutstau im betroffenen Bein, der kurzfristig zu einem Schwere- oder Spannungsgefühl sowie Schwellung (Ödeme) und Schmerzen führen kann. Mittelfristig können sich erneut Krampfadern bilden, wobei oft auch Spannungsschmerzen auftreten. Langfristig kann es durch degeneriertes Blut zur Ablagerung von Eisenpigment im betroffenen Gewebe kommen, erkennbar an einer Braunfärbung der Haut. Zudem können an betroffenen Hautpartien aufgrund der chronischen Unterversorgung mit arteriellem Blut (reich an Sauerstoff und Nährstoffen) dauerhafte Hautschäden auftreten.
Durch die Therapie mit Kompressionsstrümpfen sollen die defekten Venenklappen kompensiert werden. Die Muskelpumpe, der Weitertransport des Blutes zum Herzen durch den Druck kontrahierender Muskulatur auf die Venen, soll dadurch wieder funktionieren. Ödeme sollen reduziert und eine venöse Stauung verhindert werden. Diese Wirkungsweise ist durchaus plausibel, möglicherweise wurde sie deshalb auch noch nicht systematisch überprüft.
Dies hat nun ein Forscherteam um Prof. Dr. Susan Kahn vom Jewish General Hospital in Montreal (Kanada) nachgeholt. Sie haben 410 Patienten mit Kompressionsstrümpfen ausgestattet, aber nur die Hälfte trug passende Exemplare, die den empfohlenen Mindestdruck ausübten. Bei den anderen Patienten saßen die Strümpfe zwar straff, konnten aber nicht den als erforderlich erachteten Druck aufbauen.
Nach Ablauf der zweijährigen Versuchsdauer trat das PTS in beiden Gruppen gleich häufig und in der selben Intensität auf. Dabei war es unerheblich, welche Kriterien oder Kriterienbündel zur PTS-Beurteilung (Ginsberg-Kriterien oder Villalta-Skala) herangezogen wurden. Die Wahrscheinlichkeit ein PTS auszubilden entsprach in etwa den Durchschnittswerten, die aus der wissenschaftlichen Literatur bekannt sind.
In ihrem Fazit stellt Frau Prof. Kahn daher die Therapie mit den als Maßanfertigung sehr teuren und bei Patienten aufgrund des geringen Tragekomforts nur wenig beliebten Kompressionsstrümpfen in Frage.
So bleibt zu prüfen, ob alle Patienten mit funktionsfähigen – und damit notorisch unbequemen – Kompressionsstrümpfen, diese auch mit hinreichender Konsequenz getragen haben. Möglicherweise beruht das Ausbleiben des erhofften Effekts nicht auf der mangelhaften Wirkung, sondern auf der mangelhaften Anwendung der Kompressionsstrümpfe.
Quellen: Kahn, S.R. et al. (2013): Compression stockings to prevent post-thrombotic syndrome: a randomised placebo-controlled trial. The Lancet, Online Publication, veröffentlicht am 6.12.2013. doi:10.1016/S0140-6736(13)61902-9
Erstellt am 16. Januar 2014
Zuletzt aktualisiert am 16. Januar 2014

Unterstützen Sie Menschenswetter!
Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.
Zwischenfrühling
Sonnenschein, Wärme an langen lichten Tage dieser Frühlingsdreiklang lockt hierzulande in den kommenden Tagen ins Freie. Das nasskalte Wetter weicht angenehmer Witterung. Für die Mehrzahl wetterempfindlicher Menschen eine Wohltat - leider wird auch der Pollenflug stimuliert. weiterlesen...
Beschleunigte Alterung der Gehirne erwachsener Frauen nach traumatiesierender Erfahrung in der Kindheit
Erleiden Mädchen emotionale, sexuelle oder physische Gewalt, müssen sie als Frauen mit einem höheren Risiko für Depressionen, Angststörungen, Fibromyalgie, Herzkreislauf - und Stoffwechselerkrankungen leben. Forscher der Charité Berlin haben nun einen weiteren neurologischen Effekt erkannt. weiterlesen...
Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen
Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...
Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen
Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...
Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose
Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...
Wetterwechsel provoziert Migräneattacken
Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...