Wetter
Winterbeginn im Wendekreis des Steinbocks
Heute, am 21. Dezember 2013, beginnt mit der Wintersonnenwende um genau 18:11 Uhr MEZ (Mitteleuropäische Zeit) der astronomische Winter. In den kommenden Jahren liegt der Scheitelpunkt am 22. Dezember; 2014 sehr knapp um 00:03 Uhr, 2015 um 05:48 Uhr. Für die meisten Menschen ist solche Präzision nebensächlich, wichtig ist ihnen, dass nun die Tage wieder länger werden. Für Anhänger der Astrologie beginnt nun das Tierkreiszeichen Steinbock – doch damit begehen sie einen astronomischen Irrtum.
Wir möchten hier nicht so kurz vor Weihnachten über den Sinn der Astrologie debattieren. Menschenswetter versteht sich als streng naturwissenschaftlicher Informationskalender. Doch unter medizinhistorischen Gesichtspunkten entfaltet die Astrologie einen gewissen Unterhaltungswert. Fehlt in einer gedruckten Zeitung oder Zeitschrift das Horoskop erhält die Redaktion mehr Reklamationen als bei einem vergessenen Feuilleton. Offensichtlich kennen viele Menschen das Tierkreiszeichen ihres Geburtstermins.
Der minutengenaue Termin des astronomischen Winterbeginns beruht auf einer astronomischen Größe, die astrologisch benannt wird. Der Winter beginnt, wenn die Sonne ihren südlichsten Punkt gegenüber dem Himmelsäquator, den Winterpunkt, erreicht. Von der Erde aus betrachtet, durchquert die Sonne dabei den Tierkreis als Fixsternhintergrund (Ekliptik). Mit -23.5° erreicht die Sonne ihre größte südliche Deklination (himmlischer Breitengrad als Gegenstück zur georgraphischne Breite auf der Erde) und steht an diesem Tage mittags senkrecht über dem „Wendekreis des Steinbocks“. So war es zumindest zu der Zeit, als die heute gebräuchliche astrologische Klassifikation notiert wurde. Wegen der, durch die Kreiselbewegung des Erdkörpers hervorgerufene, Taumelbewegung der Erdachse (Präzession) wandert der Winterpunkt im Laufe von 25.780 Jahren einmal durch den gesamten Tierkreis. So lag er während der Antike tatsächlich noch im Sternbild des Steinbocks. Derzeit liegt er im Sternbild Schütze und in den nächsten 300 Jahren wird sich der Winterpunkt ins Sternbild Schlangenträger verschieben.
Bedauerlicherweise ist der Schlangenträger kein Mitglied der klassischen Tierkreiszeichen, obwohl auch schon heute Menschen unter diesem ekliptischen Sternbild geboren werden (30. November bis 18. Dezember). Die Familie der Tierkreiszeichen hat Zuwachs bekommen, es sind nur dreizehn statt zwölf. Auch die Termine für die bekannten Tierkreiszeichen stimmen schon seit Jahrhunderten nicht mehr mit der astronomischen Realität überein. So erstreckt sich die Periode der Jungfrau über 44 Tage (16. September bis 30. Oktober), die des Krebses umfasst aber nur 21 Tage (20. Juli bis 10. August).
Schon in der Antike war dem Astronomen und Astrologen (damals war das noch eine einheitliche Wissenschaft) diese unregelmäßige Verteilung bereits bekannt. Doch damals wie heute hat das niemanden gestört – die davon wussten haben es ignoriert oder mit Reparaturtheorien kaschiert; die nicht davon wussten, wurden von den Wissenden nicht informiert.
So bleiben wir lieber auf solidem naturwissenschaftlichen Fundament. Sicher ist, dass der Winter mit dem kürzesten Tag und der längsten Nacht des Jahres beginnt, weil der größte Teil der täglichen Sonnenbahn unterhalb des Horizontes verläuft. In Berlin (52°31' nördl. Breite, 13°24' östl. Länge) geht die Sonne um 08:13 Uhr auf und um 15:33 Uhr unter, der lichte Tag dauert also 07:20 Stunden. In Wien (48°12’ nördl. Breite, 16°22’ östl. Länge) geht die Sonne bereits um 07:42 Uhr auf und erst um 16:02 Uhr unter; der lichte Tag misst hier 08:19 Stunden. Am nördlichen Polarkreis gibt es zur Wintersonnenwende einen Tag ohne Sonnenaufgang, weiter polwärts, in der Zone ewigen Eises, herrscht bereits Polarnacht.
Ab jetzt werden die lichten Tage wieder länger, wenn auch zunächst nur gemächlich. Bis Januar gewinnt der (potentielle) Sonnenschein nur eine Minute pro Tag, Mitte März erreicht die tägliche Zunahme an Sonnenlicht mit über vier Minuten ihre größte Dynamik. So erstaunt es nicht, dass die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel noch in die „dunkle Jahreszeit“ fallen, ohne dass eine Änderung wahrgenommen wird. Zu Ostern verlängern sich die lichten Tage jedoch rasant, der Körper reagiert auf diese Veränderung: Einerseits macht sich Frühjahrsmüdigkeit breit, andererseits werden Frühlingsgefühle geweckt. Doch bis dahin dauert es noch einige Monate. Wer einen 9-to-5-Bürojob hat, steht derzeit morgens im Dunklen auf und fährt nach Feierabend im Dunklen nach Hause. Die Weihnachtszeit erlaubt nicht nur die grellen Bürolampen zu löschen und sich am Kerzenschein der vorweihnachtlichen Gemütlichkeit zu erfreuen. Wer an den arbeitsfreien Tagen zur Mittagszeit einen ausgedehnten Spaziergang unternimmt, stärkt Körper und Seele durch Frischluft und Sonnenlicht. Auch wenn sich die Sonne hinter Wolken verbirgt, ist die Strahlungsintensität immer noch größer als jede elektrische Raumbeleuchtung in Wohnräumen. Damit wird die Hormonchemie im Gehirn, insbesondere das Melatonin-Serotonin-Wechselspiel, justiert. Die Schlafqualität, die Fähigkeit zur Stressbewältigung und die seelischen Robustizität verbessern sich spürbar. Die Frohe Botschaft der Weihnachtszeit und die Gelegenheit Mittags-Licht und milde Luft zu genießen ergänzen sich prächtig, um der eigenen Gesundheit Gutes zu tun. Und das aktuelle Sternbild, unter dem die Sonne zur Mittagszeit senkrecht am Himmel steht, hat darauf garantiert keinen Einfluss.
Quellen: Dipl.-Met. Thomas Ruppert: Windiger Winteranfang. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 20.12.2013
Erstellt am 21. Dezember 2013
Zuletzt aktualisiert am 21. Dezember 2013

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