Aktuelle Studie zeigt wissenschaftliche Mängel, aber das Ergebnis begeistert
Kakao verbessert bei Senioren die Hirnleistung
So zumindest das veröffentlichte und von vielen Medien aufgegriffene Fazit einer aktuellen Studie der Arbeitsgruppe um Dr. Farzaneh Sorond von der Harvard Medical School in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts. Schon zwei Tassen heiße Schokolade genügen, damit Gehirn und Denkvermögen profitieren. Die Flavonoide im Kakao sollen den Blutfluss zum Gehirn nachhaltig verbessern. Doch leider scheint diese Erkenntnis eher dem Wunsch der Forscher als der wissenschaftlichen Wirklichkeit zu entsprechen.
Die schleichende Verengung der (Arteriosklerose) Hirnarterien gilt als eine der häufigsten Ursachen für nachlassende Leistungsfähigkeit des Gehirns bei älteren Menschen. Zudem ist die Verkalkung der großen Schlagadern auch ein Alarmzeichen für Lungenembolien, Herzinfarkt und Schlaganfall. Folgerichtig wurden für eine experimentelle Untersuchung der positiven Wirkung des Kakao vorrangig ältere Menschen ausgewählt, die weitere Risiken aufwiesen: fast alle litten unter Bluthochdruck (Hypertonie), Dreiviertel waren stark übergewichtig und die Hälfte wurde wegen eines Typ-2-Diabetes behandelt. Andererseits war die kognitive Leistungsfähigkeit bei keinem der 60 Versuchsteilnehmer (Durchschnittsalter 73 Jahre, 31 Frauen) merklich eingeschränkt.
Die Hälfte der Versuchspersonen bekam Trinkschokolade mit reichlich Flavonoiden, die andere Hälfte erhielt einen Kakao, der nahezu frei von Flavonoiden war. Während der 30-tägigen Dauer des wohlschmeckenden Experiments wurden die Teilnehmer dreimal untersucht, am ersten, zweiten und 30. Studientag. Gemessen wurde ihre Reaktionszeit, das Gedächtnis sowie die Blutversorgung des Gehirns über die Hirnschlagader. Je besser die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Zucker über einen ungehinderten Blutfluss sichergestellt ist, um so zuverlässiger sollte das Denkorgan auch arbeiten. Die Forscher hofften, den positiven Effekt der Flavonoide aus dem natürlichen Kakao auf die Blutfluss auf diese Weise nachweisen zu können. Bedauerlicherweise zeigte sich bei den Versuchsteilnehmer kein Unterschied, ob ihre Trinkschokolade nun Flavonoide enthielt oder nicht.
Betrachtete man aber alle Versuchsteilnehmer als gemeinsame Gruppe, so zeigte sich bei 18 der 60 Versuchsteilnehmer, die zuvor schon als besonders vorbelastet galten, eine marginale Verbesserung (8,3%) der Blutversorgung des Gehirns, die Blutflussgeschwindigkeit stieg immerhin um 89%. Zudem verbesserten sich wie von den Forschern erwartet auch die Hirnleistungen in dieser Gruppe. Bei den anderen Versuchsteilnehmern war der Effekt mit 36% deutlich geringer. Zwar bestätigt die Studie den hinlänglich bekannten Zusammenhang zwischen Arteriosklerose der Halsschlagader und Hirnleitung, den Nachweis einer positiven Wirkung von Kakao mit natürlichem Flavonoidgehalt bleibt sie aber schuldig.
Nina Weber geht in ihrer Kritik an dieser Studie noch weiter, sie bemängelt das unwissenschaftliche Vorgehen der Autoren und die Bereitwilligkeit der Medien, die diese Ergebnisse ungeprüft verbreiten. "Das eigentliche Studienziel wurde vollkommen verfehlt, und an dieser Stelle hätte die Arbeit enden sollen", zitiert sie Prof. Gerd Antes vom Deutschen Cochrane Zentrum (DCZ, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit sowie vom Universitätsklinikum Freiburg). So könne man den Medien auch nicht die Schuld in die Schuhe schieben, wenn sie sich auf die Schlagzeile „Kakao macht Rentner schlau“ stürzen. "Die Wissenschaft informiert die Medien hier falsch." so Prof. Antes. Ein Negativ-Ergebnisse à la "Kakao hilft nicht" werde auch in der Gemeinschaft der Wissenschaftler nicht gern gesehen.
Für ältere und wohl auch für jüngere Menschen bleibt so nur der Genuss als Motivation für eine Tasse Kakao oder ein Stück Schokolade. Schlau macht das wohl nicht, aber glücklich.
Quellen: Sorond, F.A. et al. (2013): Neurovascular coupling, cerebral white matter integrity, and response to cocoa in older people. Neurology, online veröffentlicht am 07.08.2013. doi: 10.1212/WNL.0b013e3182a351aa. Weber, N. (2013): Brainfood-Studie: Was für ein Kakao. Artikel auf Spiegel Online, veröffentlicht am 09.08.2013.
Erstellt am 9. August 2013
Zuletzt aktualisiert am 9. August 2013

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