Wetter

Mai 2013: Wochenlang Regen greift die Gesundheit an

von Holger Westermann

Dieser Mai erweckte keine Wonne, ausdauernder Tiefdruckeinfluss brachte Wolken, Regen und mancherorts auch Überschwemmungen. Allerorten war es zu kalt zu nass und zu trist. Wetterempfindliche Menschen fühlten sich in den Herbst zurück versetzt. „Der kleine November möchte aus dem Mai abgeholt werden“ unkten Sonnenhungrige im Internet. Für Menschen, deren Muskulatur zu Verkrampfungen neigt bedeutet der Mai gewöhnlich das Ende der winterlichen Leidenszeit, ebenso für Menschen mit Rheuma – in diesem Jahr blieb die Entlastung weitgehend aus. Aber auch Menschen mit psychischen Problemen haben unter dem anhaltend trüben Wetter gelitten.

Ausschlaggebend für das feucht kühle Wetter ist die Druckverteilung in oberen Luftschichten (in etwa 5500 m). Über Mitteleuropa erstreckte sich wochenlang tiefer Luftdruck, der von hohem Luftdruck über dem Ostatlantik und über Nordosteuropa flankiert und damit ortsstabil gehalten wurde. Meteorologen sprechen von einer "umgekehrte Omegawetterlage". Eine solche Großwetterlage der Luftdruckverteilung in großer Höhe ist sehr stabil und hält meist über einen längeren Zeitraum an. Dabei strömt kühle und feuchte Polarluft über die Nordsee nach Mitteleuropa, insbesondere in den Westen Deutschlands. Weiter östlich führt oft eine südlichen Strömung warme, aber ebenfalls feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum heran geführt.

Diese Höhenströmungen alleine können jedoch nicht zu den extremen Niederschlagsmengen führen, die der Mai 2013 mit sich brachte. Eine Vielzahl kleinerer Bodentiefdruckgebiete, die entlang der Höhenströmung über Mitteleuropa hinweg ziehen, nehmen auf ihrem Weg über die Nordsee große Mengen Feuchtigkeit auf, die sie dann später über dem Festland abregnen. Die ersten Schauer treten bei Kontakt mit dem Festland auf. Die Landmasse hat sich bereits stärker erwärmt als das Meer und daher wird die Luft hier angehoben. Je höher die Luft steigt, um so kühler wird sie und kann dann weniger Feuchte tragen, es regnet. Orographische Hindernisse* wie Berge aber auch die Thermik (aufsteigende Warmluft) an Wäldern und Städten heben die heranströmende feuchtkalte Luft und provozieren Regen.

Ein sehr mächtiger Effekt tritt auf, wenn die Kaltluft auf die Alpen trifft. Dort staut sich die Luft, die Strömung wird abgebremst. Die windzugewandte Nordseite der Alpen wird dabei als „Luv“, die windabgewandte Südseite als „Lee“ bezeichnet. Staut sich die Luft in Luv der Alpen entsteht aufgrund der Höhenströmung (auch von Nord nach Süd) in Lee der Alpen ein Unterdruck am Boden – ein Bodentief. Da sich dieser Strömungseffekt zumeist im Bereich der norditalienischen Stadt Genua einstellt, sprechen Meteorologen von der Genuazyklogenese (Zyklogenese beschreibt die Entstehung und Entwicklung von Tiefdruckgebieten).

Gleichermaßen können bei einer südlichen Strömung gegen die Alpen auch im nördlichen Alpenvorland kleine Lee-Tiefs entstehen. Allgemein wird deshalb von einer Lee-Tiefentwicklung gesprochen. Die Genuatiefs ziehen zuerst an der Südseite der Alpen nach Osten, schwenken dann um die Ostalpen herum nach Norden ein um sich schließlich über Tschechien und dem westlichen Polen in Richtung Ostsee zu verlagern. Die bayrischen und tyroler Lee-Tiefs ziehen direkt nach Norden in Richtung Ostsee. Insbesondere die Genuatiefs können über dem warmen Mittelmeer viel Wasserdampf aufnehmen, um ihn dann über Österreich oder Ostdeutschland wieder abzugeben. Ein solches Tief führte beispielsweise im Jahr 2002 zum bekannten "Elbehochwasser". Auch die aktuellen Hochwasser in Niedersachsen gehen auf ein solches Genuatief zurück. Der Wassergehalt der nördlichen Lee-Tiefs ist dagegen wesentlich niedriger. Überschwemmungen sind daraus nicht zu erwarten, wohl aber Regen an ungewöhnlichen Hanglagen. Denn nun rücken die Regenfronten von Süden heran und zeigen die orographische Anhebung an den Südhängen der Mittelgebirge.

So lange die Höhentiefs der „umgekehrte Omegawetterlage“ über Mitteleuropa stabil sind, wird sich am nasskalten Wetter nur wenig ändern. Der Nachschub an regenreichen Bodentiefs, vom Atlantik aus Nordwest oder als gealtertes Genuatief aus Osten, bleibt gesichert. Wetterempfindliche Menschen müssen wohl noch einige Zeit ausharren, bis ein Hochdruckgebiet die Großwetterlage nachhaltig ändert.

 

* Als Orographie einer Landschaft bezeichnen Geowissenschaftler und Meteorologen die Höhenstrukturen der natürlichen Erdoberfläche, den Verlauf und die Anordnung von Gebirgen sowie den Fließverhältnissen der Gewässer.

Quellen:

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel: Mai 2013: Wochenlanger Tiefdruckeinfluss füllt mit Wonne jede (Regen-) Tonne! Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 28.05.2013

Erstellt am 30. Mai 2013
Zuletzt aktualisiert am 30. Mai 2013

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