Wetter

Der Flügelschlag des Schmetterlings

von Holger Westermann

Zu Beginn der Freiluftsaison häufen sich Einladungen zum Picknick, zum Grillen auf Terrasse oder Balkon, zum ausgedehnten Spaziergang oder zur Wanderung, beispielsweise am 1. Mai. Wer solche Einladungen ausspricht, den plagt in den Wochen zuvor die Frage: „Wie wird das Wetter am diesem Tag?“ Doch darauf kann es leider keine verbindliche Antwort geben. Selbst wenn alle Parameter für die Wetterentwicklung bekannt wären und es eines Tages möglich wäre, diese hinreichend schnell miteinander zu verrechnen, ist eine präzise Vorhersage für mehrere Wochen unmöglich. Schuld daran ist der Schmetterlingseffekt.

Heutzutage beruhen Wetterprognosen auf komplexen Berechnungen von Wettermodellen. Dabei wird von einem Hochleistungsrechner aus einem gegebenen Anfangszustand der Atmosphäre der wahrscheinliche Zustand zu einem späteren Zeitpunkt berechnet. Der Anfangszustand ergibt sich aus den Messwerten der Wetteraufzeichnungen an Land (Wetterhäuschen, Beobachtungsstationen), zu Wasser (Bojen, Schiffe), in der Luft (Flugzeuge, Ballonaufstiege) sowie im erdnahen Weltall (Satelliten- und Radardaten). Wettermodelle liefern dem Meteorologen nicht nur die Feuchte- und Druckverteilung in verschiedenen Höhen, sondern auch Parameter wie die Temperatur, den Bedeckungsgrad durch Wolken oder Dunst sowie die Niederschläge.

Nur geringe Abweichungen in diesen Anfangsbedingungen können in der Zukunft zu einer völlig andern Wetterentwicklung führen. Der amerikanische Meteorologe Edward N. Lorenz, der Begründer der Chaostheorie, wählte dereinst zur Illustration dieses Dilemmas eine anschauliche Metapher: Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien könne eine Störung der Anfangsbedingungen hervorrufen, die letztendlich einen Tornado in Texas auslöse. Heute ist diese Beschreibung der Fragilität (Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit, Störanfälligkeit) chaotischer Systeme als „Schmetterlingseffekt“ bekannt.

Nun lässt sich der Anfangszustand der Atmosphäre für die Wettermodelle nicht beliebig genau bestimmen. Zum einen gibt es nicht für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen, zum Anderen sind auch technisch ausgereifte Messungen immer noch fehlerbehaftet. Zudem sind die mathematischen Gleichungen zur Berechnung der Wettermodelle nicht durchgängig exakt, sondern enthalten auch Näherungswerte (Werte, die mit einer gewissen Schwankungsbreite in der Nähe des präzisen Wertes liegen). So werden die Modellrechnungen mit zunehmender Vorhersagezeit immer unsicherer. Wie lange das Wetter noch einigermaßen vorhersagbar ist, hängt aber von der Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen, beispielsweise einer Hochdruckwetterlage, ist der Zeitraum entsprechend länger, während er bei Grenzwetterlagen oft nur wenige Tage beträgt. Im Allgemeinen gilt jedoch, dass das Wetter im Mittel etwa 4 Tage vorhersagbar ist, bei stabilen Wetterlagen bis 7 Tage. Bis zu 10 Tagen kann noch ein grober Trend angegeben werden.

Um den Schmetterlingseffekt in den Griff zu bekommen, werden die Wettermodelle nicht nur einmal sondern sehr häufig durchgerechnet. Dabei werden die Anfangsbedingungen immer ein klein wenig (aber doch etwas mehr als einen Flügelschlag des Schmetterlings) verändert. Wenn sich jetzt bestimmte Wetterentwicklungen in den Berechnungen häufen, sind diese am wahrscheinlichsten. Zudem lassen sich dadurch Aussagen über die Vorhersagesicherheit treffen.

Deshalb wird sich auch in Zukunft, trotz immer leistungsfähigeren Computern und genaueren Messdaten, die Vorhersagezeit für das Wetter kaum noch verlängern lassen. Denn auch in Zukunft wird sich nicht jeder Flügelschlag eines Schmetterlings erfassen lassen. Der Mathematiker und Chaosforscher Wladimir Igorwitsch Arnold stellte fest, dass bei optimalen Berechnungsbedingungen eine Wettervorhersage für die kommenden 2 Wochen theoretische möglich wäre - mehr aber nicht.

Quellen:

Dipl.-Met. Christian Herold: Der Schmetterlingseffekt. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 23.04.2013

Erstellt am 24. April 2013
Zuletzt aktualisiert am 24. April 2013

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