Chlorhexidin-haltiges Mundwasser wirkt im Mund aber nicht im Patienten.
Zur „pharmakologischen Wirkung“ fragen Sie Ihren Richter oder Rechtsanwalt
Nicht Ärzte, Apotheker oder Naturwissenschaftler streiten derzeit darüber, wann einem Präparat eine pharmakologische Wirkung und damit das Prädikat „Arzneimittel“ zugesprochen werden kann, sondern die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Ist ein antibiotisches Mundwasser (Wirkstoff Chlorhexidin) nun ein Arzneimittel und darf deshalb nur über die Apotheke an die Patienten verkauft werden, oder ist es ein Kosmetikum und kann auch über die Zahnarztpraxen vertrieben werden? Mit dieser Frage musste sich der Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt auseinander setzen.
Chlorhexidin bekämpft sehr wirkungsvoll Bakterien und haftet sehr an den Zähnen und an der Mundschleimhaut, wird aber von den Zellen im Mund nicht aufgenommen. So kann der Wirkstoff lange einwirken ohne die Patineten zu belasten. Doch genau über diese Eigenschaft kam es nun zum Rechtsstreit. Muss ein Stoff in den menschlichen Körper, zumindest in die Schleimhautzellen eindringen um ein „pharmakologische Wirkung“ zu zeigen? Das OLG Frankfurt sagte „ja“, die nächste Instanz, der Bundesgerichtshof (BGH) sagte „nein, es genügt eine Wirkung auf die Bakterien im Mund der Patienten“ und verwies das Verfahren nach Frankfurt zurück. Dort hat man sich nun entschlossen den EuGH anzurufen um den Begriff „pharmakologische Wirkung“ genau definieren zu lassen.
Hinter der Klärung dieser Frage stehen handfeste wirtschaftliche Interessen. Werden Chlorhexidinhaltige Mundwasser als pharmakologisch wirksam eingestuft, so müssen sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Arzneimittel zugelassen werden und müssen von den Zahnärzten über die Apotheken bezogen werden. Der Kläger, das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) hat diesen Weg beschritten, das beklagte Unternehmen Sunstar hat sein Mundwasser direkt an die Zahnarztpraxen verkauft. Erkennt das EuGH eine pharmakologische Wirkung muss Sunstar eine Zulassung beantragen, für GSK bedeutet dies einige Monate ohne lästige Konkurrenz.
Aber die anstehende EuGH-Entscheidung ist durchaus von prinzipiellem Interesse. Denn Arzneimittel dürfen ausschließlich über Apotheken verkauft werden. Andere Vertriebswege, beispielsweise direkt über den Arzt, den Heilpraktiker oder über Drogeriemärkte stehen nicht zur Verfügung. Zudem gelten für die apothekenpflichtigen Arzneimittel auch Einschränkungen bei Werbung und Marketing aufgrund des deutschen HeilmittelWerbeGesetzes (HWG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker. Stellen die Juristen fest, dass ein Präparat keine „pharmakologische Wirkung“ aufweist, so handelt es sich auch nicht um ein Arzneimittel und es kann wie Vitaminbrausetabletten oder Schüsslersalze verkauft werden.
(* Ärzte dürfen in Deutschland seit 1241 (Edikt von Salerno) nicht an den Arzneimitteln verdienen, die sie den Patenten verschreiben. Der Verkauf von Arzneimitteln darf nur über die Apotheken erfolgen. Ärzte dürfen in Deutschland, anders als beispielsweise in Japan, keine Arzneimittel verkaufen.)
Quellen: Rohrer, B. (2011): Pharmakologie vor dem EuGH. Artikel auf www.apotheke-adhoc.de vom 8. August 2011.
Erstellt am 9. August 2011
Zuletzt aktualisiert am 9. August 2011

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