Wetter

Tagsüber Frühling, nachts Winter

von Holger Westermann

Die schon kräftige Sonne hat gestern in großen Teilen Mitteleuropas Frühlingsgefühle geweckt. Am Rhein und in Österreich überwand die Thermometer-Anzeige lässig die 10°C Grenze, auch 15°C wurden gebietsweise erreicht. Die gefühlte Temperatur, die auch die Strahlungswärme der Sonne berücksichtigt, lag noch deutlich darüber. So flanierten schon viele Menschen, insbesondere Jugendliche in leichter Garderobe durch den Sonnenschein. Doch am frühen Morgen greifen in diesen Tagen auch hartgesottene Naturen lieber zur Daunenjacke als zum Blouson. Raureif bedeckt Wiesen, Wege und Autos. Die gefühlte Temperatur liegt zu dieser Tageszeit deutlich im Minus.

Fehlt in der Nacht die Wolkendecke kann die Wärmestrahlung ungehindert in das Weltall entweichen. Die Luft kühlt stark ab. Kann der Boden keine Wärme nachliefern sinkt die Lufttemperatur im Verlauf der Nacht immer weiter ab. Erst wenn die aufgehende Sonne den Boden erwärmt, kann – mit ein wenig zeitlicher Verzögerung – auch die Lufttemperatur wieder steigen. Deshalb gibt es bei wolkenlosem Himmel einen sehr großen Tagesgang der Lufttemperatur. Bei bewölktem Himmel kann die diffuse Strahlung Luft und Boden nicht so stark erwärmen und in der Nacht kühlt es unter der Wolkendecke nicht so sehr aus.

Der zweite Faktor ist der Wind. Dieser bewirkt die Durchmischung der bodennahen Luftschichten. Ist der Wind schwach, bleibt immer die selbe Luft direkt über dem sich aufheizenden Boden liegen und erwärmt sich zügig. Die Warmluft steigt dann in die darüber liegende kältere Luft auf, so entsteht auch das Luftflimmern über schwarzem Asphalt im Hochsommer. Nachts kühlt die Luft ab und bodennah können sich Kaltluftpolster ausbilden, denn kalte Luft ist schwerer als warme. Ist der Wind etwas stärker, werden bodennahe Luftschichten durchmischt und die Kaltluftpolster lösen sich auf. Bei wenig Wind ist der Tagesgang der Lufttemperatur stärker, als bei viel Wind.

Der dritte Faktor ist die Luftfeuchte. Kalte Luft kann nicht so viel Wasserdampf tragen wie warme. Sonnenstrahlen erwärmen den Boden und fördern damit die Verdunstung von Bodenfeuchtigkeit. Gleichzeitig erwärmt sich auch die bodennahe Luft, die diese Feuchtigkeit gut aufnehmen kann. Ist die Maximalmenge erreicht (relative Luftfeuchtigkeit von 100 %), beginnt der Wasserdampf zu kondensieren. Nebel und Tau sind die sichtbaren Folgen dieses Effektes. Je mehr sich die Luft erwärmt um so mehr Feuchtigkeit kann sie tragen, der Nebel oder Tau löst sich auf. Kühlt die Luft am Abend oder in den frühen Morgenstunden ab, kondensiert die Luftfeuchte, es bilden sich wieder Nebel und Tau – bei einer Temperatur unter 0°C als Reif. Dabei wird Wärme frei, die ein weiteres Absinken der Temperatur verzögern, manchmal sogar verhindern kann. Ist die Luft sehr trocken unterbleibt dieser Effekt und die Temperatur kann ungebremst sinken; deshalb kühlt trockene Luft stärker aus als feuchte. Das gilt für die physikalisch gemessene Thermometer-Temperatur. Bei der gefühlten Temperatur ist feuchte Luft „kälter“ als trockene, denn sie ist eher in der Lage Körperwärme abzuleiten. Und diese Ableitung von Körperwärme ist für die Gesundheit relevant, ob die Menschen frösteln, sich die Adern und Atemwege zusammenziehen oder ob sogar Erfrierungen drohen.

Derzeit garantiert ein Hoch über Osteuropa, dass in Mitteleuropa ruhiges Sonnenwetter vorherrscht. Wenig Wind, kaum Wolken und durch die östliche bis südöstliche Anströmung auch trockene Luft bewirken derzeit einen Tagesgang von mehr als 15°C. Auch wenn mittags die Sonne zum Spaziergang lockt, ist es morgens noch frostig kalt. Für Menschen mit Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Problemen ist das eine schwierige Situation, denn am Morgen müssen sie Verkrampfungen oder sogar Infarkte fürchten, obwohl der Wetterbericht im Radio oder TV mit einer zweistelligen Tageshöchsttemperatur prahlte.

Quellen:

Dipl.-Met. Marcus Beyer: Tagsüber Frühling, nachts Winter. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 05.03.2013

Erstellt am 5. März 2013
Zuletzt aktualisiert am 5. März 2013

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