Wetter
Weihnachtstauwetter im Advent
Der Temperaturtrend wendet sich ab von Kälte und Schnee und wandelt sich zu milder Wärme. Weiße Weihnachten wird wieder zum Sehnsuchtsprospekt eines romantischen Kalenderblattidylls.
Dabei begann der Spätherbst und Vorwinter so hoffnungsstimulierend. Schon Ende November erlebten dieMenschen in Mitteleuropa ungewohnt kräftige Kaltlufteinbrüche mit gebietsweise Schneefall bis ins Flachland. Wer es nicht selbst vor der Haustür sehen konnte, hörte in den Nachrichten davon. Auf dem Feldberg im Schwarzwald (Baden-Württemberg) wurden am 11. Dezember bereits 107cm Schnee gemessen, auf dem Großen Arber (Bayern) immerhin 54cm. Und auf den Alpengipfeln sammelte sich bis dahin mehr als 1m Schnee. So weit bemerkenswert, aber so kurz vor Winterbeginn nicht erstaunlich. Ungewöhnlich war dagegen die weiße Decke über der Landschaft im küstennahen Nordosten Deutschlands. In einem schmalen Streifen von Vorpommern bis in die Lausitz lag flächendeckend 5 bis 10cm Schnee.
Winterwetterenthusiasten freuten sich über den frühen Schnee und hofften auf eine Verstetigung der kalten Witterung; Autofahrer waren aufgrund der Straßenverhältnisse zumeist weniger begeistert. Doch schon der deutsche Meteorologe Hermann Flohn (1912 - 1997), der bereits in den 1940er Jahren den typischen „Frühwinter“ vom 14. bis 25. Dezember erwartete, prognostizierte als Regel das mit großer Wahrscheinlichkeit eintreffende „Weihnachtstauwetter". Damit gehören sowohl der „Frühwinter" als auch das „Weihnachtstauwetter" zu den Witterungsregelfällen, im meteorologischen Fachjargon als Singularitäten bezeichnet.
Zu diesen wird auch heute noch geforscht. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wann sie auftreten und wie kräftig sie ausfallen, sondern auch um die Frage, mit welcher statistischen Sicherheit mit ihnen gerechnet werden kann. So hat sich der „Frühwinter“ dem astronomischen Jahreszeitenwechsel (Wintersonnenwende) angenähert und wird derzeit für den vom 17. bis 21. Dezember erwartet. So gesehen erleben die Menschen in Mitteleuropa heuer (in diesem Jahr) einen voreiligen - und besonders engagierten - Frühwinter.
Durch meteorologischen Zufall oder durch das Gesetz des regelmäßigen Wetterwechsels folgt auf den frühen Frühwinter nun ein vorgezogenes Wintertauwetter. Das Tief „Kamillo“ bei Island führt an seiner Vorderseite (Zugrichtung ostwärts) von Südwesten milde und feuchte Mittelmeerluft heran. Unterstützt wird „Kamillo“ dabei von den kleinräumigeren Tiefdruckgebieten „Lutz“ über Irland und einige Tage später „Matteo“. Im Zusammenspiel dieser Tiefdruckgebilde wird die Kaltfront von „Kamillo“ kräftig verbogen, so dass sie Deutschland nicht von West nach Ost überquert, sondern im Westen verharrt. In der Folge wird zwischen diesem Tiefdruck-Trio und dem Hoch „Yascha“, das sich von der iberischen Halbinsel bis nach Mitteleuropa erstreckt, Warmluft nach Mitteleuropa geführt - und die derzeit noch dominierende Kaltluft beiseite geschoben. Damit steigen auch die Tagesmaxima, zunächst auf 10°C, später sind auch 13°C möglich.
Der Wetterwechsel von kalt zu warm wird jedoch kein Frühlingserwachen, denn dort wo heranströmende Warmluft auf Kaltluftpolster trifft, entstehen Niederschläge, die Luftschichten unterschiedlicher Temperatur passieren, bevor sie am Boden auftreffen. Je nachdem wie diese Schichten genau temperiert sind, fällt dann Schnee, Schneeregen oder Regen, mancherorts aber auch gefrierender Regen. Die Risiken für Menschen auf den Straßen, im Auto, mit Fahrrad oder zu Fuß werden nicht geringer.
Ebenso wie die Verkehrsteilnehmer sollten sich wetterempfindliche Menschen nicht allzu euphorisch über den Temperaturwechsel freuen. Für viele bedeutet der abrupte Temperaturanstieg eine merkliche Kreislaufbelastung. Wer mit Herz-Kreislauf-Problemen leben muss, wird die Veränderung körperlich spüren; andere Menschen bemerken vielleicht Konzentrationsprobleme und Motivationsdefizite oder werden von Kopfschmerzen geplagt. Andererseits: Wenn es draussen wärmer wird, wenn das Schmuddelwetter weicht, darf man sich einen Spaziergang an der frischen Luft gönnen und so Körper und Gemüt etwas Gutes tun.
Das voreilige Weihnachtstauwetter könnte jedoch genau zur Weihnachtszeit auch einen vorgezogenen Januarfrost bescheren. Denn die Wettermodelle der Mittelfristprognose errechnen für die Feiertage ein robustes Hochdruckgebiet, das sich von Mitteleuropa in Richtung der Britischen Inseln und Nordatlantik verlagert. Damit wäre die Zugbahn der Atlantiktiefs, die steten Wechseln von Warmluft und Kaltluft und damit milde Witterung bewirken, blockiert und kontinentale oder polare Kaltluft könnte hierzulande das Weihnachtswetter bestimmen - mit Frost und Schnee bis in die Täler und ins Flachland. Genau so, wie es die Kalenderblätter als Dezemberidyll präsentieren.
Quellen: Dipl.-Met. Martin Jonas: KAMILLO vertreibt den "verfrühten" Frühwinter. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 11.12.2021 Dipl.-Met. Marco Manitta: "Vorgezogenes" Weihnachtstauwetter. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 12.12.2021
Erstellt am 12. Dezember 2021
Zuletzt aktualisiert am 9. Februar 2022

Unterstützen Sie Menschenswetter!
Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.
Winterrevival
Trotz der zwischenzeitlich sehr milden Witterung mit Frühlingsattitüde ist das typische Wetter der Saison noch wechselhaft mit konkreten Chancen auf Kälte und Schnee. Wer in den Kalender blickt wird ohnehin Aprilwetter erwarten.

Der digital Asthma-Helfer für die Tasche
Hunde senken Stress, denn sie mögen Menschen
Dem possierlichen Charme eines jungen Hundes kann sich kaum ein Mensch entziehen. Dem spontanen Impuls zu Knuddeln oder zumindest zu Streicheln mag man nicht widerstehen. Und die Mehrzahl der Hunde scheint diese Zuwendung zu genießen. Bei älteren Tieren ist dann eher die Rasse und deren Charakter relevant, ob man Körperkontakt anstrebt oder lieber auf Distanz achtet. weiterlesen...

Das Projekt Menschenswetter
Ein Bild des Partners lässt Schmerzen schwinden
Zärtlichkeit lindert Schmerzen. Dabei wird der geliebte Partner körperlich wahrgenommen, man ist der schützenden und tröstenden Gegenwart gewiss. Zudem wirkt das genau in diesem Moment ausgeschüttete Kuschelhormon Oxytocin als natürliches Analgetikum. Forscher der Justus Liebig Universität Gießen (Hessen) haben nun herausgefunden: Ein Bild vom Partner genügt, um das Schmerzempfinden zu reduzieren. weiterlesen...
Weniger Streß durch Nikotinverzicht
Wenn Raucher zur Zigarette greifen, bemühen sie oft das Argument, akuten Stress zu lindern. Sie erhoffen sich kurzfristig spürbare und langfristig wirksame Unterstützung bei der Bewältigung psychischer Belastungen. Doch die regelmäßige Intoxikation mit Nikotin verstärkt die Probleme; erst Abstinenz lässt sie (ver)schwinden.