Selbstloses Verhalten lindert Schmerzempfinden

Es tut gut für andere Gutes zu tun

von Holger Westermann

Als Altruismus etikettiert man jedes Engagement zugunsten eines Mitmenschen, das vordergründig keinen Vorteil, sondern lediglich Aufwendungen oder sogar Risiken verursacht. Für das soziale Gehirn des Menschen ist „Gutes tun“ allerdings immer ein Gewinn. Die Glückshormone Dopamin und Oxytocin werden freigesetzt und verbessern das Wohlbefinden. Zudem wird die „gute Tat“ als Handlung von hohem Rang interpretiert, denn helfen kann man nur von oben nach unten (Alles andere sind geschuldete Handreichungen). Doch es gibt noch einen weiteren „guten Grund“ für altruistisches Verhalten: die eigene Schmerzempfindlichkeit sinkt.

Um diese These zu testen setzten die Forscher der Peking-Universität (China) ihre Versuchsteilnehmer in vier Experimenten unterschiedlichen altruistischen Bedingungen aus. In der ersten Versuchsanordnung wurden Blutspender danach befragt, wie schmerzhaft das Setzen der Kanüle gewesen sei. Probanden, die sich aus konkretem Anlass Blut abnehmen ließen (hier eine Erdbebenkatastrophe) empfanden den Einstich weit weniger schmerzhaft als andere ohne diese Motivation. Das Gefühl, anderen mit unmittelbar Notwenigem zu helfen, linderte das eigene Schmerzempfinden.

Das zweite Experiment prüfte den Effekt langfristig wirksamer Hilfe für Notleidende. Das zu sollten freiwillige Helfer in sehr kalter Umgebung ein Handbuch für Migrantenkinder überarbeiteten. Sie empfanden den Frost weit weniger grimmig als Menschen, die unter den selben Bedingungen keiner für Dritte nützlichen Tätigkeit nachgingen.

Im dritten Experiment lag der Fokus auf Menschen mit chronischen Schmerzen und der Alltagshilfe für unmittelbar gegenwärtige Mitmenschen. Krebspatienten kochten für andere und übernahmen den Hausputz. Dabei empfanden sie weniger Schmerzen als Patienten einer Kontrollgruppe, die lediglich sich selbst versorgten.

Im vierten, technisch aufwändigsten, Experiment wurde geprüft, ob Spendenbereitschaft Schmerzen lindert und inwiefern sich die Überzeugung damit Gutes zu tun, auf diesen Effekt auswirkt. Die Forscher baten um Spenden für Waisenkinder. Anschließend fragten sie die freiwilligen Spender, für wie hilfreich sie ihre Geldgabe einschätzten. Wer nichts gegeben hatte, zählte zur Kontrollgruppe. In einer fMRT-Untersuchung (funktionelle Magnet-Resonanz-Tomographie) wurden alle Probanden mit leichten Stromstößen traktiert. Spender spürten dabei weniger Schmerz als Nicht-Spender. Und dieser Effekt war um so größer, je stärker sie ihre Geldspende als nützlich angesehen hatten.

Mit ihren Experimenten untersuchten die Forscher mehrere Aspekte von altruistischem Verhalten und eine weite Vielfalt von Schmerzerfahrungen (sofern das in einem Experiment mit Menschen zulässig ist). In jedem Fall reduzierte die Gute Tat das Schmerzempfinden und die Überzeugung damit Gutes zu bewirken verstärkte den Effekt.

Sicherlich ist es möglich, dass psychosoziale Placebowirkungen eine wichtige Rolle spielen. Für Menschen mit akutem oder chronischem Schmerzerleben ist das jedoch nachrangig relevant - wichtig ist, dass es ihnen gut tut für andere Gutes zu tun.

Quellen:

Wang, Y. et al. (2019): Altruistic behaviors relieve physical pain. Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America PNAS, online veröffentlicht 30.12. 2019. DOI: 10.1073/pnas.1911861117

Erstellt am 1. Dezember 2020
Zuletzt aktualisiert am 1. Dezember 2020

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