Wetter

Novemberfrühling

von Holger Westermann

Novemberfrühling

Der Beginn der „kalten Jahreszeit“ wird heuer (in diesem Jahr) hierzulande ungewöhnlich warm. Nur fünf Wochen vor der Sonnenwende zum Winterbeginn strömt sehr milde Luft aus Westen und Süden nach Mitteleuropa. Dieser Wärmeeinbruch belastet nicht nur wetterempfindliche Menschen.

 

Die Luftdruckverteilung in der Nachbarschaft Mitteleuropas erzeugt einen kräftigen stabilen Südwind. Hoher Luftdruck über Ost- und Südeuropa rund um das Hoch „Scott“ (Luftströmung im Uhrzeigersinn um das Zentrum) und tiefer Luftdruck über West- und Nordwesteuropa mit dem Tief „Quentina“ südlich von Island (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn) sowie weitere Tiefdruckregionen über dem Atlantik.

VomAtlantik her stürmen immer wieder Tiefdruckgebiete und deren Randtiefs heran. Manchmal gelingt ihnen eine Regenfront bis nach Mitteleuropa vorzuschieben, aber ein Durchzug ostwärts gelingt nicht. Dafür ist das kräftige Hoch „Scott“ ein zu solides Bollwerk, sodass sich Deutschland derzeit zu einer Art Friedhof der Fronten von Tiefdruckgebieten entwickelt. Nur manche Tiefs mit relativ nördlicher Zugbahn können ihren Weg in Richtung Polarmeer fortsetzen. Deutschland liegt dabei weiter in einer westlichen bis südwestlichen Grundströmung, mit der feuchte und teils sehr milde Atlantikluft ins Land gelangt.

Unter diesen Bedingungen gibt es vorerst keine Gelegenheit für einen markanten Kaltluftvorstoß, der einen Wetterwechsel zum vorweihnachtlichen Frühwinter mit sich bringt. So lange der hohe Luftdruck noch das Wetter hierzulande kontrolliert bleibt es vielfach morgens neblig, tagsüber oft sonnig und „für die Jahreszeit zu warm“. Alsbald wird jedoch der Westen und Nordwesten von Tiefausläufern touchiert; diese bringen dann Regen und Wind. Diese tiefdruckinspirierten Episoden werden häufiger und reichen immer weiter südostwärts.

Durch den Düseneffekt zwischen den Tiefs vom Atlantik und dem Hoch über Osteuropa und dem Balkan wird subtropisch warme Luft über das Wasser zwischen Portugal (18°C) und Irland (12°C) herangeführt. Sie reichert sich mit Wasserdampf an und im Zusammenspiel mit der mittags kräftigen Sonnenstrahlung wird sie eher frühlingshaft als spätherbstlich empfunden.

Beste Voraussetzungen für einen „Novemberfrühling“ mit Tagesmaxima 14 und 20°C. Dabei kann es morgens bei Nebel auch länger sehr kühl bleiben. Der Tagesgang, die Differenz zwischen niedrigster und höchster Temperatur innerhalb von 24 Stunden, spannt sich leicht über 15°C. Auch Menschen mit robustem Kreislauf spüren dann tagsüber Motivationslücken und Konzentrationsprobleme. Doch wer mit einer manifesten Herz-Kreislauf-Erkrankung lebt, muss mit Müdigkeit am Tag, Problemen der Muskelspannung und Schwindel rechnen. Andere leiden bei solchen Bedingungen unter starken Kopfschmerzen.

Sobald sich der Hochdruckeinfluß abschwächt, können Tiefdruckgebiete weiter nach Mitteleuropa hinein ziehen. An der Rückseite der Kaltfronten sickert dann feuchtkalte Luft ein und das Wetter wird unbeständig, dabei bleibt es zunächst 8 und 15°C warm. Doch einmal in Gang gesetzt, schreitet die Abkühlung mit jeder weiteren Kaltfront eines neuen Tiefs voran. Der „Novemberfrühling“ bleibt eine kurze ungewöhnlich warme Episode, die letztendlich zu normal temperiertem Novemberwetter überleitet. Diese Rückkehr zum jahreszeitlich Normalen bedeutet erneut einen drastischen Wetterwechsel - wieder mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit. Der rasante Temperaturrückgang belastet Menschen mit Rheuma und Muskelverspannungen, für Menschen mit Arteriosklerose steigt das Infarktrisiko. So angenehm man den sonnig warmen „Novemberfrühling“ aktuell empfindet, das dynamische Auf und Ab der Temperatur ist eine enorme Belastung für die Gesundheit.

Quellen:

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel: Frühling im November? Teils leicht unbeständig, teils freundlich, regional windig und sehr mild. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 13.11. 2020

Erstellt am 14. November 2020
Zuletzt aktualisiert am 16. November 2020

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