Kleine Aufmerksamkeiten beleben Partnerschaft und Freundeskreis

Das Gefühl geliebt zu werden

von Holger Westermann

Damit Liebe und Freundschaft gedeihen oder gar erblühen, bedarf es aufmerksamer Pflege. Chronisch kranke Menschen sind dabei benachteiligt. An schlechten Tagen mit hoher Belastung durch Schmerzen oder andere Symptome fällt es schwer, sich liebevoll um andere zu kümmern. Und an den guten Tagen müssen neben der Pflege von Sozialkontakten auch viele andere Aufgaben erledigt werden, die Zeit beanspruchen. Bei ohnehin knappem Zeitbudget ergibt sich ein Dilemma: Man kann entweder in Zweisamkeit oder in Gruppenerlebnisse investieren, Tête-à-Tête oder Geselligkeit. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun, dass für liebevolles Erleben gar kein so großer Aufwand notwenig ist.

Wer seine Jugend in den 70er oder 80er Jahren erlebte kam an der Lektüre von Erich Fromm „Die Kunst des Liebens“ nicht vorbei. Obwohl schon Mitte der 50er Jahre geschrieben, erreichte es damals maximale Popularität unter Jugendlichen. Die Kernthese war: Nur wer mit sich selbst vertraut ist, kann lieben. Zwar kann es auch ohne Selbsterkenntnis und Selbstvertrauen gelingen sich zu verlieben, nicht aber die Liebe zu erleben. Liebesbeziehungen zwischen unvollständig gefestigten Persönlichkeiten werden vom Wunsch getragen, geliebt zu werden. Der permanent eingeforderte Liebesbeweis ermattet zum Ritual oder eskaliert zum unerfüllbaren Anspruch. Glücklich werden die Partner dabei nicht.

Das bestätigt nun eine Studie von Forschern der Penn State University (Old Main, Pennsylvania, USA). Befragt wurden 495 erwachsene US-Amerikaner (245 Männer) im Alter von 18 bis 93 Jahren (Durchschnittsalter 51). Sie sollten entscheiden, in welchem der 60 vorgestellten Szenarien sich die Menschen geliebt fühlen würden - und wann das sicherlich nicht der Fall sein wird. Die Bandbreite reichte von der euphorischen Begrüßung durch ein Haustier über die verbale Zusicherung „Ich liebe Dich“ oder kleine körperliche Zärtlichkeiten durch den Partner bis hin zu negativen Auswirkungen von sozialer Nähe wie soziale Kontrolle sowie besitzergreifendem, dominierendem Verhalten oder gar bevormundenden Erziehungsbemühungen.

Es zeigte sich, dass nicht die romantisch inszenierten Liebesbeteuerungen besonders wirksam waren, sondern die eher beiläufigen kleinen Gesten von Vertrautheit und Aufmerksamkeit. Dabei bewirkt körperliche Nähe, auch die kleine Zärtlichkeit sehr viel mehr Liebesempfinden als eine rein verbale Beteuerung. Möglicherweise hänge dies damit zusammen, dass Taten glaubwürdiger erscheinen als Worte, vermuten die Forscher. Negativ wurde auch bewertet, wenn die romanischen Gesten zuviel des Guten darstellten, wenn zu dick aufgetragen wurde (over-the-top). Dann schwand zunächst die Glaubwürdigkeit und infolgedessen die Qualität als Liebesbezeugung.

Manches machen Liebende auch instinktiv richtig. So wurde die rasche Antwort auf SMS, WhatsApp oder Email als Indiz für ehrliche Zuneigung angesehen, die zögerliche oder ausbleibende Rückmeldung dagegen negativ bewertet. Ins Gegenteil verkehrte sich der Effekt jedoch, wenn die Online-Kommunikation der Kontrolle oder Bevormundung dienen sollte. Anzeichen von Eifersucht vereitelten zuverlässig das Gefühl geliebt zu werden.

Bemerkenswert war den Forschern auch ein Unterschied zwischen den Geschlechtern. So wussten Männer im Allgemeinen viel weniger als Frauen darüber, wie man beim Gegenüber das Gefühl weckt, geliebt zu werden. Womöglich machen sie sich einfach weniger Gedanken darüber. Die Forscher konstatieren, dass „es nicht klug sei, eine Liebesbeziehung zu führen und dabei davon auszugehen, dass beide Partner das selbe Konzept verinnerlicht haben, wie man erfahren kann, geliebt zu werden.“ Es könne sich lohnen, miteinander darüber zu sprechen, welche Form der Zuneigung besonders gut ankommt. In „Die Kunst des Liebens“ unterscheidet Erich Fromm die infantile Liebe „Ich liebe, weil ich geliebt werde“ von der reifen Liebe „Ich werde geliebt, weil ich liebe“.

Viele Menschen, die unter einer chronischen Erkrankung leiden, müssen ohnehin schon mit permanenten oder episodisch auftretenden Einschränkungen im Selbstbewusstsein leben. Zusätzlichen sozialen Stress verursacht die Sorge, in der Liebesbeziehung oder in den Freundschaften nicht ausreichend aufmerksam gewesen zu sein. Schmerzbelastung oder psychische Probleme, reduzierte Leistungsfähigkeit oder Unbeweglichkeit von Muskeln und Gelenken, Kurzatmigkeit oder allgemein Antriebslosigkeit schränken die Motivation für stete Liebesbeteuerungen ein. Glücklicherweise ist das auch gar nicht nötig. Partner und Freunde registrieren vorrangig die kleinen ernstgemeinten Gesten. Durch sie werden Partnerschaft und Freundschaften nachhaltig gefestigt.

Quellen:

Heshmati, S. et al. (2017): What does it mean to feel loved - Cultural consensus and individual differences in felt love. Journal of Social and Personal Relationships, online veröffentlicht am 11.08. 2017. DOI: 10.1177/0265407517724600

Erstellt am 8. November 2017
Zuletzt aktualisiert am 8. November 2017

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