Schokolade schadet nicht

Kein Migränekater für Schokoholiker

von Holger Westermann

Kakaoprodukte aber auch Gummibärchen und andere süße Leckereien stehen im Verdacht bei Migränepatienten die nächste Attacke zu provozieren. Gibt es dafür medizinische Gründe oder zumindest gesicherte Erkenntnisse? Oder spielt uns die Psychologie einen Streich: Ungezügelter Genuss zieht Sanktionen nach sich? Oder ist es so, dass die Lust auf Schokolade eine Migräneattacke ankündigt anstatt sie auszulösen? Was ist Henne was ist Ei? Diese Fragen untersuchte eine Forschergruppe um Frau Dr. med. habil. Stefanie Förderreuther an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilian-Universität in München.

Bekannt ist, dass Patienten vor einer Migräneattacke über Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Nervosität, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und auch Heißhunger-Anfälle klagen. Bis zu 70 Prozent der Patienten berichten von einer solchen Vorbotenphase. "Bei einer plötzlich auftretenden Essattacke wird dann in kurzer Zeit zum Beispiel eine ganze Tafel Schokolade vernichtet," erzählt Dr. Förderreuther, Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Dies habe Schokolade in den Ruf gebracht, Migräneattacken auszulösen. Wissenschaftliche Untersuchungen geben jedoch Hoffnung auf Rehabilitation.

In ihrer Studie hat die Münchner Forschergruppe das Auftreten von Migräneattacken bei Patienten, die sich sicher waren, dass ihre Attacken durch Schokolade ausgelöst würden und Patienten, die einen derartigen Auslöser nicht für sich beobachtet hatten verglichen. Es konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Möglicherweise ist der Naschanfall in der Vorbotenphase für die Patienten sogar günstig, denn der Körper kann sich im Vorfeld für die schweren Migränesymptome rüstet und vor dem Einsetzen der unappetitlichen Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Erbrechen noch einmal Energie aufnehmen.

Prof. Dr. Stefan Evers, Neurologe am Uni-Klinikum Münster hält sogar den hohen Energiebedarf im Vorfeld einer Migräneattacke für den Auslöser des Süßigkeiten-Appetits: “Die plötzlich übermäßig aktivierten Hirnareale müssen mit Energie versorgt werden. Die holt sich das Gehirn in Form von Kohlehydraten, indem es starkes Verlangen nach Süßem suggeriert. Setzt danach irgendwann eine Migräneattacke ein, glauben Betroffene oft fälschlicherweise, die Schokolade, die sie kurz zuvor gegessen haben, hätte die Schmerzen ausgelöst.”

So werden Nahrungsmittel als direkte Auslöser für Migräne offensichtlich überschätzt. Genussmittel allerdings all zu oft unterschätzt oder ignoriert. Beispielsweise können alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein bei manchen Migränepatienten zuverlässig zu Attacken führen. Dabei ist es jedoch meist nicht der Alkohol, sondern bestimmte Inhaltsstoffe im alkoholischen Getränk, die die Attacke auslösen. Es ist daher für Migränepatienten in der Regel nicht notwendig Abstinenz zu üben. Sie sollten vielmehr wissen welche Getränke ihnen schaden – das erfährt man nur durch Ausprobieren.

Quellen:

Förderreuther, S. (2010): Süßigkeiten und Migräne – Was ist dran an den viel zitierten Auslösern für Migräne? Pressemitteilung veröffentlicht beim Informationsdienst Wissenschaft (idw) am 29.03.2010


Kropp, P. (2010): Dauerthema Migräne: Auslöser vermeiden ist falsch. Pressemitteilung veröffentlicht beim Informationsdienst Wissenschaft (idw) am 06.10.2010

Migräne: Gewitter im Kopf. Stern-Online, Gesundheitsinformation, Ratgeber Kopfschmerz.

Erstellt am 19. Januar 2012
Zuletzt aktualisiert am 19. Januar 2012

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