Das Wetterphänomen wirkt auch danach noch verheerend
Extremes El Niño Ereignis ebbt ab
Im Abstand von zwei bis sieben Jahren tritt zur Weihnachtszeit ein weltweit spürbares Wetterphänomen auf, es wird deshalb „Christkind“ (spanisch: El Niño) genannt. Dabei verändern sich zunächst die Strömungen in der Atmosphäre und im Pazifik östlich von Ecuador und Peru. Letztlich wird das Wetter rund um den Globus beeinflusst. Die Saison 2015 / 2016 prägte ein besonders intensives El-Niño-Ereignis.
Normalerweise beträgt die Wassertemperatur im Pazifik zur Wintersonnenwende vor Peru 24°C und westlich davon vor Indonesien 28°C. Ursache ist der kräftige Passatwind, der von den Anden herab auf den offenen Pazifik weht und das Oberflächenwasser westwärts treibt. So kann an der Küste Südamerikas kühles Wasser aus den Tiefen des Ozeans emporsteigen. Dieser Auftrieb ist Teil des Humboldtstroms, der kaltes Wasser von der Antarktis entlang der südamerikanischen Küste nach Norden führt. Das Wasser ist 7 bis 8°C kälter als die Temperatur im freien Ozean, auf der selben geographischen Breite rund hundert Seemeilen von der Küste entfernt.
Etwas südlich des Äquators, auf Höhe der Galapagos-Inseln wo auch das Tiefenwasser aufsteigt, knickt der Humboldtstrom nach Westen ab und geht in den wärmeren Südäquatorialstrom über. Es entsteht eine großräumige Zirkularströmung um den Pazifik: Als Humboldtstrom von der Antarktis nordwärts entlang der südamerikanischen Küste, als Südäquatorialstrom westwärts nach Indonesien und mit dem Ost-Australien-Strom über Australien und Neuseeland südostwärts, danach auf Höhe des 60. Breitengrads Südpazifikstrom (verstärkt durch antarktische Kreiselströmung) und wieder ostwärts Richtung Kap Hoorn.
Auf Höhe des Südäquatorialstroms etabliert sich eine stabile vertikale Luftzirkulation, die Walker-Zelle. Der Süd-Ost-Passat weht von den Anden über den Pazifik westwärts. Dabei nimmt die Luft über dem stetig wärmer werdenden Meer reichlich Wasserdampf auf. Über Indonesien steigt die Luft auf (Tiefdruckgebiete), die Feuchte fällt als Regen aus. In großer Höhe fließt die trockene und kalte Luft entlang des Äquators ostwärts und sinkt an den Anden wieder ab (Hochdruckgebiet). Dabei erwärmt sich die Luft adiabatisch um ca 1°C pro 100m. Damit sinkt auch ihre relative Luftfeuchte (wärmere Luft kann mehr Feuchte aufnehmen als kalte), weshalb der Westhang der Anden trockene Wüste ist.
Schwächt sich der pazifische Süd-Ost-Passat ab, verliert auch der kalte Humboldtstrom an Dynamik. Das Oberflächenwasser vor der Küste Perus erwärmt sich ungewöhnlich stark, der Temperaturunterschied zwischen Südamerika und Indonesien kehrt sich um. Nun ist der Pazifik im Osten wärmer als im Westen. Das Oberflächenwasser bewegt sich entgegen der üblichen Strömung nun entlang des Äquators ostwärts wodurch sich der El Niño Effekt noch verstärkt. Auch die Walker-Zirkulation kehrt sich um. Die bodennahen (eher: der Wasseroberfläche nahen) Luftmassen strömen nun in entgegengesetzte Richtung ostwärts. So wird feuchtwarme Luft gegen die Westhänge der Anden gedrückt und muss aufsteigen - es beginnt ausgiebig zu regnen.
Weht der pazifische Süd-Ost-Passat dagegen besonders stark, verstärkt sich auch der Humboldtstrom. Sowohl der Kaltwassertransport entlang der südamerikanischen Küste als auch das Aufquellen von kaltem Tiefenwasser provoziert einen sehr großen Gegensatz der Wassertemperatur zwischen kaltem Osten und warmen Westen. Klimatologen und Meteorologen sprechen dann von einem La Niña Ereignis (Mädchen, als Gegensatz zum Knaben = Christkind). El Niño und La Niña sind die Extrem-Phasen der „El Niño Southern Oscillation" (ENSO), zumeist befinden sich Ozean und Atmosphäre im „normalen“ Zustand. Zur Beschreibung der aktuellen ENSO-Phase haben sich zwei Indices bewährt:
- Southern Oscillation Index (SOI)
- Oceanic Niño Index (ONI)
SOI beschreibt den Druckunterschied zwischen dem Hochdruckgebiet über dem südöstlichen Pazifik und dem asiatisch-australischen Tiefdrucksystem. Während eines El-Niño-Ereignis ist der Wert negativ, während eines La-Niña-ereignis stark positiv und in einer Normalphase moderat positiv. ONI beschreibt die mittlere dreimonatige Abweichung der Wasseroberflächentemperatur vom vieljährigen Mittel an festgelegten Messpunkten (Niño 3.4 Region, mittlere Entfernung zwischen Ecuador und Indonesien auf dem Äquator).
Beide Indices zeigen für die Saison 2015 / 2016 ein starkes El-Niño-Ereignis: Schon seit Mai 2015 liegt der SOI im negativen Bereich, im Januar 2016 erreichte er mit -2,2 sein Extrem (SOI Rekord vom Februar 1983: -3,6). Der ONI stieg 2015 kontinuierlich und erreicht im Frühsommer (Mai/Juni/Juli) erstmals +1 °C. Bis zum Herbst (September/Oktober/November) wurde die +2°C-Grenze überschritten. Im Winter (Dezember/Januar/Februar) wurde mit +2,3°C das Maximum durchschritten. Aufgrund dieser Indexwerte ist das El-Niño-Ereignis 2015/16 von der Stärke her mit den Ereignissen von 1982/83 und 1997/98 vergleichbar.
Zu erwarten ist, dass auch die Auswirkungen auf das weltweite Klima und Wetter, infolgedessen auf Landwirtschaft und Fischerei vergleichbar sein werden. Unmittelbar wirksam wird der Einfluss auf die direkten Anrainer des Phänomens, die Gebiete am Ost- und Westrand des tropischen Pazifiks. Starkregen in Ecuador und Peru sowie in nördlichen Landschaften Chiles. Demgegenüber außergewöhnliche Trockenheit und Hitze in Indonesien und Ostaustralien. Als Folge kam es dort zu Dürre, Ernteverlusten und Buschfeuern. In Indonesien tobten Waldbrände, da die traditionelle Brandrodung nicht zuverlässig durch Nachmittagsregen gelöscht wurde. Australien registrierte den wärmsten Oktober seit Aufzeichnungsbeginn mit einer positiven Temperaturanomalie von +2,89 °C. Das war zugleich die höchste Abweichung zur Monatsmitteltemperatur, die je in einem Monat aufgetreten ist.
Aber auch auf abseits gelegenen Regionen wirkt das pazifische El-Niño-Ereignis. Im südlichen Afrika und in Indien wird die Witterung trocken-warm. In Äthiopien verursachte der Regenmangel die schlimmste Dürre seit 50 Jahren. Aber auch Somalia sowie die weiter südlich gelegenen Länder Südafrika und Simbabwe sind von der Fernwirkung des Wetterphänomens betroffen. Frühzeitig initiierte Hilfsprogramme sollen verhindern, dass trotz Ernteausfälle und Viehsterben eine Hungersnot, wie sie nach dem starken El-Niño-Ereignis von 1982/83 auftrat, nicht wiederholt. Nach Schätzung der Southern African Development Community (SADC) sind derzeit rund 30 Millionen Menschen akut hunger-gefährdet.
Im Süden der USA und im Südosten Südamerikas fällt derzeit mehr Regen als in gewöhnlichen Jahren. Besonders stark regnete es in der Atacama-Wüste und im Death Valley (vierfache Monatsmenge innerhalb von fünf Stunden). Dadurch schmückte die an sich kargen Landschaften im Frühjahr 2016 ein „Super-Bloom“ (exorbitantes Erblühen). Dieser attraktive Effekt konnte auch während der El-Niño-Jahren 1998 und 2005 beobachtet werden.
Auch nordpazifische Hurrikans wie „Patricia“, der im Oktober 2015 auf die Westküste Mexikos traf, gewinnen durch einen südpazifischen El-Niño-Effekt an Vehemenz. So wurde „Patricia“ (tiefster Luftdruck im Kern: 879 hPa) mit der Kategorie 5 in die höchste Hurrikanstärke der Saffir-Simpson-Skala eingestuft. Voraussetzungen für einen tropischen Wirbelsturms ist einen hinreichend hohe Meeresoberflächentemperaturen (mindestens 26°C bis in eine Tiefe von rund 50 m). Das aktuelle El-Niño-Ereignis unterstützte die Meeresoberflächentemperaturen von mehr als 30 °C vor der Küste Mexikos und verstärkte so den Hurrikan „Patricia“.
Für Europa sind die Folgen eines El-Niño-Ereignisses glücklicherweise gering. Das Wettersystem über Mitteleuropa wird vorrangig durch die Druckverhältnisse über dem Atlantik bestimmt: Durch das Azorenhoch und die nordatlantischen Tiefdruckgebiete auf ihrer Bahn von Neufundland (vor Kanada) über Südgrönland nach Island (im Sommer) oder Südengland (im Winter). Als Garnitur wirken Ostwetterlagen, wenn sich ein Hochdruckgebiet von Russland aus westwärts schiebt, oder lokale Tiefdruckgebiete im Mittelmeer oder auf dem Balkan, die beispielsweise Alpenföhn hervorrufen. Das Klima und Wetter im Ostpazifik hat darauf kaum Einfluss.
Mittelbar ist Mitteleuropa aber durchaus betroffen. Weltweite Ernteausfälle und unterdurchschnittliche Fangergebnisse der Fischerei vor der südamerikanischen Pazifikküste (Fischmehl ist Rohstoff für Viehfutter) machen Nahrungsmittel knapp und infolgedessen teuer. Mitteleuropäer werden den Preis weiterhin bequem bezahlen können. Weniger kommod wird es sein, so viele andere Menschen hungern zu sehen. Schon heute ist absehbar, dass daraus heuer (in diesem Jahr) eine große Herausforderung erwachsen wird.
Quellen: Stud.-Met. Julia Menken, B.Sc. Sascha Ferling, Dipl.-Met. Lars Kirchübel: El Niño 2015/16 - Daten und Fakten (Teil 1). Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 30.03.2016
Stud.-Met. Julia Menken, B.Sc. Sascha Ferling, Dipl.-Met. Lars Kirchübel: El Niño 2015/16 - Daten und Fakten (Teil 2). Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 31.03.2016
Erstellt am 31. März 2016
Zuletzt aktualisiert am 31. März 2016

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