Brustschmerz ist kein spezifisches Symptom

Angina pectoris Panik ist oft unnötig

von Holger Westermann

Akute Schmerzen in der Brust verursachen hierzulande ein Gutteil der Notfall-Einweisungen ins Krankenhaus. Rund 10% der Patienten klagen über dieses Symptom. Doch nur bei weniger als 2% bestätigt sich letztendlich der Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (acute coronary syndrome, ACS).

Die Spontandiagnose aufgrund der „typischen Brustschmerzen“ erweist sich demnach in 80 bis 85% der Fälle als Irrtum. In einer prospektiven monozentrischen Studie (für genau diese Fragestellung konzipierte Datenerhebung) an 912 Notfall-Patienten. Berücksichtigt wurden nur hinreichend schwerwiegende Fälle, bei denen auch das Kardiale Troponin (cT) bestimmt wurde. Bei einer cT-Blutuntersuchung wird nach Eiweißmolekülen gesucht, die bei einem Infarkt von den verletzten Herzmuskelzellen freigesetzt werden. Dabei korreliert der Troponinspiegel mit der Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Herzinfarkt; bei einem niedrigen Troponinwert sind die Überlebenschancen besser als bei einem hohen. Nur bei 114 der Patienten (12,5%) rechtfertigte der cT-Tests  Befund eine ACS-Diagnose.

Auch andere Untersuchungsverfahren zeigten Lücken. So wurden bei 157 Patienten die Blutgefäße des Herzens geröntgt oder mit Magnetresonanztomografie untersucht (Koronarangiographie). Bei knapp der Hälfte davon (43,7%) war gar kein erhöhter Troponin-Wert festgestellt worden. Dennoch zeigte sich auch in dieser Toropnin negativen Gruppe bei 46,2% ein deutlicher Hinweis auf koronare Herzkrankheit (KHK).

Dabei zeigte sich, dass die Erfahrung der Ärzte ein wichtiges Qualitätskriterium für die korrekte ACS-Diagnose ist. Jungärzte lagen mit ihrer Entscheidung in 55,4% der Fälle richtig, erfahrene Kollegen diagnostizierten dagegen fast Zweidrittel der Notfall-Patienten richtig (65,8%).

Sicherlich ist es nach wie vor unbedingt notwendig, dass Menschen mit Brustschmerzen als Notfall ins Krankenhaus gebracht werden. Doch eine womöglich symptomverstärkende Angina pectoris Panik ist weder hilfreich noch angemessen.

Quellen:

Carlton, E.W. et al (2015): Chest pain typicality in suspected acute coronary syndromes and the impact of clinical experience. American Journal of Medicine 128 (10): 1109 - 1116. doi: 10.1016/j.amjmed.2015.04.012.

Erstellt am 29. Oktober 2015
Zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2015

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