Wetter

Antizyklonale Nordlage

von Holger Westermann

Regenwetter

Das Wetter ist auch nicht mehr das, was es vor gut einer Woche noch war. Vielerorts liegt die Tageshöchsttemperatur um mehr als 15°C, mancherorts auch über 20°C tiefer. Vor kurzen klagen die Menschen noch über Kreislaufbelastungen und Atemprobleme bei mehr als 35°C, derzeit beklagt niemand mehr die „unerträgliche Hitze“. Die Großwetterlage hat sich gründlich verändert - nun bestimmt eine Antizyklonale Nordlage das Wetter hierzulande.

Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den Großwetterlagen. Diese ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und der sich daraus entwickelnden Luftströmung sowie der jahreszeitenabhängigen Sonneneinstrahlung. Je nachdem, welche Luftmassen in diese Strömungen hineingezogen werden, und wie sehr der durch Sonnenschein erwärmte Untergrund die bodennahe Luft erwärmt, gestaltet sich das Wetter.

So kann es kann während einer stabilen Großwetterlage durchaus zu Wetterveränderungen kommen, doch der allgemeine Witterungscharakter bleibt erhalten. Die Schwankungen entfernen sich nicht allzu weit von den zentralen Charakteristik der aktuellen Großwetterlage.

Schon seit Tagen befindet sich Mitteleuropa an der Ostseite des Hochdruckgebietes „Lajana“, das sich derweil nur langsam vom Nordatlantik zu den Britischen Inseln verlagerte. In Hochdruckgebieten sinkt Luft aus großen Höhen der Atmosphäre ab und erwärmt sich dabei (adiabatische Erwärmung). Durch Reibungskräfte bedingt, fließt die Luft in den unteren Schichten der Atmosphäre vom hohen zum tiefen Druck und wird dabei von der Coriolis-Kraft nach rechts abgelenkt (auf der Nordhalbkugel, südlich des Äquators nach links). Folglich entsteht um den Kern des Hochdruckgebietes ein im Uhrzeigersinn rotierender Luftwirbel. So lenkt derzeit „Lajana“ mit einer nördlichen Strömung sehr kalte und feuchte Luft nach Mitteleuropa.

Im Zusammenspiel mit tiefem Luftdruck über Osteuropa (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn) wird, gleich einer riesigen Umwälzpumpe, polare Meeresluft heran geführt. In die Strömung eingelagerte Tiefausläufer lassen Wolken- und Niederschlagsfeldern entstehen, wechselhaftes Schauerwetter zieht von Nordwesten über Mitteleuropa hinweg.

Nun steigt jedoch der Luftdruck über Mitteleuropa an, der Einfluss von „Lajana“ wird unmittelbar spürbar. Der Charakter der Großwetterlage wird „antizyklonal“ (zyklonal = Tiefdruckgebiet; antizyklonal = Hoch); in Verbindung mit der nördlichen Luftströmung kann die aktuell Situation als "Antizyklonale Nordlage" klassifizieren werden (wissenschaftliche Abkürzung Na).

Nordlagen sind Großwetterlagen der meridionalen Zirkulationsform. Das bedeutet, dass die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Strömungskomponente weitaus wirksamer ist als die West-Ost-Komponente. Sie treten im Mai und Juni am häufigsten auf und bringen stets eine für die Jahreszeit zu kalte Witterung. Tatsächlich fiel in den vergangenen Tagen in den Hochlagen der Alpen bereits Schnee (Schneefallgrenze bei 1.500m) und bei klarem Himmel blieb es auf dem Feldberg im Schwarzwald (Baden-Württemberg) bei +1°C gerade noch frostfrei, auf der Schwäbischen Alb wurde aber vielerorts schon leichter Bodenfrost bis etwa -3 °C registriert.

Mit einer Rückkehr des Spätsommerwetters ist vorerst nicht zu rechnen; Großwetterlagen sind zumeist über einen längeren Zeitraum stabil. Erst wenn Mitteleuropa an der Westflanke von „Lajana“liegt, wird wieder warme Mittelmeerluft herangeführt. Doch dazu müsste sich das Hoch noch einen weiten Weg über den Kontinent verschieben. Die dazu notwendige Dynamik ist derzeit nicht zu erkennen.

Quellen:

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: "Antizyklonale Nordlage“. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 07.09.2015

Erstellt am 7. September 2015
Zuletzt aktualisiert am 8. September 2015

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