Wetter
Westwetterlage und das Berliner Phänomen
Nördlich der Alpen ist das Wetter nur kurzzeitig winterlich. Rieseln Schneeflocken vom Himmel tauen sie zumeist zügig, sobald sie zu Boden fallen. Nur selten hielt sich die Schneedecke mehrere Tage, eine stabile Winterwitterung ist das nicht. Wer hierzulande weiße Landschaften bewundern will, muss hoch hinaus. Erst oberhalb von 1.000m ist nennenswert Schnee zu finden. Nur am Südhang der Alpen schneit es ausgiebig und der Schnee bleibt auch liegen. Damit sich auch im nördlichen Mitteleuropa Winterwetter ausbreitet, bedarf es einer grundlegenden Umstellung der Atmosphäre, die sich durch das „Berliner Phänomen“ ankündigen würde – bisher blieb es aus.
Ganz unwinterlich gebärdet sich derzeit das Wetter nördlich der Alpen: Nasskalt und regnerisch, nur selten unterbrochen von frostigen und schneereichen Episoden. Nur die gefühlte Temperatur fällt zuverlässig auf winterliche Werte, wenn bei grauem Himmel Wind und Schneeregen das Wetter dominieren. Derzeit herrscht eine stabile Westwetterlage, die den unablässigen Nachschub atlantischer Tiefdruckgebiete garantiert. Die Tiefdruckgebiete drängen das mit Kaltluft angefüllte Festlandshoch ostwärts ab und verhindern so zuverlässig, dass sich in Mitteleuropa typisches Winterwetter etabliert.
Die Tiefdruckgebiete entstehen beim Zusammentreffen der Luft aus dem polaren Kältereservoir über dem Osten Nordamerikas und dem Atlantikwasser zwischen Neufundland (Kanada) und Grönland. Mit dem Jetstream, einem kräftiger eiskalten Westwind (-70°C) in der Stratosphäre (15 km Höhe), werden diese Tiefs nach Europa geführt. Dabei verhindert der Jetstream und die stabile Zugrichtung der Tiefdruckgebiete gen Westen den Zustrom milder Luftmassen nach Norden.
Doch dieses selbststabilisierende System der Westwetterlage kann innerhalb weniger Tage zusammenbrechen. Wenn über warmem Meerwasser erwärmte Luftmassen bis in die Stratosphäre aufsteigen, können sie dort einen Temperatursprung provozieren. Dabei streckt sich die Luftsäule (warme Luft ist weniger dicht als kalte, die selbe Luftmenge benötigt mehr Raum), überschüssige Warmluft fließt äquatorwärts ab. Durch die Corioliskraft (Trägheitseffekt der Luft infolge der Erddrehung) wird die abfließende Luft auf der Nordhalbkugel der Erde nach rechts abgelenkt, es entstehen von Ost nach West wehende Winde. Auch die Druckunterschiede zwischen den Hochdruckgebieten im Süden (Azorenhoch) und den Tiefdruckgebieten im Norden schwinden, damit schläft die westliche Strömung über Europa ein. Nun kann Kaltluft aus Nord- und Nordosteuropa bis nach Mitteleuropa vordringen.
Dieser Effekt des abrupten Kenterns der Wetterlage von West- auf Nordostströmung kündigt sich durch das „Berliner Phänomen“ an. Entdeckt hat diesen Effekt der Leiter des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin Prof. Dr. Richard Scherhag. Zunächst hielt er die am 23. Februar 1952 von den Radiosonden eines Wetterballons übermittelten Hinweise auf eine exorbitante Erwärmung der Stratosphäre für einen Messfehler. Der rasante Temperaturanstieg von -50°C (am 21.02.) auf -12,4°C (am 23.02) war auch sehr ungewöhnlich, zumal die Temperatur damit den durchschnittlichen Sommerwert von rund -35°C deutlich übertraf. Doch die Messungen waren korrekt, der Temperatursprung in der Stratosphäre kündigte einen grundlegenden Wechsel der Wetterlage an.
So gilt das „Berliner Phänomen“ heute als zuverlässiger Indikator für eine unmittelbar bevorstehende Wetteränderung im mitteleuropäischen Winter. Mit dem Ostwind fließt kontinentale und polare Kaltluft heran. Dann wird es empfindlich kalt, Dauerfrost ist möglich.
Doch derzeit ist kein Anzeichen dafür zu erkennen. Es wird wohl weiterhin windig und nasskalt bleiben, das Thermometer sinkt im Tiefland nur am frühen Morgen unter 0°C. In ungünstigen Lagen kann die Temperatur auch tagsüber bis -5°C sinken, dann droht Glätte. Bei Wind und Regen oder Schneeregen liegt die gefühlte Temperatur auch dann unter dem Gefrierpunkt, wenn das Thermometer noch positive Werte anzeigt – deshalb frösteln derzeit nicht nur wetterempfindliche Menschen.
Quellen: Dipl.-Met. Adrian Leyser: Das "Berliner Phänomen". Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 17.01.2015
Dipl.-Met. Johanna Anger: Viel Regen am Mittelmeer. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 21.01.2015
Erstellt am 28. Januar 2015
Zuletzt aktualisiert am 28. Januar 2015

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