Komplexe Symptomkombination kompliziert die Diagnose

ACOS Asthma-COPD-Overlap-Syndrom

von Holger Westermann

Wenn der Kopf juckt, kann die Frisur gleichzeitig von Läusen und Flöhen besiedelt sein. Ein erfahrener Entomologe (Insektenkundler) oder Arzt wird das schnell erkennen. Ob jedoch eine Atemwegsobstruktion auf Asthma, COPD oder beide Erkankungen gleichermaßen zurück geht ist sehr viel schwieriger zu diagnostizieren.

Atemwegserkrankungen sind weit verbreitet; ungefähr 10% der Mitteleuropäer leiden unter einer COPD oder einem Asthma; bei rund 10 bis 15 % der Patienten mit ständig oder vorübergehend verengten Bronchien treten beide Erkrankungen gemeinsam auf. Lungenärzte sprechen dann von einem Asthma-COPD-Overlap-Syndrom, ACOS (im deutschsprachigen Raum auch als chronisch-asthmoide Emphysembronchitis bekannt). Die Therapie solcher Patienten ist kompliziert, da sie auf inhalative und orale Kortikosteroide (Asthmaspray) nur unzureichend ansprechen und beschleunigt an Lungenfunktion verlieren; die COPD-Symptome verstärken sich.

Eine typische ACOS-Karriere beginnt mit juvenilem Asthma und Zigaretten. Entwickelt sich nach langen Raucherjahren Atemnot und chronischer Husten, fällt es dem Arzt schwer, zwischen der reversiblen (Asthma) und irreversiblen (COPD) Atemwegsobstruktion zu unterscheiden.

Die Global Initiative on Asthma (GINA) und die Global Initiative on Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) haben sich auf eine praxisgerechte Diagnose des ACOS verständigt:

  • Alter > 40 Jahre, jedoch bereits seit der Kindheit oder dem frühen Erwachsenenalter häufig oder ständig an den Atemwegen erkrankt
  • Symptome in schwankender Stärke
    • bei körperlicher Anstrengnung oftmals Atemnot (Dyspnoe)
    • Atembeschwerden verschwinden auch in Ruhe nicht vollständig
  • Asthma und Allergien zumeist bekannte Grunderkrankung oder bekannte Risiken in der Familie; individuelle Zusatzbelastung durch Rauchen oder andere Belastungen des Atemwege (Staublunge)
  • kurzfristige Symptombesserung durch Asthma-Therapie, dabei jedoch hoher Medikamentenbedarf und dennoch langfristig fortschreitende Symptomverschlechterung
  • Erkrankungskisen (Exazerbationen) häufen sich
  • Histologische Hinweise auf entzündliche Prozesse: eosinophile und/oder neutrophilen Granulozyten (weiße Blutkörperchen, Leukozyten) im abgehusteten Auswurf


Eine Arbeitsgruppe der Universitätsmedizin Mainz (Rheinland-Pfalz, Deutschland) unter Leitung von Prof. Dr. med. Roland Buhl untersuchte 101 Raucher (45% Frauen; Gesamtdurchschnittsalter 65,9 Jahre) mit diagnostizierter COPD auf eine paralel dazu vorliegende Asthmaerkrankung. Knapp ein Viertel der Patienten (24,8%) litten unter einem ACOS.

Die Forscher folgern daraus, dass ACOS unter COPD-Patienten weitaus häufiger vorkommt als bislang vermutet. In ihrem Fazit machen sie dafür vorrangig die dürftige Asthma-Diagnose verantwortlich. Eine einzelne Untersuchung reiche nicht aus. Sie verweisen auf das in der Studie vorgestellt 11-Punkte-System, das eine erheblich größere Diagnosesicherheit biete.

Quellen:

Schiffer, T. et al. (2014): Asthma-COPD-Overlap-Syndrom: Asthma-Diagnostik bei COPD. Pneumologie 2014; 68 - P400. DOI: 10.1055/s-0034-1367830

Global Initiative für Asthma & Global Initative für Chronic Obstructive Lung Disease (2014): Diagnosis of Diseases of Chronic Airflow Limitation: Asthma, COPD and Asthma - COPD Overlap Syndrome (ACOS). pdf-Datei

Erstellt am 26. September 2014
Zuletzt aktualisiert am 26. September 2014

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