Wetterempfindliche Menschen sollten ihr Wissen nicht vollständig einbringen

Warum wir so gerne über das Wetter reden

von Holger Westermann

Glaubt man Small-Talk-Trainern (ja, so etwas gibt es), dann ist das Thema „Wetter“ ein klassischer Icebreaker für eine gelungene Konversation vor oder nach ernsthaften Gesprächen. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, sind doch nur sehr wenige Menschen mit den Grundlagen der Meteorologie vertraut – und es ist sehr unwahrscheinlich, zufällig auf einen adäquaten Gesprächspartner zu treffen. Um das eisige Schweigen zu brechen bedarf es keiner Expertise. Bei glaubhafter Betroffenheit genügt eine übereinstimmende Beurteilung, um ein entspanntes Gespräch zu beginnen.

So sind sich die meisten Menschen einig, ob das aktuelle Wetter eher „gut“ oder eher „schlecht“ ist. Nur Gärtner und Landwirte klagen über zu wenig Regen, beispielsweise von Januar bis April in diesem Jahr (2014). Die überwiegende Mehrheit freut sich über Wärme und Sonnenschein, um jedoch spätestens ab dem dritten Sommertag (über 25°C) über Hitze und Schwüle zu klagen.

Aufgrund der Wetterfühligkeit ist jeder Mensch Experte aus Betroffenheit: Bei Sonnenschein verbessert sich die allgemeine Stimmung, bei Hitze und Schwüle sinken Arbeitsmotivation und Konzentrationsfähigkeit, Muskelverspannungen häufen sich bei nasskaltem Wetter. Eine Umfrage der Apotheken-Umschau (2013), an der sich 405 Leser beteiligten, illustriert die Bedeutung des Themas „Wetter“:

Reden Sie über das Wetter?

  • 53,58%    Ab und zu. Im Smalltalk eben.
  • 35,31%    Ja, gerne. Ich bin absolut wetterabhängig.
  • 11,11%    Nein, langweilig. Ich kann's ja doch nicht ändern.

In früheren Zeiten hatte das Allerweltsthema Wetter unmittelbar wirtschaftliche Bedeutung. Der Ernteerfolg beim Gartenbau und in der Landwirtschaft wurde maßgeblich vom Wetter bestimmt. Anhaltender Regen erschwerte den Transport von Menschen und Gütern auf nur unzureichend befestigten Wegen. Heutzutage ist das Wetter ein wesentlicher Modulator des Kundenverhaltens. Bei Hitze kaufen die Menschen Grillwürste und Salat, an Regentagen eher Kohl und Braten. Der Einzelhandel kennt diese wetterabhängigen Schwankungen der Kundenwünsche und stellt sich durch kurzfristige Sortimentkomposition darauf ein. Auch das Freizeitverhalten hängt vom Wetter ab. Auch Biergärten und Straßencafés freuen sich bei locker bewölkten Himmel und moderater Wärme über regen Besuch. Brütende Hitze oder Regen sind Umsatzkiller; auch bei Freizeitathleten sind extreme Wärme- und Kältereize wenig beliebt. Sie bevorzugen eher kühle Witterung, fürchten jedoch bei Regen rasche Auskühlung, die zu Muskelproblemen führen kann.

Bei älteren Menschen, sowie bei Menschen, die unter chronischen Erkrankungen leiden, kann das Wetter auch wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden ausüben. Medizinmeteorologen sprechen dann nicht mehr von Wetterfühligkeit, sondern von Wetterempfindlichkeit. Betroffene sollten jedoch abwägen, ob sie diesen sehr persönlichen Aspekt, der auch intim Auskunft über ihre Gesundheit gibt, beim Small-Talk ansprechen wollen.

Besser ist es, mit eigenem Expertenwissen über das Wetter an sich zu glänzen:

  • Wie heißt das aktuelle Tiefdruckgebiet, das derzeit Regenschauer und Windböen heran führt?
  • Welche Namen trägt das Hoch, das den wolkenlosen Himmel beschert?
  • Wird es zum Wochenende/ab Montag endlich wieder sonnig/ wärmer/ regnen/ Frühling?
  • Ermutigt die Wetterprognose eine Grillparty/ Fahrradtour/ einen Einkaufsbummel/ Museumsbesuch zu planen?


Rund ums Wetter lassen sich viele Gespräche entwickeln, ohne heikle Themen wie Politik, Geld (sozialer Status) oder eben die Gesundheit anzusprechen. Es fällt leicht die angemessene Distanz zum Gesprächspartner (Proxemik) zu wahren. Wobei diese im Rheinland traditionell kürzer bemessen ist als unter Hanseaten. Um so wichtiger ist es, bei einem „neutralen Thema“ Emotionen zeigen zu können, die erwidert werden und so soziale Nähe schaffen: Prima Wetter heute!

Quellen:

Artikel der Menschenswetter Redaktion

Schöninger, S. (2013): Warum wir so gerne über das Wetter reden. Apotheken Umschau, online veröffentlicht am 04.04. 2013.

Erstellt am 23. Mai 2014
Zuletzt aktualisiert am 23. Mai 2014

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Zwischenfrühling

Sonnenschein, Wärme an langen lichten Tage dieser Frühlingsdreiklang lockt hierzulande in den kommenden Tagen ins Freie. Das nasskalte Wetter weicht angenehmer Witterung. Für die Mehrzahl wetterempfindlicher Menschen eine Wohltat - leider wird auch der Pollenflug stimuliert. weiterlesen...


Beschleunigte Alterung der Gehirne erwachsener Frauen nach traumatiesierender Erfahrung in der Kindheit

Erleiden Mädchen emotionale, sexuelle oder physische Gewalt, müssen sie als Frauen mit einem höheren Risiko für Depressionen, Angststörungen, Fibromyalgie, Herzkreislauf - und Stoffwechselerkrankungen leben. Forscher der Charité Berlin haben nun einen weiteren neurologischen Effekt erkannt. weiterlesen...


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...