Wachsen Babys keimfrei auf, droht ein Leben mit Allergien
Bakterien bewahren die Lunge vor Asthma
Nicht nur der Darm, auch die Lunge ist ein Tummelplatz für Bakterien. Mikroorganismen besiedeln alle Oberflächen des Körpers, auch die nach innen eingestülpten – offensichtlich ist das für die Gesundheit hilfreich. So sind Neugeborene, die frühzeitig Kontakt zu Lungenbakterien ausgesetzt waren, besser vor allergischem Asthma geschützt, als in den ersten Tagen keimfrei aufgewachsene.
Die Experimente wurde selbstverständlich nicht an Kindern, sondern an jungen Mäusen durchgeführt. Es zeigte sich, dass frisch geborene Mäuse, deren Lunge noch nicht mit Bakterien besiedelt war, auf eine Stimulation mit Hausstaubmilben stark allergisch reagierten, ältere Tiere mit einem durch Bakterienkontakt trainierten Immunsystem dagegen kaum allergische Reaktionen zeigten.
Infolge der bakteriellen Besiedlung stieg die Toleranz gegenüber potentiellen Allergenen, indem regulatorische T-Zellen (TReg) die überschießende Antwort des Immunsystems unterdrücken und dadurch dessen Selbsttoleranz regulieren. Dabei spielt der Botenstoff „Programmed cell death protein 1“ (PD-L1) eine wichtige Rolle. Wird die Funktion von PD-L1 blockiert, können die Tiere keine Toleranz gegenüber den Hausstaubmilben-Stimulanzien ausbilden. Werden stimulierte TReg-Zellen auf steril aufgewachsene Mäuse übertragen, steigt deren Allergen-Toleranz.
In den ersten Lebenswochen keimfrei aufgewachsene Tiere entwickelten recht zuverlässig Allergien – auch wenn die Tiere später mit normalem Bakterienkontakt lebten. Die Forscher vermuten, dass für die optimal gesundheitsförderliche Besiedlung der Lunge mit Bakterien nur ein schmales Zeitfenster nach der Geburt existiert. Offensichtlich gilt das nicht nur für Mäuse, sondern für alle Säugetiere und somit auch für Menschen. Dazu verweisen die Forscher auf erste Ergebnisse einer Untersuchung an Babys in der Schweiz und in Neuseeland, bei der eine sensible Phase für die schützende Besiedlung mit Lungenbakterien festgestellt wurde.
So kann auch eine Antibiotikabehandlung der Mutter während der letzten drei Schwangerschaftsmonate das Asthmarisiko ihrer Kinder erhöhen; das Risiko für Ekzeme, eine nicht-infektiöse Entzündungsreaktion der Haut, stieg dagegen nicht. Offensichtlich wird die Empfänglichkeit von Infektionen – auch von positiven – durch den mittelbaren Kontakt mit Antibiotika nachhaltig beeinflusst. Doch möglicherweise kann zukünftig eine gezielte Konfrontation mit geeigneten Lungenbakterien die Besiedlung der Atemorgane sicher stellen und so das Asthmarisiko senken.
"In der frühen Entwicklung scheint es ein Zeitfenster zu geben, in dem sich entscheidet, ob ein Individuum später im Leben an Asthma erkrankt oder nicht", fassen die Forscher ihre Ergebnisse zusammen. Nun müsse der sensible Zeitraum identifiziert werden, wann er beginnt und wie lange er wirksam bleibt. Relevant und somit wissenschaftlich interessant bleibt auch, wie genau die Einnahme von Antibiotika während der Schwangerschaft die effektive Besiedlung mit Lungenbakterien beeinträchtigt. Denn oftmals sind die Mütter auf solche Medikamente angewiesen, damit sie ihr Baby nicht gefährden.
Quellen: Gollwitzer, E.S. et al. (2014): Lung microbiota promotes tolerance to allergens in neonates via PD-L1. Nature Medicine, online veröffentlicht am 11.05. 2014. doi:10.1038/nm.3568 Stensballe, L.G. et al. (2013): Use of Antibiotics During Pregnancy Increases the Risk of Asthma in Early Childhood. Pediatrics 162(4): 832–838, e3. doi: 10.1542/peds.2013-2294F
Erstellt am 17. Mai 2014
Zuletzt aktualisiert am 17. Mai 2014

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