Viele Menschen vertrauen der Online-Information - oftmals werden sie getäuscht

Gesundheitsrisiko Internet

von Holger Westermann

In Deutschland und Österreich informieren sich inzwischen rund Zweidrittel der Jugendlichen und Erwachsenen auf Webseiten und Apps über Gesundheitsthemen. Doch mit Blick auf medizinisch-wissenschaftliche Qualität sowie Nützlichkeit der Gesundheits-Information warnt die Central Krankenversicherung vor „Risiken und Nebenwirkungen“.

Erwachsene und Jugendliche (über 10 Jahre alt) mit Zugang zum Internet nutzen die zielgerichtete Informationsbeschaffung über Suchmaschinen, wenn sie Interessantes und Relevantes zum Thema Gesundheit lesen wollen. Deutschlandweit sind es laut aktuellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt 67% (Frauen 76%; Männer 59%), in Österreich nennt Statistik Austria eine etwas geringere Quote (64%). Damit wächst die Bedeutung des Internets als Informationsquelle für Gesundheitsthemen. Zumeist gibt es für dieses Interesse einen konkreten Anlass, denn Gesundheit drängt sich besonders vehement ins Bewusstsein, wenn sie abhanden gekommen ist.

Es sind nicht immer die von Gesundheitsbeeinträchtigungen Betroffenen, die im Internet nach Information suchen; oft motiviert auch die Sorge um Freunde oder Familienangehörige. Erhofft wird in jedem Fall Nützliches, wodurch die Erkrankung besser verstanden wird und Wege zur Heilung, zumindest aber zur Linderung der Leiden erkennbar werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen sind eindeutige (frei von abwägendem Zweifel) und einfache (für jedermann auch ohne medizinische Fachkenntnis verständlich) Antworten jedoch nicht möglich.

Genau das suggerieren aber viele Online-Angebote. Die Central Krankenversicherung hat in 12 Monaten (November 2013 bis Oktober 2014) 41,2 Millionen gesundheitsbezogene Google-Suchanfragen aus Deutschland analysiert. Ziel der Studie war es zu erfahren, nach welchen Themen gesucht wird und wie hoch der Qualität der so gefundenen Information ist. Obwohl die Mehrzahl der Gesundheitsinteressierten Google-Nutzer zwischen 44 und 74 Jahre alt ist, wurde die Altersgruppe 14 bis 75 gewählt, damit die Ergebnisse mit anderen Studien vergleichbar sind.

Da bei Google für ein Suchthema unterschiedliche Suchbegriffe eingegeben werden, wurden für die Auswertung Krankheitscluster gebildet, die den Krankheitsbegriff, Synonyme dafür sowie Begriffskombinationen von Zusatzwörtern mit dem Krankheitsbegriff und den Synonymen umfassten. Über alle Krankheitscluster hinweg wurden in summa über 9.000 Begriffe und Begriffskombinationen analysiert. Die im Jahresverlauf meistgesuchten Krankheiten waren: Schilddrüsenvergrößerung, Diabetes und Hämorrhoiden. Erkrankungen, für die Menschenswetter eine Vorhersage anbietet folgten auf Platz 7 und 8 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) und Depression; auf Platz 10 Bluthochdruck, Platz 11 Kopfschmerz, Platz 12 Rheuma und Platz 13 Schlafstörungen.

Zur Bewertung der Informationsqualität wurden die ersten zehn Treffer der Google-Ergebnisliste zu diesen Krankheitsclustern (eingegeben als Suchbegriffe) analysiert. Unter den mehr als 100 Suchergebnis-Webseiten fanden sich sehr unterschiedliche Informationsangebote: Gesundheitsportale, Websites von Unternehmen, Websites von Institutionen und Websites von Verbänden sowie Online-Lexika.

Auf der Basis der meistgesuchten Krankheiten untersuchte die Studie zusätzlich die Qualität der im Internet veröffentlichten Gesundheitsinformationen. Dazu wurden je Krankheit die ersten zehn Ratgeberseiten der Google-Trefferliste ausgewählt und von dem Ärzteteam der Krankenversicherung anhand eines speziellen Kriterienkatalogs bewertet. Unter den insgesamt 100 Ratgeber-Webseiten befanden sich nach Angaben von Central Gesundheitsportale, Websites von Unternehmen, Institutionen und Verbänden sowie Online-Lexika. Zur Bewertung wurden sechs Kriterien heran gezogen (und mit unterschiedlichem Faktor gewertet):

  • Vollständigkeit der Information (27%)
  • Belegbarkeit, Quellenangaben (20%)
  • Ausgewogenheit, neutrale Darstellung von Therapieoptionen (13%)
  • Verständlichkeit (25%)
  • Transparenz, klare Trennung von Werbung und Redaktion (8%)
  • Zuordnung, Autoren eindeutig genannt (7%)

Das Ergebnis der Analyse schockiert: Mehr als 30 Prozent der Webseiten wurden als „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bewertet. Der Durchschnitt über alle 100 Webseiten ergab ein „ausreichend“ nur selten wurde ein „befriedigend“ erreicht. Die Hälfte der Informationsangebote verschwieg, auf welche wissenschaftlichen Quellen sich die Aussagen stützen. Vollständige Angaben waren nur bei knapp einem Viertel der Texte zu finden. Auch auf die Therapieempfehlungen durch Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften wurde nur selten hingewiesen. Ob auch der Evidenzgrad einzelner Therapieoptionen (wie gut sie sich bereits bei einer Vielzahl und Vielfalt von Patienten bewährt haben) auf einer Patienten-Webseite genannt werden muss - darüber kann man sicherlich streiten. Die Autoren der Central-Studie kritisierten das und bewerteten es negativ.

In ihrem Fazit beklagen die Autoren der Studie: „Angesichts der Tatsache, dass etwa 80 Prozent der Internetsurfer Gesundheitsin­formationen im Netz suchen, ist dieses Ergebnis mehr als bedenklich“ und mahnen „Bei Gesundheitsinformationen im Internet muss man im Sinne der Patientensicherheit akribisch und streng sein. Die meisten Angebote dagegen sind unvollständig, fehlerhaft und lassen den Suchenden oft ohne jegliche Einordnung zurück.“ Sie fordern deshalb verbindliche Standards für Gesundheitsinformationen im Netz - damit die Gesundheit der Ratsuchenden Patienten nicht unter den „Risiken und Nebenwirkungen“ leidet.

Menschenswetter-Leser können sich darauf verlassen, dass jeder Artikel der Redaktion, ganz gleich ob Medizin, Wetter oder Panorama, die wissenschaftliche Quelle(n) nennt, auf die er sich stützt. Zumeist wird direkt auf das Abstrakt verlinkt. Die doi (Digital Object Identifier) kann über copy-paste in eine Suchmaschine übertragen werden (Einrahmung durch Anführungszeichen nicht vergessen), um andere Artikel zu dieser Veröffentlichung zu finden.

Quellen:

Central Krankenversicherung (2016): Praxis Dr. Internet - Studie zum Krankheitssuchverhalten in Deutschland sowie zur Qualität von Gesundheitsinformationen im Internet. Online veröffentlicht im April 2016.

Im Studienbericht (pdf) nennt die Central Krankenversicherung selbst auch keinen Autor, der die wissenschaftliche Qualität garantiert und auf eine doi-Anmeldung (wie sie für wissenschaftliche Veröffentlichungen üblich ist, im Gegensatz zu redationellen Texten) wurd offensichtlich verzichtet. Glashaus - Steine - da war doch was ?!

Statistik Austria (2016): Personen mit Internetnutzung für folgende private Zwecke 2015. Online veröffentlicht am 31. 03. 2016.
pdf der relevanten Tabelle

DESTATIS, Statistisches Bundesamt (2016): 40 Millionen Menschen in Deutschland informieren sich im Internet über Gesundheitsthemen. Pressemitteilung vom 05. 04. 2016.

Erstellt am 14. April 2016
Zuletzt aktualisiert am 14. April 2016

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Gesundheitsrisiko Temperatursturz im April

Nach einer rekordverdächtigen Warmwetterphase von Februar bis Mitte April, ist jetzt das kühle wechselhafte April-Wetter mit Wind, Regen und vereinzelt auch Schneefall zurück. Der Temperatursturz um 15 bis 20°C ist an sich schon ein Gesundheitsrisiko, doch die physiologische und psychologischen Herausforderungen sind diesmal besonders drastisch. weiterlesen...


Admarker

Der digital Asthma-Helfer für die Tasche

Breazy Health


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...