Unnötige Nebenwirkungen belasten die Gesundheit

Paracetamol lindert Arthroseschmerzen nicht zuverlässig

von Holger Westermann

Der langsam aber stetig voranschreitende Verschleiß des Knorpels an den Gelenken provoziert bei Belastung und Bewegung starke Schmerzen. Betroffene können den Alltag nicht ohne Analgetika ertragen. Ein häufig verwendetes Medikament erwies sich nun als wenig wirksam.

Arthrose gilt als Alterserscheinung. Menschen mit fortgeschrittener Biographie klagen deutlich häufiger über Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in den Gelenken, die auf eine Erosion des Knorpels zurückzuführen sind. Fehlstellung der Gelenke, übermäßige Belastung durch Übergewicht und genetische Veranlagung sind neben einem hohen Lebensalter die wichtigsten Risikofaktoren für Schäden an den Gleitflächen der Gelenke.

Betroffen sind vorrangig die vielgenutzten und intensiv belasteten großen Gelenke des Bewegungsapparats, Knie und Hüfte, aber auch die kleinen Fingergelenke. Alltagsbewegungen schmerzen; morgens mehr als im Verlauf des Tages, bei nasskaltem Wetter mehr als bei Sonnenschein. Patienten neigen zu Schonhaltungen und Regungslosigkeit - um Schmerzen zu vermeiden. Zur Schmerzlinderung greifen sie regelmäßig zu bewährten rezeptfreien Medikamenten, beispielsweise Paracetamol.

Forscher der Universität Bern (Schweiz) analysierten 74 wissenschaftliche Studien, die zwischen dem 1. Januar 1980 und dem 24. Februar 2015 veröffentlicht wurden. Jede dieser Studien berücksichtigte zumindest 100 Arthrose-Patienten; insgesamt analysierte die Metastudie Daten von mehr als 58.000 Patienten. Das Ergebnis frustriert Patienten, die bislang auf Paracetamol vertrauen: Zumindest bei Knie- und Hüftarthrose wirkt das Medikament nicht spürbar besser ein wirkstofffreies Placebo.

Einen marginalen Effekt konnten die Forscher aus den Daten herauslesen, Schmerzen schwanden minimal und die Bewegungsfähigkeit wurde ein wenig besser. Klinisch relevant war die Wirkung aber selbst bei hoher Dosierung nicht. Mit Blick auf die möglichen Nebenwirkungen einer Daueranwendung, raten die Forscher daher Arthrose-Patienten von Paracetamol zur Schmerzbekämpfung ab.

Auch verschreibungspflichtige Schmerzmittel, insbesondere nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, auch bekannt als non-steroidal anti-inflammatory drugs, NSAID), wurden in der Studie untersucht. Dabei erwiesen sich bei Arthrose der großen Gelenke (Knie und Hüfte) hohe Dosen Diclofenac und Etoricoxib als besonders wirksam und gegenüber Ibuprofen, Naproxen und Celecoxib überlegen.

In ihrem Fazit weisen die Forscher jedoch darauf hin, dass NSAIDs aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen (Magen-Darm- und Herz-Kreislaufprobleme) nicht als Dauertherapie eingesetzt werden sollten. Da sich Paracetamol bei Arthrose-Schmerzen aber offensichtlich wirkungslos sei, sollten Ärzte das Gesamtkonzept der Therapie überdenken. NSAIDs zur episodischen Akutbehandlung sei sicherlich vertretbar und könne den Patienten effektive Linderung verschaffen. Eine dauerhafte Schmerztherapie steht für Arthrose-Patienten derzeit aber nicht zur Verfügung. Angesicht der großen Zahl schmerzgeplagter Patienten mahnen die Wissenschaftler zu intensiver Forschungsaktivität.

Quellen:

da Costa, B.R. et al. (2016): Effectiveness of non-steroidal anti-inflammatory drugs for the treatment of pain in knee and hip osteoarthritis: a network meta-analysis. The Lancet, online veröffentlicht am 17.03.2016. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30002-2

Erstellt am 2. April 2016
Zuletzt aktualisiert am 2. April 2016

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