Genetische Disposition bestimmt Wahrscheinlichkeit der Mückenstiche

Stechmücken finden ihre Opfer zielsicher

von Holger Westermann

Die Laune an lauen Sommerabenden leidet oftmals unter panischen Zuckungen, die sich epidemisch in der geselligen Runde ausbreiten. Sobald die Sonne gen Horizont sinkt schwärmen Mücken aus und suchen sich ihre Opfer, zum Leidwesen der Frischluftfreunde mit erstaunlicher Präzision und Penetranz. Tröstlich ist allein, dass nur jede zweite Mücke sticht.

Denn nur die Weibchen der Stechmücken saugen Blut. Sie benötigen die protein- und energiereiche Nahrung, um nach der Befruchtung Eier zu bilden. Männchen sind nur mittelbar beteiligt: Erst nach der erfolgreichen Begattung erwacht bei den Weibchen der Appetit auf Blut.

Unter den rund 100 in Mitteleuropa verbreiteten Stechmückenarten ist die Gemeine Stechmücke oder Nördliche Hausmücke (Culex pipiens) am häufigsten. Sie plagt die Menschen an Waldrändern oder auf Lichtungen, auf Wiesen oder in Parks. In Auwäldern entlang des Rheins ist dagegen Aedimorphus vexans (auch als „Rheinschnake“ bezeichnet) weit verbreitet. Aufgrund ihrer Lebensweise wird sie zu den „Überschwemmungsmücken“ gezählt. Je nachdem, ob das Frühjahrshochwasser (Schneeschmelze und Regenmenge) viele oder nur wenige Tümpel und Überschwemmungsgebiete entstehen ließ, fällt die Mückenplage in den Auwaldgebieten quälend oder unmerklich aus.

Um ihre Opfer zuverlässig zu finden nutzen Stechmücken laut einer Forschergruppe am California Institute of Technology (Pasadena, Kalifornien, USA) drei unterschiedliche Signale:

  • Kohlendioxid (CO2), das Warmblüter ausatmen. Die Mücken erkennen die Konzentrationsunterschiede der CO2-Moleküle in der Luft so genau, dass sie ihr Ziel noch in 50m Entfernung wahrnehmen. Im Zick-Zack-Flug versuchen sie innerhalb ansteigender CO2-Konzentration zu bleiben, um sich so ihrem Opfer zu nähern.
  • Optische Information ermöglicht es den Mücken im Abstand von 5 bis 15m ein mögliches Opfer zu erkennen. Licht oder weiße Kleidung kann di eOrientierung erleichtern, ist aber für die Mücken nicht zwingend notwendig.
  • Körperwärme der Opfer führt die Mücken auf den letzen Metern zum Ziel. Selbst bei der Feinjustierung hilft ihnen ihr feinfühliger Wärmesensor um präzise besonders stark durchblutete Hautpartien anzusteuern.


Für potentielle Opfer ist es schwierig, den Attacken der Blutsauger zu entgehen. Jeder Atemzug produziert eine verräterische CO2-Wolke. Eine in der Natur bewährte Zuflucht wäre das Versteck unter Artgenossen. Wer im Kreis anderer Menschen weilt, darf darauf hoffen für die Blutsauger weniger attraktiv zu sein als der Nachbar. Denn wen die Stechmücken auf den letzten Metern bevorzugt ansteuern, wenn sie sich an Körperwärme und Duft orientieren, entscheiden offensichtlich genetische Unterschiede zwischen den Menschen.

In einer experimentellen Studie mit 18 eineiigen und 19 zweieiigen weiblichen Zwillingspaare (50 bis 90 Jahre alt) zeigten sich bei den genetisch weitgehend identischen eineiigen Zwillingen eine deutlich geringere Varianz der Mückenstich-Häufigkeit als bei den zweieiigen Zwillingen. Es wurden ausschließlich Frauen jenseits der Menopause (kein Menstruationszyklus mehr) gewählt, um hormonabhängige Effekte auszuschließen.

Nicht geklärt werden konnte in der Studie, ob durch die genetische Disposition Mücken gleichermaßen angelockt oder abgeschreckt wurden. Das Studiendesign lässt beide Interpretationen zu. Die Mücken hatten die Wahl sich in einem Y-förmigen Röhrensystem der einen oder der anderen Versuchsperson zu nähern. Dabei reagierten die Stechmücken auf den Körpergeruch von eineiigen Zwillingen sehr ähnlich; bei zweieiigen Zwillingen wurden deutlich größere Unterschiede festgestellt. Die Forscher errechneten eine Erblichkeit des Merkmals „Mücken-Attraktivität“, die der von „Körpergröße“ oder „Intelligenz“ entsprach.

Wie die Mücken-Attraktivität genau gesteuert wird, warum in Gesellschaft manche Menschen eher gestochen werden als andere, konnten die Forscher nicht feststellen. Womöglich ist die Besiedelung der Haut mit Bakterien relevant. Offensichtlich bevorzugen Stechmücken Menschen mit eher monotonen (aus wenigen Arten bestehenden) Bakterienbesiedlung auf der Haut. Dann entwickelt sich ein einheitlicher und starker Duftreiz. Eine artenreiche Hautflora produziert ein Duftgemisch, das die Mücken offensichtlich weniger gut orten können.

Einen Tipp für leidgeplagte Mückenopfer haben die Forscher: Animieren Sie ihre Freunde zu kontrastreicher Kleidung; ideal ist weiß bei Nacht. Dann entscheiden sich die Stechmücken während der mittleren Annäherungsphase vielleicht eher für die optisch auffälligen Ziele in der geselligen Runde.

Quellen:

van Breugel, F. et al. (2015): Mosquitoes Use Vision to Associate Odor Plumes with Thermal Targets. Current Biology, online veröffentlicht am 16.7.2015. DOI: 10.1016/j.cub.2015.06.046

Fernández-Grandon, G.M. et al. (2015): Heritability of Attractiveness to Mosquitoes. PLoS ONE, online veröffentlicht am 22.4.2015. DOI: 10.1371/journal.pone.0122716

Erstellt am 21. Juli 2015
Zuletzt aktualisiert am 21. Juli 2015

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