Wetter

Hochdruckwetter im Herbst

von Holger Westermann

Unter Meteorologen ist die Lufttemperatur in 1.500m Höhe eine beliebte Messgröße, denn hier sind Einflüsse der Landschaftstopographie selten. Hierzulande ragen nur wenige Gipfel darüber hinaus. Im Sommer kann man dann 10 bis 15°C hinzu rechnen, um die Temperatur in den Tälern und Ebenen abzuschätzen. Jetzt, im Herbst schwindet dieser Zuschlag rasant und kehrt sich sogar um. Es ist oben wärmer als unten - Meteorologen sprechen von einer Inversionswetterlage.

Das Wort Inversion stammt vom lateinischen inversio und bedeutet Umkehr. In Bezug auf die Atmosphäre heißt das, dass sich die vertikalen Temperaturverhältnisse umkehren. Normalerweise nimmt die Temperatur mit der Höhe ab. Auf dem Gipfel ist es kühler als im Tal; zumindest zeigt das Thermometer einen niedrigeren Wert an. Aufgrund der intensiveren Strahlungswärme in der dünnen Bergluft, kann im Sonnenschein die gefühlte Temperatur am Gipfel deutlich über dem Thermometerwert liegen. Bei einer Inversion befindet sich aber eine tatsächlich wärmere Luftschicht über einer kühleren, sodass die Temperatur ab einer bestimmten Höhe vorübergehend (wenn ein Bergwanderer diese Höhenzone durchschreitet, also daran vorüber geht) wieder ansteigt.

Eine Inversion kann durch meteorologische Effekte zustande kommen, die im Herbst und Winter besonders wahrscheinlich auftreten. Am häufigsten ist die Boden- oder Strahlungsinversion nach sternklarer Nacht. Bleibt es im Herbst und Winter besonders lang finster, kann über einen langen Zeitraum vom Boden Wärmestrahlung ins Weltall (ca. -270°C) entweichen, bevor die Sonne wieder wärmt. Damit kühlt während der Nacht auch die bodennahe Luftschicht stark ab. Da kalte Luft eine höhere Dichte als warme Luft hat und damit schwerer ist als wärmere, bleibt die kalte Luft am Boden liegen. Die darüber liegende Luftschicht kühlt weniger stark aus und es entsteht eine schwache Inversion mit vorerst geringer Temperaturdifferenz. Sie wirkt aber wie eine Sperrfläche, die den Austausch und die Durchmischung mit der darüber liegenden Warmluft stark einschränkt oder sogar verhindert. Somit können die bodennahen Luftschichten weiter auskühlen. Die Inversion verstärkt sich von Nacht zu Nacht. Tagsüber reicht im Winterhalbjahr oft die Sonnenstrahlung nicht aus, um die kalten bodennahen Luftschichten soweit zu erwärmen, dass die Inversion beseitigt wird, wodurch sie auch tagsüber erhalten bleibt. Dies funktioniert umso besser, je schwächer der Wind ist; besonders gut während lang anhaltender Hochdruckwetterlagen.

Apropos Hochdruckwetterlage: Eine weitere Inversionsart ist die Absinkinversion. In Hochdruckgebieten sinken Luftschichten großflächig von höheren Schichten in tiefere ab. Beim Absinken steigt der Luftdruck und die Luft wird zusammengedrückt. Dadurch erwärmt sich die Luft - je weiter sie absinkt, um so höher steigt die Temperatur (adiabatische Erwärmung um ca. 1°C je 100m). Dadurch verändert sich die Temperaturschichtung mit der Höhe. Besonders im Winter bildet sich dann oft ein scharfer Temperaturgradient mit warmer und sehr trockener Luft in der Höhe und kühlerer feuchterer Luft am Boden.

Die letzte Inversionsart ist die Aufgleitinversion. Sie benötigt im Gegensatz zu den bislang beschriebenen horizontale Bewegung in der Atmosphäre. Denn dazu muss in höheren Luftschichten warme Luft herangeführt werden, die auf eine kalte, schwerere bodennahe Luftschicht aufgleitet. Dies passiert vorwiegend bei winterlichen Warmfronten an der Vorderseite heranziehender Tiefdruckgebiete. Nicht selten entsteht dann in der höhenwarmen Schicht Regen, der in die darunterliegende Kaltluftschicht fällt. Liegt die Temperatur dabei am Boden unter 0°C, entsteht Glatteis.

Für wetterempfindliche Menschen kann eine Inversionswetterlage ein Gesundheitsrisiko bedeuten. Die bodennahe Kälte ist für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen ein sehr viel größeres Risiko als Hitze, da die Infarktgefahr ansteigt. Doch durch Inversionen wird auch der vertikale Luftaustausch unterbunden, Feuchtigkeit und Abgase sammeln sich unter der Inversionsschicht und beeinträchtigen vor allem in Städten die Qualität der Atemluft.

Quellen:

Dipl.-Met. Christian Herold: Inversionswetterlage. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 24.10.2021

Erstellt am 28. Oktober 2021
Zuletzt aktualisiert am 28. Oktober 2021

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