Wetter

Winternächte schwächen die Gesundheit

von Holger Westermann

Die Tage um Weihnachten und Neujahr sind für die geistige und körperliche Gesundheit eine besondere Belastung. Nicht nasskaltes Winterwetter, sondern die langen Nächte wirken auf Konstitution und Gemüt.

Die Länge des lichten Tages ändert sich von Tag zu Tag; vor der Wintersonnenwende werden sie kürzer, danach wieder länger. Hierzulande währt er um den 21. Dezember lediglich sieben bis acht Stunden. Dafür bleibt es um den 20. Juni für 16 bis 17 Stunden taghell. Im Norden Mitteleuropas, rund 1.000km weiter weg vom Äquator ohne Jahreszeiten, sind die Nacht im Winter und der lichte Tag im Sommer länger. Die Veränderung der Dauer des Tageslichts vollzieht sich nicht gleichmäßig. Derzeit, wenige Tage nach der Wintersonnenwende, gewinnt der lichte Tag unmerklich, nur wenige Sekunden pro Tag. Um den Termin der Tagundnachtgleiche (20. März und 22. September) herum ist die Veränderung erheblich dynamischer; rund vier Minuten vom Tag zu Tag.

Deswegen wechselt das gefühlte Wetter auch so rasch von Spätwinter auf Frühsommer und mit umgekehrtem Vorzeichen, vom „Goldenen Oktober“ zum tristen November. Blickt man aufs Thermometer, den Windmesser oder den Regensammler ist der Unterschied gar nicht so markant. Doch die Tageslänge und damit die Wahrscheinlichkeit Sonnenschein zu erleben schwindet rasant. Gerade 9-to-5-Berufstätige mit überdachten Arbeitsplätzen spüren dann unter der Woche gar kein Sonnenlicht mehr.

Die Folgen für Physiologie und Psyche sind deutlich spürbar. So steuert das direkt auf die Netzhaut strahlende Tageslicht die Ausschüttung der Hormone Serotonin (Aktivität) und Melatonin (Schläfrigkeit). Schummrige Wohungsgemütlichkeit oder normierte Arbeitsplatzbeleuchtung können diesen Steuerungseffekt nicht kompensieren. Dazu ist deren Lichtintensität zu gering. Selbst bei wolkenverhangenem Winterhimmel bietet die flach über den Horizont stehende Sonne noch intensivere Lichtreize. Ein ausser Takt geratener Tag-Nacht-Rhythmus beeinträchtigt die allgemeine Gesundheit, insbesondere Herz und Kreislauf sowie das psychische Gleichgewicht. Depressivität, die Neigung zu Schwermut und Antriebslosigkeit (nicht echte schwere Depressionen) ist eine typische Folge. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit für Phasen körperlicher Inaktivität. Einerseits weil die Motivation schrumpelt, andererseits weil das garstig nasskalte Wetter draussen einen guten Grund liefert drinnen zu bleiben.

In langen Nächten ändert sich auch der Appetit, es wird gehaltvoller gegessen und hochprozentiger getrunken. Beide Wintergewohnheiten bremsen den Elan sich körperlich zu engagieren - und belasten so direkt durch fetthaltige Nahrung und Alkohol Gehirn, Leber, Herz und Kreislauf sowie indirekt durch Bewegungsmangel genau die gleichen Organe. Mittelfristige Folge ist Gewichtszunahme und Verlust der Muskelspannung begleitet von einem merklichen Konditionsabbau. Schon 14 Tage Inaktivität (weniger als 1.500 Schritte am Tag) reduzieren die Fitness, schwächen Muskulatur und Knochen, fördern den Bauchfettansatz (1) und der Gesamtcholseterinspielgel ist nach der Weihnachtspause um 15% höher ist als im Sommer und der LDL-Spiegel um 20% (2). Dabei hat die kurzzeitige Maximalschlemmerei an den Weihnachtstagen glücklicherweise keine nachhaltig negativen Folgen (3), sehr wohl aber der länger wirksame Winterspeiseplan mit Lebkuchen-Krautwickel-Glühwein-Konsum.

Im Winter ist das Wetter oft kalt und garstig, deshalb gilt es die guten Gelegenheiten mit Sonnenschein zu nutzen um am Wochenende oder während der Mittagspause dem Körper und seinem Geist Gutes zu tun. Das Forscherteam (1) möchte die Menschen motivieren den Muskelabbau zu mindern, indem sie regelmäßig „wenigstens 10.000 Schritte" an einem Tag erreichen. Das sind, je nach Schrittlänge, sechs bis acht Kilometer Strecke und benötigt dafür rund 90 bis 120 Minuten. Für eine Mittagspause ist das sicherlich zu lang, doch aufgeteilt auf zwei bis drei Spazierepisoden könnte es an einem sonnigen Wochenende funktionieren. Zumindest sollten die 1.500 Schritte erreicht werden. Das sind lediglich rund ein Kilometer, am Besten zur Mittagszeit im Freien bei maximaler Sonneneinstrahlung - auch unter Wolken.

Fürs Gemüt kann auch der Einsatz von hellen therapeutischen Lampen helfen, die das Spektrum des natürlichen Sonnenlichts nachbilden. So sind zum Beispiel im nördlich des Polarkreises liegenden Universitätsstadt Umea (Schweden) die Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel mit großen Tageslichtlampen ausgestattet, um die Depressivität der Bevölkerung während der Wintermonate ohne Sonnenlicht zu senken. Eine Auswertung der Daten, ob diese punktuelle „Lichttherapie“ tatsächlich wirkt, steht noch aus.

Quellen:

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri: Das Licht in den langen Winternächten. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 26.12.2019

(1) Norman, J. et al. (2019): Elderly people should aim to keep up step count this winter - Just two weeks of inactivity increases body fat and harms muscles and bones. Vorgestellt auf der Konferenz „Future Physiology 2019“ in Liverpool (Großbritannien)

(2) Vedel-Krogh, S. et al. (2019): The Christmas holidays are immediately followed by a period of hypercholesterolemia. Atherosclerosis 281: 121 – 127. DOI: 10.1016/j.atherosclerosis.2018.12.011.

(3) Morrison, D.J. et al. (2019): Modest changes to glycemic regulation are sufficient to maintain glucose fluxes in healthy young men following overfeeding with a habitual macronutrient composition. American Journal of Physiology-Endocrinologiy and Metabolism 316 (6): E1061 - E1070. DOI: 10.1152/ajpendo.00500.2018.

Erstellt am 28. Dezember 2019
Zuletzt aktualisiert am 29. Dezember 2019

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