Wetter

Hitze in Mitteleuropa

von Holger Westermann

Nach einer wechselhaften Episode mit frischer Nordmeerluft, Regen und moderaten Tagesmaxima von 20°C strömt nun wieder subtropische Luft heran und erhitzt die Landschaft auf über 35°C. Den Luftmassenwechsel illustrierten mancherorts heftige Gewitter. Die Folgen der rasanten Temperaturwechsels auf die Gesundheit sowie geistige und körperliche Leistungsfähigkeit sind überall zu spüren.

Motor des Wetterwechsels ist das kräftige Hochdruckgebiet „Yvonne“ über den Alpen (Luftströmung im Uhrzeigersinn um das Zentrum), das südwärts bis weit ins westliche Mittelmeer und Richtung Norden bis zur Nord- und Ostsee reicht. Dieses große Luftdruckgebilde verlagert sich sehr langsam ostwärts und gibt dabei an seiner Westflanke Raum für heranziehende Atlantiktiefs („Vincent“ oder „Wolfgang“, Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn). Zwischen Tief im Südosten und Tief im Nordwesten etabliert sich ein Südwestwind, der sehr effektiv heiße Saharaluft nach Mitteleuropa transportiert. Diese Konstellation wird rund eine Woche weitgehend stabil bleiben und hierzulande weitere Hitzetage mit Thermometerwerten über 35°C garantieren.

Zudem scheint die Sonne jetzt im Hochsommer rund 16 Stunden vom nahezu wolkenlosen Himmel; eine zusätzlichen Belastung durch UV-Strahlung (Hautreizung und Sonnenbrand) und Wärmestrahlung (Aufheizen direkt angestrahlter Körper, dunkle Kleidung, Gebäude, Boden, Asphalt). Die gefühlte Temperatur liegt noch weit über dem Thermometerwert und weitere Hitzeeffekte verstärken die körperliche Belastung. In Städten staut sich die warme Luft, Reflexionen der Sonnenstrahlung verstärken den Effekt, ohne Regen halten sich Pollen, Staub und Feinstaub sehr lange in der Schwebe, die Ozonkonzentration steigt.

Aufgabe des Körpers ist es auch in heißer Umgebung eine innere Temperatur von etwa 36,5°C aufrecht zu erhalten. Durch die Aktivität von Muskeln, Darm und Organen (insbesondere der Leber) entsteht jedoch unablässig Wärme, die durch das Blut transportiert und über die Haut an die Umgebung abgegeben werden muss. Muss viel Wärme abgegeben werden oder ist die Lufttemperatur bereits hoch, weiten sich die Adern, um den Blutfluss und damit den Wärmetransport zu verstärken.

Je kleiner die Differenz zwischen Bluttemperatur und Lufttemperatur ist, um so weniger gut gelingt das. Zur Unterstützung sondert die Haut Schweiß ab, der verdunstet und damit die Hautoberfläche kühlt - die Temperaturdifferenz wird ein wenig größer und die Wärmeabgabe besser. Dieser Vorgang passiert zumeist unmerklich. Beim unangenehmen Körpergefühl „schwitzen“ verhindert eine hohe Luftfeuchte (bei Schwüle oder unter der Kleidung), dass der Schweiß verdunsten kann und stattdessen ohne Wirkung am Körper herab rinnt. Wer spürbar schwitzt, kühlt nicht optimal, sondern verliert lediglich viel Wasser und Mineralien.

Geweitete Adern (mehr Raum für die Blutmenge) und Wasserverlust (Verlust von Blutvolumen) senken den Blutdruck. Auf der anderen Seite dickt das Blut ein, es wird zähflüssiger und das Risiko für spontane Verschlüsse von Adern (Infarkte, Embolien) steigt. Bei raschem Wasserverlust und Überhitzung des Körpers, beispielsweise bei Aufenthalt im Freien oder gar körperlicher Anstrengung, kann Hitzeerschöpfung (im Extremfall ein potentiell tödlicher Hitzschlag) auftreten.

Untrainierten fällt es bei Hitze schwer ausreichend Muskelspannung (Muskeltonus) aufzubauen, Bewegungen werden unsicher. Zudem leiden viele Menschen unter Kopfschmerz und Schwindel, das Risiko zu stürzen und sich dabei ernsthaft zu verletzen steigt bei Hitze steil an. Die zunehmende Schadstoffbelastung der Luft belsatet Menschen mit Atmewegserkrakungen , verstärkt aber auch Herz-Kreislauf-Probleme. Fast alle Menschen erleiden spürbare Einbußen bei Konzentrationsfähigkeit und Motovaitonsbereitschaft sowie in ihrer Stressresilienz (Unempfindlichkeit gegenüber Stress). Verstärkt wird dieser Effekt bei anhaltenden Hitzewellen durch die reduzierte Schlafqualität in Tropennächten ( Lufttemperatur nie unter 20°C). Chronischer Schlafmangel über mehrere Tage belastet die allgemeine Gesundheit, in besonderem Maß jedoch die psychische Belastbarkeit und soziale Toleranz gegenüber Mitmenschen.

Insofern ist es wichtig ausreichend Wasser zu trinken und wenn möglich „kühlen Kopf“ bewahren. Auch nach schlechtem Schlaf sollte man früh aufstehen und alle Räume kräftig lüften. Morgens ist die Luft vergleichsweise frisch, bei der Taubildung hat sich auch ein Teil der Staubbelastung niedergeschlagen. Danach sollten Fenster und Türen so weit möglich geschlossen bleiben, um die heiße staubbelastete Luft auszusperren. Aktivitäten im Freien verlegt man am Besten in die frühen Morgenstunden oder notfalls auf den spätmöglichen Abend. Tagsüber helfen kühle (niemals kalte) Fußbäder als Angebot an den Blutfluss dort die Wärme abzugeben. Die Schlafqualität lässt sich verbessern, indem man das Federbett gegen ein Bettlaken zum Zudecken tauscht. Ganz ohne Decke zu schlafen sind die meisten Menschen hierzulande nicht gewohnt. Wenn sie im Schlaf bloß liegen, suchen sie nach einer Zudecke. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit zu Erwachen. Jede zusätzliche Unterbrechung sabotiert die Schlafqualität.

Besonders wetterempfindliche Menschen und Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atemwege, von Herz und Kreislauf (u.a.) oder mit Konzentrationsproblemen (auch Depressivität und innere Unruhe) sollten während einer Hitzewelle unbedingt die eigene Belastbarkeit realistisch einschätzen. Kein Einkauf, kein Besuch, kein Rasenschnitt rechtfertigt ein vermeidbares Gesundheitsrisiko einzugehen - für sich selbst oder die Mitmenschen. Das meiste kann warten bis nach der Hitze.

Quellen:

Dipl.-Met. Martin Jonas: Wochenausblick ? die nächste Hitzewelle ist im Anmarsch! Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 22.07.2019

Erstellt am 22. Juli 2019
Zuletzt aktualisiert am 22. Juli 2019

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