Wetter

Hochsommer im Mai

von Holger Westermann

Über Pfingsten breitete sich das Hoch „Sven“ über Mitteleuropa und brachte den deutschen Küsten sowie den östlichen Regionen und südlich bis nach Franken und Österreich sonniges Wetter. Im Südwesten und entlang des Rheins sowie in den Mittelgebirgen tobten dagegen heftige Gewitter. Diese Wetterkonstellation wiederholte sich noch einmal unter dem Regiment von Hoch „Twes“ - und dann strömt heiße Sommerluft nach Mitteleuropa.

Das Hochdruckgebiet „Sven“ verlagerte sich recht zügig von Großbritannien nach Ostpolen und machte den Weg frei für frische, feuchter Atlantikluft. Diese Frischluftepisode  währte nur kurz, doch ausreichend lang, um beim Aufbau des Hochdruckgebiets „Twes“ markante Temperatur- und Luftfeuchtegegensätze zu garantieren, die erneut Gewitter provozierten. Dabei bewegen sich die Luftmassen sehr langsam, die Gewitterfronten verharren über der Landschaft, infolgedessen ergießt sich der gesamte Starkregen und Hagel über eng begrenzte Regionen und kann dort Überschwemmungen verursachen. So ergoss sich binnen einer Stunde in Neunkirchen-Wellesweiler (Rheinland-Pfalz) 41 Liter pro Quadratmeter (l/qm), in Bad Elster, Sohl (Vogtland, Sachsen) fielen in fünf Stunden am Nachmittag 124 l/qm auch in Niederösterreich wurden im Raum St. Pölten ganze Ortschaften geflutet.

Je weiter sich der Hochdruckeinfluss dehnt, um so seltener werden die Gewitter. Die absinkende Luft erwärmt sich, weil der in Bodennähe zunehmende Luftdruck die Bewegung der Luftmoleküle hemmt (adiabatische Erwärmung) steigt die Temperatur um rund 1°C pro 100m, wobei die relative Luftfeuchte abnimmt. In dieser zunehmend trockenen Warmluft lösen sich die Wolken auf, die Zahl der Sonnenstunden steigt in ganz Mitteleuropa. Die Lufttemperatur wird mancherorts noch im Mai an mehreren Tagen die 30°C-Marke übertreffen; durch Strahlungswärme und Schwüle aufgrund der Verdunstung aus feuchten Böden steigt die gefühlte Temperatur noch deutlich höher. Für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen oder Atemwegserkrankungen kann dies eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung bedeuten.

Traten die Gewitter der letzten Tage entlang von Luftmassengrenzen zwischen Tief- und Hochdruckgebieten als Frontgewitter auf, bilden sich an heißen Tagen (meteorologisch sind das Tage mit Maximaltemperatur >30°C) Wärmegewitter. Dabei steigen über besonders stark erwärmten Regionen Warmluftblasen in der Atmosphäre auf und gelangen so in zunehmend kühle Umgebung - wodurch sich die Aufwärtsbewegung beschleunigt. Bei Windstille an heißen Tagen verursacht der Aufstieg einer solchen Warmluftblase direkt darunter einen Unterdruck, der durch Zustrom bodennaher Warmluft ausgeglichen wird. Deshalb weht während der Entwicklung von Wärmegewittern stets ein leichter Wind in Richtung der auftürmenden Gewitterwolke. Eine hohe Luftfeuchte, die sich als Schwüle bemerkbar macht, verstärkt den Effekt. Denn in der kühlen Umgebung höherer Atmosphäreschichten (an der Tropopause, der oberen Grenze der Troposphäre, in der sich die Wetterentwicklung abspielt, sind es hierzulande ca. -70°C) kondensiert die Luftfeuchte zu kleinen Wassertröpfchen und Eiskristallen; dabei wird zusätzlich Wärme frei (Kondensationswärme) und die Aufwärtsbewegung der Luft verstetigt sich.

Herabfallende Wassertröpfchen und Eiskristalle werden vom diesem Aufwind immer wieder empor geschleudert und verschmelzen dabei mit anderen Eiskristallen oder Tröpfchen zu Graupel, Hagel und großen Tropfen. Erst wenn diese für die Aufwinde zu schwer geworden sind oder die Intensität des Aufwinds nachlässt, fällt der Niederschlag zu Boden. So können plötzlich Wassermassen oder mächtiger Hagel vom Himmel fallen. Die typischen großen Regentropfen bei Gewitter gehen zumeist auf just geschmolzene Hagel- oder Graupelkörner zurück.

Dabei kühlt sich die Luft direkt unter der Gewitterwolke sehr stark ab. Doch durch den Aufwärtssog bleibt dieses zunehmend schwere Luftkissen vorübergehend an die Wolkenunterseite gebunden und gewinnt derweil gegenüber der warmen Umgebungsluft an Gewicht. Stürzt diese Kaltluftmasse zu Boden entstehen die gefürchteten Gewitter-Fallböen, die Orkanstärke erreichen können und eine enorme Wucht entfalten.

Menschen im Einflussbereich der Fallböen spüren die starke Druckwelle (die auch Gebäude beschädigen kann) und einen rasanten Temperatursturz. Nach der Hitze und Schwüle vor dem Wärmegewitter ist der Kontrast besonders krass und für wetterempfindliche Menschen mit bereits angegriffener Gesundheit eine konkrete Gefahr. Das Risiko durch Hitze, Schwüle oder Temperatursturz aufgrund von Platzregen, Hagel oder Fallböe ist deutlich größer als durch den allgemein gefürchteten Blitzschlag.

Dabei ist die Sommerhitze im Mai für Menschen, deren Körper auf Wetterveränderungen aufgrund des Alters oder durch chronische Erkrankungen erst mit Verzögerung reagiert, ohnehin schon eine spürbare Belastung. Die gemeinhin mehrere Monate währende Temperaturanstieg während des Frühlings verkürzt sich heuer (in diesem Jahr) auf weniger als vier Wochen. Dabei ist nicht nur die körperliche Anpassung an sich gemeint, sondern auch die Anpassung des Verhaltens - beispielsweise bei der täglich konsumierten Wassermenge oder beim Wechsel auf luftige Garderobe. Gerade ältere Menschen folgen dabei unbewusst einer jahrelang geübten Routine; doch in diesem Jahr ist der Mai ein gefühlter Juli.

Quellen:

MSc.-Met. Sebastian Schappert: Anhaltende Wetterzweiteilung. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 22.05.2018

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: Erscheinungen bei Gewittern - Blitz und Donner. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 24.05.2018

MSc.-Met. Thore Hansen: Sintflut im Vogtland - 150 Liter in wenigen Stunden. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 25.05.2018

Erstellt am 25. Mai 2018
Zuletzt aktualisiert am 25. Mai 2018

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