Wetter

Temperatursprung überwindet Kältewelle

von Holger Westermann

Die eiskalte und trockene Festlandsluft wurde durch feuchte und vergleichsweise warme Atlantikluft beiseite geschoben. An der Luftmassengrenze zeigte das Winterwetter zum Abschied noch einmal das gesamte Repertoire: Gefrierender Regen, Blitzeis und eine Schneedecke über der Landschaft. Direkt nach Durchzug der Warmfront stieg die Temperatur rasant, mancherorts von -8°C auf +8°C. Da gleichzeitig der eisige Wind stoppte war die Differenz bei der gefühlten Temperatur noch größer. Viele wetterempfindliche Menschen empfinden so einen Temperatursprung als enorme Belastung für ihre Gesundheit.

Vor dem spektaktulären Wetterwechsel konnten die Menschen in Mitteleuropa in das alte Lied über das Scheitern der bürgerlich-demokratischenen Märzrevolution von 1848/1849 in Deutshcland und Österreich einstimmen:

´s ist wieder März geworden
vom Frühling keine Spur!
Ein kalter Hauch aus Norden
erstarret rings die Flur

(Text: August von Seckendorff, im März 1849)

Damals beklagte man die Aufhebung demokratischer Bürgerechte und die Entmachtung des gewählten Parlaments in der Frankfurter Paulskirche durch die feudale Reaktion. Heute ist es eine recht realistische Wetterbeschreibung. Das Hochdruckgebiet „Hartmut“ über Skandinavien (Luftströmung im Uhrzeigersinn um das Zentrum) lenkte an seiner Ostflanke kalte arktische Luft von Nordwestrussland und Finnland nach Mitteleuropa, und hüllte die Landschaft in Dauerfrost. Entlang der deutschen Küsten fiel aus der mit Feuchtigkeit üppig versorgten Luft ungewohnt viel Schnee, andernorts war es sonnig aber bitterkalt. Der kräftige Nordostwind ließ die gefühlte Temperatur deutlich unter den Thermometerwert sinken.

Doch nun naht „Ulrike“, ein mächtiges Tiefdruckgebiet (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn) über der Iberischen Halbinsel, lenkt milde Luft aus dem Mittelmeerraum nach Norden. Warmluft ist leichter als die sehr kalte und damit dichte Kaltluft. Deshalb gleitet die heranströmenden feuchtwarme Luft beim Aufeinandertreffen der Luftmassen über das Kaltluftkissen am Boden, wird dabei in höheren Atmosphäreschichten gehoben und kühlt ab - in der angehobenen Warmluft kondensiert die Luftfeuchte, es beginnt zu schneien. Auf dem Weg aus den Wolken fällt der Schnee durch die Kaltluftschicht und erreicht den Boden ohne zuvor zu tauen. Da Wege, Straßen und Erdreich noch tief gefroren sind, bleibt der Schnee zunächst auch liegen, fällt Regen kann sich Glatteis bilden. Erst wenn die Warmluft die kalte bodennahe Luft verdrängt hat, wechselt der Schnee in Regen und Tauwetter setzt ein.

Der Luftmassenaustausch von „Russenpeitsche“ zu Mittelmeer- und Atlantik-Luft bewirkt einen rasanten Temperaturanstieg. Der Thermometerwert klettert um 15°C in 48 Stunden, doch die gesundheitsrelevante gefühlte Temperatur steigt vielerorts noch drastischer: Über 25°C sind möglich. Solche Extreme sind glücklicherweise nicht überall zu erwarten. Verantwortlich dafür ist der Wechsel von alpinem Winterwetter zur Föhnlage mit +15°C im Westen Österreichs. Ansonsten bleiben die Tagensmaxima entlang der Donau (Südosten Mitteleuropas), der Elbe (Nordosten) und am Niederrhein (Nordwesten) bei +7°C, während von Südwesten die Warmluft heranströmt und die Landschaft an Oberrhein und Neckar auf +13°C erwärmt. Dieser steile Temperaturanstieg wird sich alsbald in ganz Mitteleuropa durchsetzen, wenn nach Nordosten hin mit abgeschwächter Wirkung.

So ein veritabler Temperatursprung ist nach langem tristen Winter (so wenig Sonnenschein gab es jahrzehntelang nicht) und einer grimmigen Kälteperiode bei den meisten Mitteleuropäern willkommen. Doch für den Organismus ist er eine enorme Belastung. Gesunde Menschen spüren das auch; die Konzentrationsfähigkeit erreicht Tiefstwerte und der Kreislauf kommt nur träge in Schwung. Doch sie können gut damit leben. Für chronisch kranke Menschen kann so ein rasante Wetterwechsel aber ernsthafte Probleme bedeuten (auch wenn extreme Kälte mehr Todesfälle provoziert, insbesondere Infarkte).

Das Risiko für Kopfschmerzepisoden steigt an, für Menschen mit Migräne ebenso wie für Menschen, die aufgrund von niedrigem Blutdruck zu Kopfschmerzen neigen. Nur der Spannungskopfschmerz sollte bei dieser Warmluft-Wetterlage weniger häufig auftreten. Durch die rasante Erwärmung kommt es zu erheblichen Blutdruckschwankungen. Einerseits weiten sich die Adern, damit nun mehr Körperwärme an die Umgebung abgegeben werden kann als während der Forstphase. Andererseits führt dies zu einem steilen Blutdruckabfall dem der Körper mit einen Reflex entgegenwirkt, der die Adern wieder zusammen zieht. Körperlich und geistig bewirkt dieses Auf und Ab eine Ermattung und Antriebslosigkeit. Für Menschen, die ohnehin mit Gemütsschwankungen zu kämpfen haben, wirkt sich das als unangenehme Verstärkung ihre mentalen Belastung aus. Menschen mit schwacher Muskulatur oder geringem Muskeltonus (Fähigkeit Muskelspannung aufzubauen) müssen mit einem erhöhten Risiko rechnen, dass sie stürzen.

Insofern ist der Frühlingsvorstoß nicht für alle Mitmenschen so willkommen, wie es die im allgemeinen Gesunden empfinden werden. Der frostig kalten Witterung weinen aber nur unermüdliche Wintersportler nach. Denn inzwischen sind die lichten Tage wieder länger geworden, sobald sich Sonnenschein blicken lässt beginnen die Vögel mit Balzgesängen und an den Sträuchern runden sich die Knospen - so langsam darf es Frühling werden.

Quellen:

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel: Die Meteorologie stellt auf Frühling - was macht die Atmosphäre? Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 01.03.2018

Erstellt am 4. März 2018
Zuletzt aktualisiert am 4. März 2018

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