Potentiell pathogene Streptokokken in organisch geschädigten Lungen

COPD vertreibt probiotische Bakterien

von Holger Westermann

Die chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) beginnt unmerklich, doch mit der Zeit verändert sich die Struktur der Lungenbläschen. Durch die anhaltende Entzündung verschmelzen die einzeln abgegliederten Bläschen zu größeren Gebilden. Auch die Zellen der Lungenschleimhaut verändern ihre Struktur. Parallel zu diesem Prozess verändert sich offensichtlich auch die Besiedelung der Lunge durch Bakterien - aggressive Formen übernehmen das Regiment.

Auf der Suche nach organischen Kennzeichen, nach denen sich unterschiedliche Stadien der COPD von einander abgrenzen lassen untersuchten Forscher am Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU) die Besiedelung der Lunge durch Bakterien. Sie vergleichen neun gesun­de und 16 erkrankte Teilnehmer der EvA-Studie zu Lungenerkrankungen (Emphysema versus Airway Disease). Die Teilnehmer waren zuvor durch quantitative Computertomographie (qCT) als Nicht-COPD-Patienten oder COPD-Patient mit definiertem Erkrankungsstadium diagnostiziert worden. Deren Abstriche aus der Lunge wurden auf spezifische Bakterien-DNA hin untersucht, die Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Lungen­mikro­bioms erlauben (Mikrobiom = Gesamtheit der besiedelnden Mikroorganismen).

„Dabei konnten wir zeigen, dass die Zusam­mensetzung der Bakteriengemeinschaft in der Lunge von COPD-Patienten ohne Verän­de­rungen der Lungenstruktur der von Gesun­den sehr ähnlich ist“, fassen die Forscher ihre Ergebnisse zusammen. „Dahingegen unterscheidet sich das Lungenmikrobiom von Erkrankten mit struktu­rellen Veränderungen der Lunge signifikant von denen der beiden anderen Gruppen, und das unabhängig von der Schwere der Erkrankung.“

Besonders häufig wurden in strukturell veränderten Lungen Strepto­kokken nachgewiesen; Ketten oder Paare (streptós = Halskette) kugelförmiger (coccus = Kugel) Bakterien, die gut sauerstoffverträglich sind. Einige Formen sind in der Lage rote Blutkörperchen zu zerstören (Hämolyse), andere sind bei der Bildung von Zahnkaries beteiligt, bei Sepsis (Blutvergiftungen), Meningitis (Hirnhautentzündung) und Pneumonie (Lungenentzündungen), die Mehrzahl ist aber harmlos. Jedoch konnten bereits einige krankheitserregende Typen bei COPD-Exazerbationen nachgewiesen werden. In gesunden Lungen fanden die Forscher dagegen vorrangig DNA von stäbchenförmigen Prevotella-Bakterien. Sie sind anaerob, vertragen also keinen Sauerstoff und gewinnen ihre Energie durch Gärung; ihnen werden probiotische Eigenschaften zugeschrieben.

In ihrem Fazit fordern die Forscher zukünftig bei einer COPD-Therapie bereits stark veränderter Lungen die Veränderung des Mikrobioms zu berücksichtigen. Womöglich ist eine speziell angepasste antibiotische Behandlung erfolgreicher als bislang verfolgte Strategien, um die Ausbreitung von potentiell pathogenen Streptokokken einzudämmen.

Quellen:

Engel, M. et al. (2017): Influence of lung CT changes in chronic obstructive pulmonary disease (COPD) on the human lung microbiome. Plos One, online veröffentlicht 13.07. 2107. DOI: 10.1371/journal.pone.0180859.

Erstellt am 18. Juli 2017
Zuletzt aktualisiert am 18. Juli 2017

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