Wetter

Kurioses Wetter zum Jahresausklang

von Holger Westermann

am Neckar

Hochdruckgebiete sind träge, Tiefdruckgebiete bringen Dynamik in die Atmosphäre. Deshalb erhielten sie von 1954 bis 1997 auch durchgängig weibliche Vornamen (seither wird Jahr um Jahr mit männlichen gewechselt; 2016 sind es weibliche). Doch derzeit rauscht das Hoch „Yörn“ ungewöhnlich schnell über das nördliche Mitteleuropa hinweg, während das Tief „Barbara“ eher gemächlich über Skandinavien hinweg schlendert.

Meteorologen sind nicht so leicht zu beeindrucken, doch der Sturm über Norddeutschland war eine Besonderheit; ein Hochdrucksturm. In zwei Tagen legte „Yörn“ knapp 4.000 km von West nach Ost zurück. Das Orkantief „Barabra“ schafft im selben Zeitraum auf einen fast parallelen Zugbahn lediglich 2.000 km und spaltete derweil in ein nördliches und ein südliches Teiltief.

So erreichte „Yörn“ am zweiten Weihnachtsfeiertag Südengland während „Barbara“ noch über Südskandinavien zog. Über Mitteleuropa entwickelte sich auf engem Raum eine enorme Druckdifferenz, die sich durch eine rasante horizontale Luftmassenbewegung ausglich - Norddeutschland wurde von heftigem Sturm mit Orkanböen und einer Sturmflut getroffen.

Der Sturm war mit mit 8 Windstärken (Beaufort, Bft) kräftig, erreichte in Böen auch Orkanstärke (12 Bft; > 118 km/h). Dafür verantwortlich war der Tiefdruck-Charakter von „Barbara“. Allein die Druckdifferenz zwischen Hoch und Tief hätte am Boden einen gleichmäßigen Luftstrom von etwa 8 Bft (rund 70 km/h ) erzeugt. Ohne Reibung der Luftmassen am Boden, in 700 m Höhe, wäre eine Luftbewegung mit 12 Bft Geschwindigkeit zu erwarten. Tiefdruckgebiete erzeugen jedoch nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Luftmassenbewegung. Fallwinde übertragen kurzzeitig die Dynamik der Höhenwinde auf den gleichmäßigen Luftstrom am Boden; der Sturm wird durch Böen moduliert.

Auf Berggipfeln, die in das Höhenwindfeld ragen, treffen Orkanböen ungebremst. Der Brocken im Harz ragt mit einer Höhe von 1.141 m über dem Meeresspiegel und einer Prominenz von 856 m über der umgebenden Landschaft als erster Gipfel aus der norddeutschen Tiefebene. Hier ist die volle Wucht der Luftmassenbewegung zu spüren.

Spaziergänge im Wald sind wegen der allgegenwärtigen Astbruchgefahr hoch riskant. Bei Sturm kann morsche Vegetation auch im Straßenverkehr fatale Folgen haben. In Kiel (Schleswig-Holstein) starb am zweiten Weihnachtsfeiertag eine Autofahrerin durch einen umstürzenden Baum. Weitere Folgen der Konfrontation von Hoch- und Tiefdruckgebiet waren Wintergewitter und Hagel; ein Teil der Autobahn A14 (in Mecklenburg-Vorpommern) wurde zur Eispiste. Hamburg erlebte eine Sturmflut mit 2,73 Meter höher als das mittlere Hochwasser; der Fischmarkt und einige Straßenzüge am Hafen mussten evakuiert werden.

Die Ausläufer des Tiefs „Barbara“ ziehen südostwärts über Mitteleuropa hinweg. Der Südwesten Deutschlands bleibt unberührt. Dort dominiert Hochdruckeinfluss mit sonnigen der nebeltrüben Tagen und sternklaren eiskalten Nächten. Vom Harz über den Thüringer und Bayrischen Wald bis nach Österreich hinein wird es stürmisch, mit Böen von über 100 km/h. Es folgen Niederschlagfronten; mancherorts kann es zum Jahresausklang auch schneien. Die Schneefallgrenze liegt zwischen 500 und 900 Meter.

Generell wird das Wetter in Mitteleuropa jedoch der Hochdruckeinfluss von „Yörn“ bestimmt. Die ohnehin sporadischen Niederschläge lassen weiter nach, Nebelfelder sind selten; Sonnenschein setzt sich durch und der Wind lässt nach. Während den zumeist sternklaren und windstillen Nächten strahlt letzte Wärme ins Weltall ab. Gegen Morgen wird es frostig kalt; auf Gehwegen und Straßen muss mit Glätte gerechnet werden.

Wetterempfindliche Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf diese Entwicklung. Kälte bei geringer Luftfeuchte ist für Menschen mit Gelenk- und Muskelscherzen sehr viel besser zu ertragen als feuchtkaltes Wetter. Wer jedoch unter Bluthochdruck oder gar Arteriosklerose leidet sollte jedoch die sehr kalte und trockene Luft am Morgen meiden. Der scharfe Kältereiz erhöht den Blutdruck sprunghaft und damit das Infarktrisiko. Bei Menschen mit Asthma können durch die kalte Luft Atemwege verkrampfen. Wer sich bis zur Mittagszeit geduldet, kann den Spaziergang bei Sonnenschein in frischer kühler (aber nicht mehr eiskalter) Luft genießen. Hält die Hochdrucklage länger an, können sich jedoch in der bodennahen Luftschicht Feinstaub und andere Schadstoffe anreichern; eine zusätzliche Belastung für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System.

Quellen:

Dipl.-Met. Christoph Hartmann: Stürmische Weihnachten. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 26.12.2016

Erstellt am 27. Dezember 2016
Zuletzt aktualisiert am 30. Dezember 2016

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