Wetter
Nachlese zur Annelie-Hitzewelle 2015
von Herbert Gmoser
Vom 3. bis 8. Juli 2015 bestimmte das Hochdruckgebiet „Annelie“ das Wetter in Mitteleuropa. Die klassische Omega-Wetterlage, ein Keil des Azorenhochs reckt sich nordwärts und wird von zwei Tiefdruckgebieten (über dem Atlantik und über Osteuropa) flankiert, führte subtropische Heißluft aus Nordwestafrika nach Mitteleuropa. In Deutschland und Österreich wurden neue Temperaturmaxima gemessen.
Ende Juni 2015 entstand eine Hochdruckbrücke zwischen dem Azorenhoch und den Hoch Zoe, das sich aus Mitteleuropa ostwärts verlagerte. Daraus entwickelte sich das Hochdruckgebiet „Annelie“. Namenspatronin ist die deutsche Ärztin Dr. Annelie Dehnert-Hilscher. Sie bekam die Wetterpatenschaft von ihren Kindern zum 90. Geburtstag geschenkt. Man hätte kaum eine würdigere Patin finden können. Frau Dr. Dehnert-Hilscher ging nach ihrem Medizinstudium in Rostock in den 50er Jahren als junge Ärztin nach Großbritannien. Schon 1963 wurde sie auf eine Chefarztstelle nach Konstanz (Baden-Württemberg) berufen; damals war das für eine Frau noch eine sehr ungewöhnliche Karriere. Die engagierte Ärztin richtete an der Klinik in der idyllischen Bodensee-Provinz die erste Intensivstation ein. So etwas gab es zu dieser Zeit nur an den Universitätskliniken in München und Freiburg.
Glücklicherweise gehören heutzutage Intensivstationen zum Standard der Krankenhäuser. Nur kleinere Kliniken in enger Nachbarschaft zu großen Häusern verzichten darauf. Denn gerade die Annelie-Hitzewelle bedeutete für viele wetterempfindliche Menschen in Mitteleuropa eine enorme Gesundheitsbelastung. Insbesondere Herz-Kreislauf-Patienten und Menschen mit Atemwegserkrankungen erlebten kritische Tage.
So wurde am 5. Juli 2015 in Kitzingen (Bayern) eine Temperatur von 40,3°C gemessen. Das ist der höchste in Deutschland offiziell vom Deutschen Wetterdienst (DWD) registrierte Wert seit Beginn der flächendeckenden Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. In Karlsruhe (Baden-Württemberg) meldete am selben Tag das Institut für Meteorologie und Klimaforschung sogar 40,8 °C. Doch dieser Rekordwert ist nicht „offiziell“, da der DWD die Messungen an diesem Ort zum 1. November 2008 eingestellt hat.
Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erklärt den 7. Juli 2015 zum heißesten Tag seit 1877, dem Beginn der flächendeckenden Temperaturmessungen in Österreich. An der ZAMG-Wetterstation Innsbruck-Universität (Tirol) wurden 38,2°C gemessen. Der bisherige Innsbruck-Rekord stammt vom 11.7.1984 mit 37,7°C am Innsbrucker Flughafen.
Selbst in der Nacht fanden die hitzegeplagten Menschen Kaum Linderung. In Wien wurde die wärmste Nacht der Messgeschichte registriert. An der ZAMG-Wetterstation Wien-Innenstadt lag die Tiefsttemperatur in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (7.7. / 8.7.2015) bei 26,9 °C. Der bisherige Rekord für die höchste Nachttemperatur in der Wiener Innenstadt, gemessen am 4.8.2013, lag bei 25,5 °C.
Schon am frühen Morgen war die Wärmebelastung ungewöhnlich hoch. Am Mittwoch, 8.7.2015, registrierte die ZAMG im Osten von Niederösterreich die höchsten Frühtemperaturen der Messgeschichte. Um 8 Uhr hatte es in Seibersdorf 30,4 °C, in Pottschach 30,3 °C und in Wiener Neustadt 30,2 °C. Zum ersten Mal wurden in Österreich zum 8-Uhr-Termin mehr als 30°C gemessen. Der bisher höchste Wert zu diesem Messtermin in der Früh lag mit 30,0 °C in Deutschlandsberg (Steiermark) am 29.7.2013.
Unter diesen Bedingungen war der Schlaf für viele Menschen nur wenig erholsam. Stetes Schwitzen erzeugt ein unangenehmes Körpergefühl, der Wasserverlust dickt das Blut ein, schwächt den Kreislauf und reduziert die Sauerstoffversorgung von Muskulatur und Gehirn. Kopfschmerz und Schwindelgefühl sind oftmals unmittelbare Folgen, hinzu kommen Konzentrationsprobleme und eine eklatante Schwäche der Motivations- und Leistungsfähigkeit. Viel kritischer ist jedoch, dass dickflüssiges Blut auch das Infarktrisiko ansteigen lässt. Gut, dass man heute auf die Pionierleistung von Frau Dr. Annelie Dehnert-Hilscher bauen kann, dass man darauf vertrauen darf überall in Mitteleuropa eine gut vorbereitete Intensivstation ansteuern zu können.
Quellen: Hitzerekorde in Innsbruck, Wien und Teilen von NÖ. Pressemitteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Wien vom 8.7. 2015
Erstellt am 9. Juli 2015
Zuletzt aktualisiert am 9. Juli 2015

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