Berufstätige Eltern sind besonders stark betroffen
Zeitumstellung kostet Lebensfreude
Der Tagesrhythmus verschiebt sich lediglich um eine Stunde, doch Körper und Gemüt geraten spürbar aus dem Takt. Schläfrigkeit, Konzentrationsprobleme und Schwäche bei Motivation und Leistungsfähigkeit belasten das Wohlbefinden. In der Woche nach der Zeitumstellung schrumpft die Lebenszufriedenheit erheblich – um den Effekt zu kompensieren müsste das Einkommen der Menschen um 10% steigen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von zwei Forschern am Lehrstuhl für Statistik und empirische Wissenschaftsforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Bayern, Deutschland). Dr. Daniel Kühnle und Dr. Christoph Wunder stützen sich bei ihrer Analyse auf zwei umfangreiche Datensätze:
- Das sozio-ökonomischen Panel (SOEP), für das seit 1984 jährlich über 12.000 Privathaushalte in Deutschland befragt werden (Datenauswertung bis 2004 mit insgesamt 29.653 Personen).
- Understanding Society (vormals British Household Panel), die zwischen 2009 und 2012 in britischen Privathaushalten mit 8.950 Personen erhoben wurde.
Insgesamt gingen die Daten von fast 39.000 Menschen aus Deutschland und England in die Analyse ein. Verglichen wurden die Angaben zur Lebenszufriedenheit während der zwei Wochen vor und nach der Zeitumstellung. Es zeigte sich, dass in beiden Ländern die Lebenszufriedenheit in der Woche unmittelbar nach der Zeitumstellung deutlich zurück ging. „Vor allem das Wohlbefinden von Eltern kleiner Kinder leidet unter der alljährlichen Umstellung auf die Sommerzeit", erläutert Dr. Kühnle die Ergebnisse. In der zweiten Woche nach der Zeitumstellung erreiche die Lebenszufriedenheit wieder ihr ursprüngliches Niveau.
Die Forscher illustrieren das Ausmaß des Effekts, indem sie ihn kapitalisieren. Um Wohlbefinden vergleichbar zu machen, wird es in Zusatzeinkommen umgerechnet. Wieviel Geld würde man benötigen, damit sich ein vergleichbarer Zuwachs (oder müsste entzogen werden, damit sich eine ähnliche Einbuße) einstellt. Die Forscher beziffern den Kompenstationsbetrag auf rund 10% Einkommenssteigerung. Das wird sich kaum realisieren lassen, zur Bemessung des volkswirtschaftlichen Effekts der alljährlichen Zeitumstellung wird diese Berechnung aber die öffentliche Diskussion bereichern.
Dr. Kühnle erkennt einen engen Zusammenhang zwischen Zeitumstellung und Lebenszufriedenheit: „Zum einen fehlt vielen Menschen nach der Zeitumstellung eine Stunde Schlaf, was kurzfristig die Stimmung und Aufmerksamkeit beeinflussen kann. Darüber hinaus benötigt der Körper etwas Zeit, um sich an den neuen Rhythmus zu gewöhnen. Um diesen Mini-Jetlag zu überwinden, benötigen die meisten Menschen ein paar Tage. Genau das finden wir auch in unserer Studie, und zwar dass die Lebenszufriedenheit in der Mitte der Woche nach der Zeitumstellung ihren Tiefpunkt erreicht und sich dann allmählich wieder erholt.“ Besonders belastet sind dabei berufstätige Eltern mit Kleinkindern oder Schulkindern, da diese in besonderem Umfang unter Zeitrestriktion litten, „und daher stärker auf die Umstellung reagieren als zum Beispiel nicht erwerbstätige Menschen ohne Kinder, die wesentlich flexibler auf die Zeitumstellung reagieren können.“ Genau dieses Muster sei auch in den Daten zu finden. Hier summieren sich die eigene Müdigkeit und die Nervenbelastung durch die (aufgrund ausser Takt geratenem Tagesrhythmus) besonders intensiv quengelnde Kinder zu einem spürbaren Verlust an Lebensqualität.
In ihrem Fazit verweisen die Forscher darauf, dass Menschen mit stärkeren Zeitrestriktionen in besonderem Umfang von der Zeitumstellung betroffen sind. Sie plädieren daher für mehr zeitliche Flexibilität, vor allem am Arbeitsplatz. Wird die Woche nach Beginn der Sommerzeit von wichtigen Terminen frei gehalten und die Gleitzeitregelung ausgebaut, könnte der Leidensdruck erheblich reduziert werden. Ob dadurch auch die Sehnsucht nach 10% Gehaltsaufschlag schwindet – darauf wollten sich die Forscher nicht festlegen.
Quellen: Kühnle, D.; Wunder, C. (2015): Using the life satisfaction approach to value daylight savings time transitions. Evidence from Britain and Germany. SOEPpaper Nr. 744, online veröffentlicht vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung am 24.02.2015. ISSN: 1864-6689. Langer, S. (2015): Zeitumstellung senkt Lebenszufriedenheit – Interview mit Dr. Daniel Kühnle. Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, online veröffentlicht am 27.03.2015.
Erstellt am 29. März 2015
Zuletzt aktualisiert am 29. März 2015

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