Wetter

Heuschnupfensaison

von Holger Westermann

Hasel und Erle geben ihre Pollen bereits in der ersten Wärmeepisode des Jahres ab. Heuer (in diesem Jahr) mit einem lang anhaltenden trüben Winterwetter und bis März sehr seltenen sonnigen und wärmeren Tagen, verzögerte sich die Blüte vielerorts. Mit dem rasanten Temperaturanstieg im April eruptierte die Vegetation. Allerorten treiben Blüten und frisches Blattgrün - und alle Frühblüher streuen gleichzeitig ihre Pollen in die Atemluft.

Die gefühlte Temperatur ist in diesem Frühling besonders hoch, denn einerseits breiten sich ungewöhnlich ausladende Hochdruckgebiete über Mitteleuropa , die vom wolkenlosen Himmel bei Windstille die maximale Strahlungswärme auf die Menschen wirken lassen; zudem fallen die Tage mit Warmlufteinstrom aus Nordafrika (Saharawind) und Sonnenschein heuer bislang stets aufs Wochenende, wenn die meisten Menschen hierzulande das Wetter in Freien genießen können. Der lichte Tage währt inzwischen rund 15 Stunden und wird sich bis Ende des Monats auf 16 Stunden ausdehnen. Dabei verlangsamt sich der Zuwachs von Tag zu Tag spürbar. Das Maximum markierte die Tagundnachtgleiche mit 4 Minuten, zu den Sonnenwenden ist die Veränderung kaum messbar klein.

Für Menschen mit Pollenallergie ist die aktuelle Wetterlage dagegen ein Graus. Bei Wärme und zunehmender Länge des lichten Tages wachsen und erblühen zahlreiche Pflanzenarten. Die gelben Wolken von Fichtenpollen, die derzeit gut sichtbar durch die Luft wabern und sich auf Sitzgelegenheiten oder Autolack und -Scheiben niederschlagen, sind ein anschauliches Beispiel. Nadelbäume emittieren keine Allergene, doch die Pollen anderer Pflanzen verbreiten sich derzeit unter nahezu idealen Bedingungen. Geringe Luftbewegung garantiert an den Standorten der Pflanzen lokal enorm hohe Pollendichte. Hohe Temperatur fördert die Pollenreifung und die trockene Luft eine optimale Freisetzung. Zudem ist dieses Jahr ein sogenanntes Mastjahr mit besonders reichhaltiger Pollenproduktion bei Birken, auf die sehr viele pollenempfindliche Menschen mit Reizung der Atemwege und des Immunsystems reagieren. Die Gräserblüte beginnt gerade; in diesem Jahr besonders früh.

Die Zahl der Menschen mit allergischem Heuschnupfen oder einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber Pollen einzelner Pflanzenarten, in weit größerem Umfang aber mit einer Reizung der Schleimhäute bei einer Vielzahl von Pollentypen, nimmt hierzulande stetig zu. Grund dafür könnte die demorgaphische Entwicklung sein, da Menschen mittleren Alters besonders dazu neigen Allergien zu entwickeln. In Österreich leiden derzeit rund eine Million Menschen an Pollenallergien (12%), in Deutschland geht man von 13 Millionen Betroffenen aus (16%).

Wünschenswert wäre eine frühzeitige-Diagnose: „Fünf Jahre, bevor Symptome auftreten, kann man die Anzeichen einer Allergie bereits im Blut messen. Wir brauchen neue Methoden zur frühen Diagnose, um schwere Erkrankungen verhindern zu können", erklärt Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der medizinischen Universität (MedUni) Wien. Die sichtbaren Symptome seien lediglich „die Spitze des Eisberges“, der massiven Körperreaktion auf die Pollenallergene. Tatsächlich verändere sich sogar das Blutbild: „Das erklärt die starke Müdigkeit und Leistungsschwäche der Betroffenen“.

Als besonders lästig empfinden Betroffene jedoch die typischen Symptome wie Schnupfen, Husten und schwere Atemprobleme. Bei manchen Menschen treten auch massive allergische Symptome auf, die durch eine anfallartige Überreaktion des Immunsystems ausgelöst werden, vom Heuschnupfen bis zum Asthmaattacke mit akut lebensbedrohlicher Atemnot. Bei diesen überschießenden Reaktionen spielt die Konzentration der Pollen keine Rolle, winzige Mengen in der Atemluft können die Attacke auslösen.

Davon sind aber nur sehr wenige Menschen betroffen. Für die Mehrzahl der Heuschnupfengeplagten ist die aktuelle Konzentration der Pollen durchaus Relevanz - oder auch nicht. Denn die Pollenkonzentration bewirkt lediglich die mechanische Reizung der Schleimhäute, das Fremdkörpergefühl des Blütenstaubs kitzelt in der Nase und kratzt im Rachen. Erst wenn aus den Pollen die Proteine frei werden, die eine allergische Reaktion provozieren, wird die typische Heuschnupfenreaktion ausgelöst. Diese Freisetzung der Allergene kann auf vielfältige Art passieren, zumeist wird die widerstandsfähige Pollenhülle (sie soll die biologisch wertvolle Fracht bis zur weiblichen Blüte schützen) mechanisch aufgebrochen. Wenn Wind die Pollen über den Boden fegt. Deshalb sind längere Wärmeperioden ohne Niederschlag auch besonders allergieförderlich. Bei Regen wird der Pollen und auch deren Bruchstücke aus der Luft und vom Boden weggewaschen. Allergiker können wieder frei durchatmen.

Gefahr droht jedoch bei Gewittern, wie sie derzeit beim Luftmassenwechsel (Hochdrucklage mit Warmluft - durchziehendes Tiefdruckgebiet mit Kaltlufteinstrom - Hochdrucklage - Tief - …) vielerorts entstehen. In schwüler Luft mit hoher Luftfeucht quellen die herumwirbelnden Pollen auf und platzen. Dabei werden zeitgleich große Mengen Allergene frei. Deshalb sollten pollensensible Menschen bei Gewitterwetter die Fenster geschlossen halten und erst eine halbe Stunde nach dem ersten kräftigen Regenschauer lüften. Dann ist die Luft frisch gewaschen und frei von allergieauslösenden Reizstoffen.

Wer um seine Pollenempfindlichkeit weiss, sollte sich mit symptomregulierenden Arzneimitteln (Antihistaminika) bevorraten, um akute Attacken zu lindern. Wer die Kleidung häufiger wechselt und die Haare täglich wäscht reduziert die Wahrscheinlichkeit die körpernah eingesammelten Pollen einzuatmen oder in die Augen zu reiben. Normalerweise ist Ausdauersport im Freien eine gute Vorbeugemaßnahme für ein robustes Immunsystem, doch während des Polenflugs sollten Betroffene diese extreme Exposition gegenüber den Allergenen meiden. Gerade die zu anderer Zeit sehr sinnvolle körperliche Anstrengung kann die Symptome verstärken und sogar einen Asthmaanfall auslösen. Für Menschen, die jedes Jahr zur relevanten Zeit zuverlässig unter Heuschnupfen leiden, empfiehlt Frau Prof. Jensen-Jarolim eine Immuntherapie: „Es könnte auch jetzt noch eine Allergen-Immuntherapie gegen Gräserpollen angedacht werden, da man heute dazu übergegangen ist, auch knapp vor bis über die Saison zu impfen. Ein optimaler Erfolg stellt sich jedoch erst nach einiger Zeit ein. Prinzipiell besser ist es, die Immuntherapie im Herbst zu planen, dann wird die Pollensaison des darauffolgenden Jahres mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit wesentlich leichter fallen“.

Quellen:

Start der Gräserpollensaison steht unmittelbar bevor - Erste Süßgräser blühen bereits in Österreich. Pressemitteilung der MedUni Wien vom 27.04.2018

Erstellt am 4. Mai 2018
Zuletzt aktualisiert am 4. Mai 2018

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Ab jetzt Winterwetter

Es ist nicht nur ein kurzzeitiger Kaltluftvorstoß, sondern der drastische Wechsel vom nasskalten Herbst zu frostigem Winterwetter. Die Großwetterlage stellt sich nachhaltig um. Das ist hierzulande Ende November eigentlich „normal“, nur in den letzten Jahren blieb der Übergang vom Spätherbst zum Frühwinter zumeist mild; Schnee schmolz rasch wieder dahin. Diesmal ist das anders - es wird nachhaltig winterlich. weiterlesen...


Admarker

Der digital Asthma-Helfer für die Tasche

Breazy Health


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...