Wetter

Frost in Deutschland, Schnee in Paris und Graz

von Holger Westermann

Blick auf den Wilden Kaiser

Derzeit breitet sich bei Nacht deutschlandweit Frost über die Landschaft, auch über die Autos am Straßenrand. Für Frühaufsteher unter den Laternenparkern ein lästiger Auftakt zum Arbeitsweg, die Scheiben frei kratzen. In Frankreich und den südlichen Bundesländern Österreichs hemmt eine solide Schneedecke den Straßenverkehr. Beide Situationen bergen erhebliche Gesundheitsrisiken.

Der kälteste Moment ist immer der Sonnenaufgang nach sternklarer Nacht. Dann konnte die Restwärme des Bodens über Stunden abstrahlen. Gegenüber den -271°C im Weltall ist die Erdoberfläche auch im Winter noch „warm“ und kann langwellige Infrarotstrahlung abgeben. Am frühen Morgen erreicht dieser Effekt seine größte Wirkung, der kalte Boden kühlt die darüber liegende Luftschicht. Erst wenn die Sonne hoch genug steht, um den Boden zu erwärmen, kann auch die Lufttemperatur wieder steigen.

Sternklare Nächte sind unter Hochdruckeinfluss häufig, wenn nicht die Abkühlung am Abend dafür sorgt, dass sich Nebel bildet. Bleibt nach Sonnenuntergang die wärmende Strahlung aus, kühlen Boden und Luft rasch aus. Ist die Luft feucht, kondensiert der Wasserdampf zu feinen Tröpfchen, es wird dunstig oder neblig, an kühlen Flächen bildet sich Tau. Die rasche Abkühlung von Autos unterstützt den Effekt, so dass sich hier die ersten Schichten von Wassertröpfchen oder - wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt - feine Eiskristallen bildet. Bis zum Morgen sinkt mit der Temperatur die Fähigkeit der Luft Wasserdampf zu tragen und die Reifschicht wächst.

Die Kälte kommt derzeit von Osten, die Zeitung mit den kurzen Überschriften in Großbuchstaben schreibt sicherlich alsbald wieder von der „Russenpeitsche“. Am kältesten wurde es im Erzgebirge und im Harz (-14°C), im Flachland in Mecklenburg-Vorpommern (-11,7°C) in Thüringen, Sachsen sowie im Süden von Sachsen-Anhalt und Brandenburg aber auch in Schleswig-Holstein wurden Temperaturwerte unter -10°C gemessen.

Kälte Anfang Februar ist kein seltenes Phänomen. Was für die tägliche Nachtabkühlung gilt, verstärkt sich im Verlauf des Winters: Je kälter die Startbedingungen bereits sind, um so wirksamer senkt der nächste Kaltluftvorstoß die Temperatur. Zum Jahreswechsel breitet sich oft mildes Wetter über Mitteleuropa, Meteorologen sprechen vom Weihnachtstauwetter. Erst danach erreicht die Auskühlung des Bodens ihr Maximum. Derweil sammelt sich über Skandinavien und Russland, wo die Winternächte noch länger sind als hierzulande und über Schnee die Wärmeabstrahlung optimal funktioniert, große Mengen sehr kalter Luft. Dann fehlt nur noch ein Festlandshoch über Finnland oder Nordrussland als atmosphärischer Motor und mit einer leichten Luftströmung im Uhrzeigersinn um das Zentrum gelangt diese eiskalte Luft ins ausgekühlte Mitteleuropa. Meteorologen sprechen von einer Ostlage, da die Kaltluft aus Nordost oder Osten heranströmt.

So herrschte am 7. Februar 2012 deutschlandweit strenger Dauerfrost, nur auf manchen Inseln von Nord- und Ostsee lagen die Tiefstwerte über -10°C. Besonders eisig war es damals in der Mitte des Landes mit Temperaturen, die um -20°C, im Harz sogar unter -25°C. Vielerorts stieg die Temperatur den gesamten Tag lang nicht über -10°C. die Dauerfrostperiode hielt damals rund zwei Wochen an. Das ist heuer (in diesem Jahr) nicht zu erwarten, dafür ist die Großwetterlage mit stabil genug.

Diese Aussicht wird die Menschen im Südosten und im Südwesten Deutschlands freuen, denn dort versinken Landschaft und Verkehrswege im Schnee. Während die Österreicher daran gewöhnt sind und als vielfach engagierte Wintersportler sogar angenehme Seiten erkennen, sind 10 bis 15cm Neuschnee in 24 Stunden für die Menschen im Großraum Paris Anlass, das Chaos auszurufen. In Österreich schneite es vorrangig an Staulagen der Alpen. Meteorologisch wenig spektakulär, aber aufgrund der bereits vorhandenen mächtigen Schneedecke ein inzwischen aufaddiertes Problem. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien registriert „So viel Schnee gab es hier so früh im Jahr zuletzt im Jänner 1981 und 1982", also vor 36 Jahren. Manche Gemeinde weiss nicht, wohin der aus den Straßen geräumte Schnee beiseite geräumt werden soll.

In Frankreich geht der Schneefall auf ein sehr langsam ziehendes Tiefdruckgebiet zurück. So entlädt sich der gesamte Niederschlag über einer kleinen Fläche - mit Paris im Zentrum. Doch auch hier klingt der Schneefall langsam ab, so dass sie die Situation alsbald wieder entspannen wird. Ähnlich kräftige Schneefälle gab es dort zuletzt im Dezember 2010.

Egal ob Schneefall oder Reifbildung, Frühaufsteher sind körperlich gefordert zu schippen oder zu kratzen. Menschen mit Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden sollten ihr Engagement jedoch bremsen. Den einen droht eine Atemnotattacke, den anderen Angina pectoris Anfall oder gar Herzinfarkt. Schon beim Aufwachen steigt der Blutdruck an, der Ärger beim Blick auf den frisch verschneiten Gehweg oder die vereiste Windschutzscheibe verstärkt den Effekt zumal durch die Zusatzaufgabe die Zeit knapp wird und Eile notwendig wird. Im Freien kühlt der eben noch im warmen Bett ruhende Körper rasant ab, erhitzt sich aber bei der körperlichen Arbeit rasch wieder. Auch dabei wird der Blutdruck noch einmal angehoben. Die Kälte veranlasst die Blutgefäße sich zusammen zu ziehen, wodurch der Blutdruck zusätzlich angehoben wird. All diese Effekte addieren sich zu einem enorm hohen Infarktrisiko. Wer von seiner Herz-Kreislauf-Erkrankung weiß, sollte solche Szenarien meiden. Vor dem Griff zur Schneeschaufel oder zum Eiskratzer gemütlich frühstücken, zumindest ausreichend Zeit verstrichen lassen, bis der Blutdruckanstieg am Morgen (immerhin rund 20/18 mmHg) schon wieder abklingt (etwa 9 bis 10 Uhr). Dann hat sich der Zorn über die anstrengende Zusatzaufgabe auch gelegt und die Lufttemperatur steigt langsam wieder. Wichtig ist gut wärmende Kleidung für den Aufenthalt im Freien. „Es dauert ja nicht lang, ich werde mich intensiv bewegen, da genügt eine leichte Jacke oder gar ein Schal“ ist todsicher die falsche Einstellung. Kommt man ins Schwitzen, sollte man keine längeren Pausen eingelegen. Das feuchtwarme Klima unter der Jacke ist unangenehm und verführt zum Reissverschlusslüften - doch dann beginnt man zu frösteln und provoziert einen Blutdruckanstieg, da sich sofort die Adern zusammenziehen.

Menschen mit Atemwegserkrankungen müssen damit rechnen , dass beim Einatmen der eiskalten Luft Verkrampfungen ausgelöst werden. Hier sind Vorsichtsmaßnahmen schwierig, da man die Luft nicht anwärmen kann. Ein Schal vor dem Mund ist keine praktikable Lösung, denn das ohnehin beschwerliche Atmen wird dadurch zusätzlich behindert. Zudem können Fuseln eingeatmet werden, was den bereits geschädigten Bronchien und Lungen nicht gut tut. Wer nicht zum Winterstubenhocker werden will muss den Kontakt zur Kaltluft riskieren, sollte dabei aber sehr aufmerksam auf die Signale seines Körpers achten.

Quellen:

MSc.-Met. Thore Hansen: Strenger Frost in Deutschland, ungewöhnlich viel Schnee in Paris. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 07.02.2018

Foto Blick auf den Wilden Kaiser, St. Johann in Tirol

Erstellt am 7. Februar 2018
Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2018

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