Wetter

Kältereinbruch provoziert Herzinfarkt

von Holger Westermann

Herz-Kreislauf-Ereignisse sind die häufigste Todesursache in Mitteleuropa. Fast jeder zweite stirbt daran (47%), nicht zwingend sofort aber infolge des Infarkts. Die Ursachen sind Lebensstil, Vorerkrankungen und Veranlagung, der konkrete Anlass oft akute Überanstrengung oder unglücklicher Zufall. Doch auch bei einem plötzlichen Kaltlufteinstrom steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Infarkt steil an. Der aktuelle Kälteeinbruch entspricht einer solchen Risikowetterlage.

Bei einen Herzinfarkt (Myokardinfarkt) sterben Herzmuskelzellen ab, weil sie zu wenig Sauerstoff erhalten. Als daueraktive Zellen könne sie keine Pause zur Schonung einlegen, wie das bei unterversorgter Skelettmuskulatur üblich ist. Zumeist verursacht der Verschluss eines Herzkranzgefäßes (Koronararterie) die akute Mangelversorgung. Wird der Infarkt nicht spätestens nach zwei bis vier Stunden behoben, sterben die von der Versorgung abgeschnittenen Herzmuskelzellen. Das Herz arbeitet dann nur noch mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit (Herzinsuffizienz, Herzschwäche). Zumeist ist das der Beginn einer fatalen Kettenreaktion die mit dem Herztod endet. In 5,5% aller Sterbefälle, also rund 12% der Infarkte (Statistisches Bundesamt 2015) ist die Schädigung so schwer, dass der Tod sofort eintritt.

Wie wirksam der Wettereinfluss auf das Risiko eines Herzinfarkts ist, untersuchten Forscher der Lund Universität in Schweden. Sie verglichen über einen Zeitraum von 16 Jahre die Daten des staatlichen Gesundheitssystems mit den Wetterparametern Temperatur, Sonnenscheindauer, Niederschlag und Luftdruck von hunderten Wetterstationen des Schwedischen Meteorologischen und Hydrologischen Instituts. Derweil ereigneten sich 280.873 Herzinfarkte; für 99% davon konnten die Wetterdaten korreliert werden. Es zeigte sich, dass bei Frost (Durchschnittstemperatur unter 0°C) die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Herzinfarkten deutlich höher ist, als bei einer  Durchschnittstemperatur von über 10°C. Ebenso trugen hohe Windgeschwindigkeit, geringe Sonnenscheindauer sowie hohe Luftfeuchte - allesamt Parameter, wodurch die gefühlte Temperatur gegenüber dem Thermometerwert sinkt - zu einem Risikozuwachs bei. Infolgedessen häufen sich Herzinfarkte im Spätherbst und Winter. Dieser saisonale Effekt ist auch in Mitteleuropa nachweisbar.

Bei Kälte ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Dadurch verhindert der Körper weiteren Wärmeverlust über die Haut. Jedoch verringert sich dadurch das Volumen im Blutkreislauf, bei gleichbleibender Blutmenge steigt der Blutdruck. Bei Menschen mit entzündlichen Veränderungen in den Herzkranzgefäßen (Arteriosklerose) kann dieser Blutdruckanstieg einen Herzinfarkt auslösen.

Diese Gefahr droht nun den Menschen in Mitteleuropa. Derzeit erodiert die Hochdruckbrücke „Zoe“ über Westeuropa. Damit wird der Weg frei für heranstürmende Atlantiktiefs. Den Aufgalopp übernimmt das Tief „Peter“, es führt vom Nordostatlantik her eine hoch aufragende und damit voluminöse Kaltluftmasse südwärts heran. Mitteleuropa wird mit nasskalter Luft geflutet. Meteorologen sprechen sachlich von einer „zyklonalen Nordwestlage“ (zyklonal = durch ein Tiefdruckgebiet bestimmt), die Bild-Zeitung titelt in ihrer Online-Ausgabe am 18.11.2017 schlicht „IGITTIGITT !“. Verbreitet fällt Schnee bis in die Niederungen, die gefühlte Temperatur sinkt deutlich unter 0°C, auch wenn das Thermometer noch positive Werte anzeigt. Für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das eine risikoreiche Wetterlage. In jedem Fall sollten Betroffene dem Impuls widerstehen die frisch gefallen Schnee(matsch) beiseite zu schippen. Bei körperlicher Anstrengung am frühen Morgen (wenn die Blutdruckwerte ohnehin hoch sind) im Freien in gefühlter Kälte addieren sich die Risikofaktoren. Das sollte sich niemand zumuten, der verantwortungsvoll auf seine Gesundheit achtet.

Quellen:

MSc.-Met. Sebastian Schappert: Mehr Herzinfarkte in der kalten Jahreszeit. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 13.11.2017

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: "Zyklonale Nordwestlage“. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 18.11.2017

Westermann, H. (2017)
: Wetter triggert das Herzinfarkt-Risiko. Menschenswetter Artikel 1538, online veröffentlicht 28.08. 2017.

Erstellt am 19. November 2017
Zuletzt aktualisiert am 20. November 2017

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Gesundheitsrisiko Temperatursturz im April

Nach einer rekordverdächtigen Warmwetterphase von Februar bis Mitte April, ist jetzt das kühle wechselhafte April-Wetter mit Wind, Regen und vereinzelt auch Schneefall zurück. Der Temperatursturz um 15 bis 20°C ist an sich schon ein Gesundheitsrisiko, doch die physiologische und psychologischen Herausforderungen sind diesmal besonders drastisch. weiterlesen...


Admarker

Der digital Asthma-Helfer für die Tasche

Breazy Health


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...