Wetter

Gehetztes Tief zerrt garstigen Herbst herbei

von Holger Westermann

Düstere Wolken

Vom Nordatlantik zieht der Tiefdruck-Schnelläufer „Xavier“ heran und inszeniert einen rasanten Kulissenwechsel. Sonniger Altweibersommer, unterbrochen von einzelnen Regenepisoden, wird durch die nasskalte Version des Herbstwetters ersetzt: orkanartiger Sturm und Starkregen.

Die deutsche Nordseeküste und Nordrhein-Westfalen trifft es schon während der Nacht, die Mitte und den Osten erst am Vormittag mit voller Kraft. Heftiger Regen (bis 50 l/m2) und orkanartiger Sturm (ca. 100 km/h, in Böen über 120 km/h = Orkan) fegen über die Landschaft. In Süddeutschland und Österreich wird „Xavier“ etwas ruhiger, für einen veritablen Sturm mit intensivem Regen reicht es aber allemal.

Überraschend ist der Durchmarsch eines Atlantiktiefs derzeit nicht. Im Herbst verläuft die West-Ost-Zugbahn deutlich weiter südlich als im Sommer und so wirken sich die Fronten durchziehender Tiefdruckgebiete hierzulande stärker aus. Doch diesmal sind Rasanz und Vehemenz besonders stark. Grund dafür ist der Jetstream, ein Starkwindband in 8 bis 10 km Höhe. Der Polarfrontjetstream(PFJ*) umkreist den Nordpol als mäanderndes Band zwischen 40° und 60° geographischer Breite. Die Windgeschwindigkeiten erreichen dort knapp 300 km/h. Derzeit bahnt sich der PFJ zwischen einem hochreichenden und mit viel Kaltluft angefüllten Tiefdruckkomplex über Nordeuropa und einem vergleichsweise warmen Hochdruckgebiet, das sich zwischen den Azoren und der Iberischen Halbinsel ausdehnt und ist direkt auf Mitteleuropa gerichtet. Zwischen der Kaltluft im Norden und der Warmluft im Süden besteht ein markanter Temperaturgegensatz, der den Verlauf des PFJ stabilisiert und so wie eine Beschleunigungsbahn für die darunter entlangziehenden Atlantiktiefs wirkt.

An sich ist „Xavier“ nur ein kleinräumiges relativ flaches Tief, das kaum merklich über Mitteleuropa hinweg gezogen wäre. Doch so kompakt konnte es auch leicht vom PFJ abgelenkt und mitgerissen werden. So beschleunigt rast es nun unter Verstärkung als „Schnellläufer“ in Richtung Europa; von den Britischen Inseln und der südlichen Nordsee über das Norddeutsche Tiefland nach Polen und Tschechien. Der direkte Einfluss mit Starkregen und orkanartigem Sturm reicht bis zum Main. Schauer und Gewitter gewinnen durch schwere Sturmböen, lokal auch orkanartige Böen bis ins Tiefland besonders bedrohlichen Charakter. In Gipfellagen erreicht der Wind volle Orkanstärke (> 118 km/h). Doch auch an den Alpen kann es in der Folge länger anhaltend regnen, derweil sinkt die Schneefallgrenze sukzessive auf 1.200m.

Der Aufenthalt in Wäldern oder baumbestandenen Parks ist hoch riskant. Die Bäume tragen noch Blätter, die dem Wind eine große Angriffsfläche bieten. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen muss bereits während des Berufsverkehrs mit Behinderungen auf Straße und Schiene gerechnet werden. Fahrradfahren, die Fortbewegung auf zwei Rädern allgemein, wird im Verlauf des Tages zum Hochrisikosport. Spass macht es bei der Aussicht auf intensiven Regen ohnehin nicht.



 * Ein weiteres Höhenwindband windet sich als Subtropen-Jetstream, STJ auf ca. 20° geographischer Breite in Äquatornähe um die Erde, beeinflusst das Wetter in Mitteleuropa aber kaum.

Quellen:

Dipl.-Met. Adrian Leyser: Schnellläufer XAVIER bringt Sturm und Regen. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 04.10.2017

Erstellt am 4. Oktober 2017
Zuletzt aktualisiert am 5. Oktober 2017

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