Wetter

Wetter in den Medien

von Holger Westermann

Früher war alles besser - zumindest war der Wetterbericht eindeutig. Die Vorhersage kam vom Deutschen Wetterdienst (DWD) oder von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Lagen die Meteorologen mit ihrer Prognose daneben, schimpften alle Bürger gemeinsam auf die Behörden. Zumeist übte man sich aber in Gelassenheit, denn anderes gab es nicht. Doch inzwischen prägen Besserwisserei und Skandalisierung die Berichterstattung. Grund dafür sind Klimawandel, Kommerz und Kakophonie.

Nun ist der Klimawandel ist ein langfristig wirksamer Prozess und nicht jedes überraschende Unwetter ist eine „heute schon erkennbare“ Folge. Doch Medien mögen Katastrophen. Fallen sie dürftig aus, sind sie doch willkommen als deutliche Vorzeichen für weit dramatischere Ereignisse. Andererseits sind sich Meteorologen einig, dass Extremwetterlagen wie Gewitter mit Starkregen und Orkanböen zukünftig häufiger auftreten. Für eine verlässliche Wettervorhersage sind das schlechte Bedingungen, denn gerade bei Gewittern lassen sich Ort und Zeit kaum präzise vorhersagen.

Der kommerzielle Erfolg von Wettervorhersagen entfachte einen grotesken Wettstreit um die beste Wettershow. Dabei bemisst sich mediale Qualität als Zahl der Zuschauer, nicht in der wissenschaftlichen Seriosität des Beitrags. Ein möglichst umfangreiches Publikum gewinnt man jedoch zuverlässiger durch ein gewagtes Kostüm oder einen betont lässigen Vortrag. Selbsternannte „Wetterexperten“ müssen nicht unbedingt Meteorologie studiert haben, aber unterhaltsame Moderatoren sollten sie sein. Da wird Mitte Januar ein überraschender Wintereinbruch verkündet oder im August gelten drei heiße Tage mit Maximalwerten über 30°C als „Hitzewelle“. Garniert mit Gartenpflegetipps oder erweitert um Hinweise für wetterangemessene Kleidung lassen sich solche Sendungen so weit verlängern, dass der nächste Werbeblock noch vor den Aussichten fürs Wochenende platziert werden kann. Waren Wettervorhersagen vormals Teil seriöser Nachrichtensendungen, sind es heute eigenständige Shows. Dadurch haben sich Anmutung und Inhalte verändert.

Unmittelbar erkennbare Folge ist die Wetter-Kakophonie, die Vielstimmigkeit der Wettervorhersagen. Zahlreiche Wetter-Service-Institute balgen sich um die Aufträge der Medien; von TV- und Radio-Sendern, von Tageszeitungen und Webseiten. Nur wenige stützen sich auf einen eigenen meteorologischen Dienst, der selbst Berechnungen durchführt. Man nutzt frei verfügbare Wetterprognosen, ohne die zugrundeliegenden Daten zu kennen und interpretiert neu. Andere prahlen mit der Zahl klassischer Wetterstationen innerhalb des Vorhersagegebietes. Dabei ist offensichtlich, dass diese Messpunkte nur aufzeichnen können wie das Wetter war; daraus lässt sich nur bedingt ableiten, wie es sich entwickeln wird. Eine moderne Meteorologie nutzt vorrangig Radar- und Satellitendaten aus denen Großrechner in mehreren (zumeist 20) Durchgängen mit marginal veränderten Ausgangswerten jeweils eine Vorhersage errechnen. Diese Einzelberechnungen werden dann in einer Synopsis (Gesamtschau der Ergebnisse aller 20 Berechnungen) unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit zu einer Wetterprognose zusammengeführt. Selbst dabei kann es zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Häufiger begründen jedoch lückenhafte Datenlage oder redaktionelle Überarbeitungen (auch im Wetterbericht verkaufen sich Sensationen besser als Gewöhnliches) die Unterschiede zwischen den Wettervorhersagen einzelner Anbieter.

Seriöse Wettervorhersagen trauen sich eine Drei-Tage-Prognose zu; für großräumige Vorhersagegebiete bei stabiler Wetterlage auch 7 Tage. Aussichten, die weiter in die Zukunft weisen, sollte man mit Skepsis begegnen. Bis zu 10 Tagen kann man bestenfalls einen groben Trend angeben. Häufig lässt sich dann nur die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Wetterereignisse angeben. Im Menschenswetter-Artikel „Wahrscheinlichkeit beim Wetter“ wurde dieser Aspekt anschaulich beschrieben.

Eine zweite Kakophonie-Quelle ist die vorgegaukelte Präzision von Vorhersagen im Internet oder in Smartphone-Apps. Doch keine Wettervorhersage kann sich an Ortsnamen oder Postleitzahlen orientieren. Menschenswetter führt das Prinzip vor Augen: Die Orte werden in den Vorhersagegebieten markiert und diese großräumige Vorhersage dann den Orten zugeschrieben. Unterschiedlich zugeschnittene Vorhersagegebiete können dann durchaus zu Abweichungen der Wetterprognose führen.

Dass Wettervorhersagen irren können, ist bekannt. Liegen mehrere Varianten vor, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit zumindest eine davon zutreffen - womöglich sogar die schlechteste, nach den Regeln der meteorologischen Kunst. Pikant wird es jedoch, wenn genau diese, naturgemäß seltene Konstellation besonders großes Medienecho provoziert. Jeden Triumph über die staatlichen Wetterdienste umweht eine David-gegen-Goliath-Aura. und wird begierig weiter getragen - auch weil die zurückhaltend gestalteten Pressemitteilungen der Behörden weniger Resonanz finden als die aggressiver formulierten Pendants privater Wetterdienste.

Wetternachrichten im Internet müssen noch nicht einmal den klassischen Nachrichten-Filter durchlaufen: Pressemitteilung schreiben - Relevanz weckt Aufmerksamkeit der Redaktion - Journalist schreibt daraus Zeitungsartikel. Jeder kann alles veröffentlichen, jegliche Kontrolle entfällt, Leser müssen selbst Glaubwürdiges von Unglaubwürdigem unterscheiden und dabei auch plusternde Prahlerei nach zufälligen Vorhersagetreffern von dauerhaft seriösem Angeboten abgrenzen. Oft hilft dabei ein Gefühl für den Sprachstil oder ein Blick auf den Absender der Nachrichten. Wer für seine Statements und Prognosen keine Quellen nennt (oder nur dubiose) verdient weniger Vertrauen als ein Autor, dessen Aussagen nachvollziehbar belegt sind.

Hier hat das Internet sogar einen Vorteil gegenüber Zeitungen, Zeitschriften, Radio oder TV: Das Argument „dafür hatten wir diesmal keinen Platz“ verfängt nicht; für Quellenangaben ist auf Webseiten immer ausreichend Raum.

Quellen:

Dipl.-Met. Christoph Hartmann: Wetter und Medien - eine schwierige Beziehung. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 09.07.2017

Dipl.-Met. Simon Trippler: Die Örtlichkeit von Gewittern. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 10.07.2017

Dipl.-Met. Christian Herold: Die Grenzen der Vorhersagbarkeit. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 24.07.2017

Erstellt am 8. August 2017
Zuletzt aktualisiert am 8. August 2017

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