Die Aktivität von Online-Freunden motiviert zum Training

Nudging unterstützt Sportbegeisterung

von Holger Westermann

Oftmals wirkt aufmunterndes Anstupsen erfolgreicher als ermahnender Tadel. Ein sanftes Lenken durch Anreize ist effektiver als plumper Dirigismus. Dieses „Nudging“ bewährt sich auch als Motivation für Verhalten, das der Gesundheit gut tut - beispielsweise joggen. Dank Online-Fitness-Apps funktioniert das auch über große Entfernungen, wenn das Wetter mitspielt.

Der Ökonom Richard Thaler und der Jurist Cass Sunstein stellten 2008 das Konzept des Anstubsens (Nudging) vor und versprachen bessere Entscheidungen für Gesundheit, Wohlstand und Glück. Ihnen war aufgefallen, dass Menschen vielfach schädliche Entscheidungen treffen, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Es mangelt also nicht an der notwendigen Kenntnis, sondern an der Motivation, das Richtige zu tun. Das Schild „Rauchen Verboten“ lässt eigentlich keinen Raum für Interpretation, wird aber trotzdem vielfach ignoriert. Werden dagegen eigens Raucherzonen ausgewiesen, sinkt die Zahl der Falschraucher um 50%. Explizite Genehmigungen werden als freundlicher Stups akzeptiert, Verbote nur widerwillig befolgt. Der Erfolg des Raucherzonen-Nudging lässt sich noch verbessern, wenn Fußspuren auf dem Boden den Weg weisen. Dieser Fußspuren-Stupser funktioniert auch als Wegweiser zum nächsten Mülleimer in der Fußgängerzone. Es fällt dann nicht mehr so leicht, dem Impuls der Bequemlichkeit zu folgen und den Müll einfach aus der Hand gleiten zu lassen. Die meisten Menschen streben ein positives Selbstbild an und versagen sich die Genehmigung zu nachlässigem Verhalten.

Eine Studie von Forscher des MIT (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, MA, USA) prüfte die Wirkung dieses Verfahren, wenn eine Online-Bekanntschaft den hilfreichen Anstoß leistet. Einige Fitness-Apps dokumentieren nicht nur die individuelle sportliche Aktivität, sondern präsentieren die Protokolle den Online-Sportfreunden. Es ist dabei durchaus üblich, sich durch Kommentare gegenseitig zu motivieren und nach den Trainingseinheiten zu beglückwünschen. Dabei haben sich die „Freunde“ mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie gesehen und wohnen in unterschiedlichen Regionen, Ländern oder gar Kontinenten.

Die Forscher analysierten die Datensätze von mehre als 1.100.000 Freizeitsportlern, die während der fünfjährigen Beobachtungszeit ihre Joggingeinheiten (insgesamt mehr als 350.000km) aufzeichneten und auf den Plattformen von Runtastic (ehemals österreichisches Unternehmen, heute Tochter des deutschen Unternehmens Adidas) oder Strava (aus den USA) präsentierten.

Um die Wirkung der Erfolgsmeldungen bewerten zu können, berücksichtigten die Forscher neben der jeweiligen Ortszeit auch die Temperatur- und Niederschlagsdaten von über 47.000 Wetterstationen in 196 Ländern. So konnten sie Wettereffekte herausrechnen. Denn bei Regen schwindet die Begeisterung für das Lauftraining im Freien. Hobbysportler sind dann schwerlich zu motivieren. Bei Sonnenschein und moderater Temperatur ist ein Animateur mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Deshalb legten die Forscher auf diesen Aspekt besonderes Augenmerk. Zudem wurde anhand der Laufprotokolle die allgemeine Fitness, die Regelmäßigkeit des Trainings und demographische Kriterien berücksichtigt - sofern das bei den auf Selbstauskunft beruhenden Einträgen zuverlässig möglich ist.

Die Daten zur Sportlichkeit werden durch spezielle Messgeräte erhoben, die während des Trainings getragen werden (Sportuhren, Armbänder) und sind daher besonders vertrauenswürdig. Anhand der Anmeldedaten auf den Portal-Webseiten konnte festgestellt werden, wer aus dem Freundeskreis wann welche Trainingsmeldung gesehen und womöglich kommentiert hatte.

Es zeigte sich, dass Läufer durch Online-Nudging motivieren: Wer über sein absolviertes Lauftraining berichtet, animiert andere es ihm gleich zu tun. Dabei waren gerade die eher trägen Sportler besonders effektive Stupser. Wenn die Läufer mit den weiten Trainingsintervallen eine Runde dokumentierten, aktivierte dieser Erfolg gegen den inneren Schweinehund besonders viele Nachahmer. Hatten Semi-Leistungssportler ihr tägliches Pensum absolviert, war die Wirkung auf andere deutlich geringer.

Die Forscher vermuten, dass die Konkurrenz unter den Leistungsschwachen für diesen Effekt verantwortlich ist. Mit den täglich trainierenden Athleten messen sich sich ohnehin nicht, doch ein vergleichbar mäßiger Sportler wird als Konkurrent wahrgenommen. Wenn der das heute schafft, dann schaffe ich das auch - und zwar sofort.

Ein interessanter Aspekt ergab sich beim Vergleich zwischen Männern und Frauen. Männer ließen sich durch die Leistung von Frauen und Männern motivieren; Frauen reagierten dagegen nur auf weibliche Vorbilder.

Drei Erkenntnisse lassen sich festhalten:

  • Motivierendes Nudging zu mehr Sport gelingt auch Online und durch persönlich nicht bekannte Menschen
  • Spitzensport wirkt weit weniger animierend als das sportliche Vorbild durch Menschen, mit denen man sich realistisch vergleichen kann
  • Männer wirken auf Frauen nicht inspirierend, wenn sie Begeisterung für aktiven Sport wecken wollen

Quellen:

Thaler, R.; Sunstein, C. (2008): Improving decisions about health, wealth and happiness., ISBN 978-0-14-311526-7, Yale University Press

Aral, S.; Nicolaides, C. (2017): Exercise contagion in a global social network. Nature Communications 8: 14753, online veröffentlicht 18.04. 2017. doi:10.1038/ncomms14753

Erstellt am 9. Mai 2017
Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2017

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