Erfahrungsaustausch ist attraktiver als unbekannte Neuigkeiten

Angenehme Unterhaltung über vertraute Themen

von Holger Westermann

Man kann es auch als Plädoyer für die Patienten-Selbsthilfe lesen: Forscher der Havard University (Cambridge, Massachusetts, USA) untersuchten, welche Gesprächsinhalte für Zuhörer besonders interessant sind. Dabei wurden Mitteilungen über vollkommen Unbekanntes weit weniger attraktiv empfunden als eine Unterhaltungen über vertraute Themen.

In einer vierstufigen Studie untersuchten die Forscher, ob Zuhörer wirklich neue Geschichten oder eher vertraute Themen spannender empfinden. Dabei folgten sie der beliebten These, dass Neuigkeiten und spektakuläre Geschichten das soziale Prestige der Erzählers heben.

Im ersten Experiment wurden 30 Gesprächsgruppen gebildet, jeweils ein Erzähler und zwei Zuhörer. Dabei sollte der Erzähler den beiden Zuhörern von einem Video berichten, das er kurz zuvor angesehen hatte. Erstaunlich war dabei, dass gerade die Zuhörer den Bericht besonders interessant empfanden, denen das Video bereits bekannt war. Nicht die vollkommen unbekannte Neuigkeit war attraktiv, sondern die Neuerzählung von bereits Vertrautem.

Ein zweites Experiment mit 150 Teilnehmern bestätigte das Ergebnis und unterstrich den Irrtum der Erzähler, dass ihre Zuhörer eine unbekannte Geschichte interessanter finden würden als eine bereits bekannte.

Im dritten Experiment vergewisserten sich die Forscher, dass Inhalte und Erzählstil unabhängig davon waren, ob das Thema den Zuhörern vertraut war oder nicht. Die Erzähler pflegten stets ihren persönlichen Stil, das Vorwissen der Gesprächspartner war nicht relevant.

Diese Erkenntnis führte die Forscher zum vierten Experiment, das den Grund für die unerwartete Präferenz für bekannte Gesprächsinhalte offenbarte: Die Mehrzahl der Menschen sind schlechte Erzähler. Der Vortrag ist oft lückenhaft und verwendet Bilder (Allegorien, Metaphern), die den Zuhörern unbekannt sind. Deshalb gelingt es selbst aufmerksamen Gesprächspartnern nicht zuverlässig, dem Vortrag inhaltlich zu folgen - es sei denn, der Gesprächsgegenstand ist ihnen vertraut.

Nicht das Desinteresse an spektakulär Unbekanntem motiviert die Vorliebe für bereits bekannte Themen, denn „unsere Freunde würden es vermutlich spannend finden, wenn wir ihnen von einem Gemälde erzählen, das sie nie gesehen haben oder von einem Buch, das sie nicht gelesen haben, wenn wir diese Dinge gut beschreiben könnten. Aber die meisten von uns können das nicht.“ erklären die Forscher in ihrem Fazit.

Genau deshalb ist das Gespräch in Patienten-Selbsthilfegruppe so wichtig. Hier muss niemand mehr detailliert erklären, wie die Erkrankung täglich quält. Diese Erfahrung ist den Gesprächspartnern vertraut, der Bericht kann lückenhaft formuliert werden ohne an Wert für die Unterhaltung zu verlieren. Andererseits darf man darauf vertrauen, dass die bemühten Bilder vom gegenüber verstanden werden.

Wei die hier vorgestellt Studie zeigt, sind die meisten Menschen keine besonders talentierten Erzähler. Doch im vertrauten Zusammenspiel zwischen den Gesprächspartnern ist eine verständnisvolle Unterhaltung möglich, die mit Menschen ohne entsprechende Erfahrung nur selten gelingt.

Quellen:

Cooney, G. et al. (2017): The Novelty Penalty - Why Do People Like Talking About New Experiences but Hearing About Old Ones? Psychological Science 28 (3): 380 - 394. doi: 10.1177/0956797616685870.

Erstellt am 28. April 2017
Zuletzt aktualisiert am 28. April 2017

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