Oftmals erfolgt Blutdrucksenkung trotz normalem oder niedrigem Blutdruck

Überregulierter Bluthochdruck gefährdet ältere Patienten

von Holger Westermann

Das Therapieziel, unbedingt den nächsten Infarkt zu vermeiden, steht gerade bei älteren Menschen im Fokus internistischer und hausärztlicher Versorgung. Dabei wird offensichtlich auch ein „Zuviel des Guten“ in Kauf genommen. Nicht selten werden auch Dauertherapien mit hochwirksamen aber auch nebenwirkungsreichen Medikamenten ohne akuten Behandlungsgrund oder Erkrankung verordnet.

Letztendlich handelt es sich dabei um potentiell schädigende Fehlbehandlungen. Das Ausmaß dieser gesundheitsschädlichen Fürsorge illustriert eine Studie aus Großbritannien. Bei der nachträglichen Analyse der Therapie von 11.167 über 70-jährigen Bluthochdruckpatienten zeigte sich, dass 1.297 (knapp 12%) davon einen systolischen Blutdruck von unter 120 mmHg hatten, also in dieser Hinsicht völlig gesund waren; sicherlich nicht behandlungsbedürftig.

Dennoch wurden 65% der Pseudo-Patienten mindestens ein blutdrucksenkendes Medikament verordnet. Grotesk war die Situation bei Betroffenen mit einem für Menschen dieses Alters sehr niedrigen systolischen Blutdruck von weniger als 100 mmHg: 70% bekamen mindestens einen Blutdrucksenker, 17,2% sogar zwei oder drei. An dieser übermäßigen Therapie wurde bei 41% während des gesamten fünfjährigen Analysezeitraums festgehalten, bei 34% wurde sie etwas reduziert, lediglich 25% erfuhren eine angemessene Reduktion.

Solche Übertherapie ist nicht nur überflüssig und unnötig kostenträchtig, sondern auch ernsthaft gesundheitsschädlich. Die Nebenwirkungen der Medikamente sind beträchtlich, besonders gefahrträchtig ist jedoch die eigentlich erwünschte Hauptwirkung. Gerade ältere Menschen leiden oftmals unter Schwindel und klagen über Probleme das Gleichgewicht zu halten und haben Schwierigkeiten eine belastbare Muskelspannung aufzubauen. Ein zu niedriger Blutdruck verstärkt den Effekt. So erstaunt es nicht, dass gerade für diese Patientengruppe vermehrt die Diagnose Herzschwäche, überdurchschnittlich viele Krankenhauseinweisungen und eine erhöhte Sterblichkeit registriert wird.

In ihrem Fazit betonen die Forscher: Die Ergebnisse zeigen, dass ein zu niedriger systolischer Blutdruck unerwünschte Ereignisse provoziert. Die allgemeinen Blutdruck-Regeln (Zielwerte) auch bei älteren Menschen anzuwenden könne eine übermäßige und unnötige Behandlung bedeuten - die letztendlich Gesundheitsrisiken mit sich bringe.

Quellen:

Morrissey, Y. et al. (2016): Older people remain on blood pressure agents despite being hypotensive resulting in increased mortality and hospital admission. Age and Ageing, online veröffentlicht am 30.06. 2016. doi: 10.1093/ageing/afw120

Erstellt am 16. März 2017
Zuletzt aktualisiert am 17. März 2017

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