Wetter

Wettertango über Mitteleuropa

von Holger Westermann

Vor-Vor-Wiegeschritt-Rück-Seit-Schließen. Durch den Wechsel der Großwetterlage bewegen sich Temperatur, Sonnenschein, Regen und Schneefallrisiko in der Schrittfolge des Tangorhythmus. Für wetterempfindliche Menschen ist das eine große Gesundheitsbelastung.

Im Herbst verstärken sich die Temperaturgegensätze über Europa. Im Norden werden die lichten Tage rasant kürzer, die Sonnenhöhe zur Mittagszeit erlaubt auch bei wolkenlosem Himmel kaum noch wirksame Wärmestrahlung. Im Vergleich dazu scheint die Sonne über dem Mittelmeer deutlich länger und intensiver; deshalb ist es dort derzeit bis zu 15°C wärmer.

Dieser markante Temperaturunterschied verursacht eine Luftdruckdifferenzen: Über dem Mittelmeer steigt die vergleichsweise warme Luft auf und erzeugt ein lokales Tiefdruckgebiet; im Norden sinkt die kalte schwere Luft ab und formt am Boden ein Hochdruckgebiet (und in der oberen Atmosphäre darüber einen Unterdruck, ein Höhentief). Diese Druckunterschied wird durch Wind ausgeglichen; er strömt vom Ort des hohen Luftdrucks zum niedrigen, von Nord nach Süd. Da die Temperatur- und damit Druckdifferenz im Herbst-Winter-Halbjahr größer ist als im Sommer, sind Herbststürme auch heftiger als typischer Sommerwind (von Gewitterböen einmal abgesehen).

In den ersten Novemberwochen floss polare Kaltluft nach Mitteleuropa und breitete eine erste Schneedecke über Berglandschaften, mancherorts auch bis in die Tallagen und Ebenen. Das Wetter entwickelte sich in forschen Schritten Richtung Winter. Dann folgte der Wiegeschritt in Gestalt der beiden Atlantiktiefs „Mirja“ und „Nannette“. Der Wechsel von Warmfront und Kaltfront, jeweils begleitet von ausgiebigen Regengüssen verschoben den Wettereindruck von frühwinterlich kalt auf spätherbstlich nasskalt. Dabei zerzausten kräftige Stürme (bis zu 11 Bft) die Landschaft und zerrten die letzten welken Blätter von Bäumen und Gebüsch. Für wetterempfindliche Menschen mit Fibromyalgie, Rheuma oder einer Neigung zu Muskelverkrampfungen war das eine sehr unerfreuliche Periode. Die sprunghaften Temperaturwechsel beim Luftmassenaustausch zwischen Warm- und Kaltfront quälten Menschen mit Migräne, die mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Schmerzattacke durchlitten.

Derzeit etabliert sich ein neue Großwetterlage: „Trog Westeuropa“ (TrW). Eine Kaltluft-Höhenströmung schlängelt sich über dem Ostatlantik (vor der Biskaya) von Nord nach Süd, wendet über der Iberischen Halbinsel (Portugal und Spanien) in Richtung Nordenost und knickt über Mitteleuropa nordwärts ab. Teil davon ist ein „langwelliger Trog“, ein Höhentief. Die Alpen liegt zwischen dieser Tiefdruckzone über Westeuropa (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum)und einem ausgedehnten Hoch über Osteuropa (Luftströmung im Uhrzeigersinn).

So wird von Süden mit großer Vehemenz subtropische Meeresluft nach Mitteleuropa geführt. Am Nordhang der Alpen entwickelt sich ein veritabler Föhnsturm mit Orkanböen bis 145 km/h, die Lufttemperatur steigt in Österreich gebietsweise über 20°C. in Deutschland ist der Föhneffekt weniger kräftig und erwärmt die Luft auf bis zu 15°C. Der Wind weht aber auch dort im Voralpenland sehr kräftig. Selbst in den Gipfellagen der weiter Westlich (Schwarzwald) und nördlich (Bayrischer Wald, Thüringer Wald, Rhön, Harz) Mittelgebirge wird es stürmisch und sprunghaft wärmer.

Der steile Temperaturanstieg ist fast überall in Mitteleuropa zu spüren; in südlichen Regionen intensiver als weiter nördlich. Wind und Warmluft schwächen die Konzentrationsfähigkeit und fördern innere Unruhe und Nervosität; die Schlafqualität verschlechtert sich, die Motivation für Aktivitäten in Beruf und Freizeit sinkt. Bei Menschen mit Migräne steigt das Risiko für Schmerzattacken.

Vor-Vor-Wiegeschritt-Rück-Seit-Schließen. Mit Blick auf ein adventliches Winterwetter entspricht der Trog Westeuropa dem Rück- und Seitschritt, der sich anschließt an den pendelnden Wiegeschritt der Atlantiktiefs. Womit der winterliche Wettertango schließen wird, steht derzeit noch nicht fest. Möglicherweise etabliert sich über den nördlichen Mitteleuropa eine Hochdruckbrücke von Dublin bis nach Moskau und weitet ihren Einfluss aus - wahrscheinlicher ist jedoch, dass weitere Tiefs vom Atlantik nach Mitteleuropa drücken. Der Auftakt zum nächsten Wiegeschritt.

Quellen:

Dipl.-Met. Johanna Anger: Atlantische Tiefs bringen stürmisches Wetter. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 19.11.2016

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann: NANNETTE fegt über Teile Deutschlands hinweg. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 20.11.2016

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: "Trog Westeuropa“. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 21.11.2016

Erstellt am 22. November 2016
Zuletzt aktualisiert am 22. November 2016

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