Vertraute Lieder steigern das Genusserlebnis aber auch die Bereitschaft Alkohol zu trinken

Prima Party: Musik weckt Bierappetit, Biertrinker sind gesellig

von Holger Westermann

Das freundliche Gesicht in der Menge zu erkennen ist eine soziale Kompetenz, die aus einem geselligen einen unterhaltsamer Abend macht. Bier hilft dabei. Am besten auf einer Party. Denn mit Musik schmeckt Bier noch besser.

In einer Doppelblind-Cross-Over-Studie untersuchten Forscher der Universität Basel (Schweiz) die Wechselwirkung zwischen Biergenuss und sozialer Kompetenz. 60 Erwachsene (18 bis 50 Jahre alt, darunter 30 Frauen) durften 0,5 Liter Bier trinken. Die präzise Menge wurde durch die Relation zur Körpermasse definiert, um einen vergleichbare Alkoholwirkung zu gewährleisten. Weitere 30 Personen bildeten die Kontrollgruppe; sie bekamen alkoholfreies Bier.

Zunächst mussten alle Probanden einen Parcours psychologischer Tests durchlaufen, darunter Gesichtserkennung, Empathie, sexuellen Erregung. Nach der Bierprobe und einer kurzen Wartezeit erfolgte ein zweiter Durchgang, der den Bier-Effekt offenbarte:

  • Bier hilft glückliche Gesichter zu erkennen
  • Bier verstärkt den Wunsch nach Geselligkeit (glückliche soziale Konstellation)
  • Beide Effekte waren bei Frauen größer als bei Männern
  • Beide Effekte waren bei zuvor stark gehemmten Menschen größer als bei forsch auftretenden
  • Bier erhöht (insbesondere bei Frauen) die Toleranz explizite sexuelle Bilder anzusehen, die sexuelle Erregung steigt (dabei/dadurch) aber nicht
  • Bier lässt den Spiegel des Kuschelhormons Oxytocin im Blut nicht ansteigen; die hormonell getriggerte Bereitschaft zu intensiver sozialer Bindung bleibt unverändert


So stimmt es zwar, dass Bier deutlich enthemmt und Schüchternheit vertreibt, doch den typischen Partyeffekt garantiert etwas anderes: „Wir haben herausgefunden, dass ein Glas Bier den Leuten hilft, glückliche Gesichter zu sehen und ihr Interesse an positiven emotionalen Situationen zu steigern", erklärt Studienleiter Prof. Matthias Liechti. „Diese Wirkungen von Alkohol auf die soziale Wahrnehmung hat höchstwahrscheinlich einen Einfluss auf den Geselligkeitstrieb."

Dass Geselligkeit mit Bier so gut gelingt, wird auch durch die Begleitmusik bestimmt. Belgische Forscher untersuchten dien Zusammenhang zwischen Musik und Bierbegeisterung. Dabei fanden sie einen sich wechselseitig stützenden Effekt: Bekannte Musik verbessert den Biergeschmack und macht Appetit auf weiteren Biergenuss.

Die Wissenschaftler bildeten aus dem Kreis freiwilliger Versuchsteilnehmer (n = 231) drei Gruppen, die alle die selbe Biersorte trinken durften: eine bekam Flaschen ohne Etikett, eine bekam Flaschen mit einem besonders gestalteten Etikett (im Design der Plattenhülle einer bekannten Popgruppe*) und eine bekam derart etikettierte Flaschen während im Hintergrund Musik von genau dieser Popgruppe lief.

Am besten schmeckte das Bier der Gruppe mit Hintergrundmusik. Wer genau diese Musik mochte war besonders angetan vom Biergeschmack. Menschen, die andere Stilrichtungen bevorzugte, empfanden die Hintergrundunterhaltung dennoch als positive Wirkung auf die Bierqualität. Beim speziell gestalteten Etiketten war der Effekt nur bei Menschen messbar, die genau diese Popgruppe (und die Hülle von deren aktueller Platte) kannten; der Anblick stimulierte offensichtlich Melodien im Kopf, die eine positive Geschmacksmodulation bewirkten. „Es scheint, dass die positiven Emotionen, die durch das Musikstück in der Erinnerung aktiviert werden, auf den Biergeschmack übertragen werden.“ erläutern die Wissenschaftler.

Die Forscher erkannten auch, wie vertraute Musik den Verlauf einer Party beeinflusst: "Wir konnten feststellen, dass Menschen, die das im Experiment vorgespielte Musikstück kannten, das Bier nicht nur multisensorisch besser bewerteten, sie wollten auch mehr Bier trinken.“ Bekannte Klänge verbessern den Biergeschmack und mach Appetit auf ein weiteres Bier. Durch Biertrinken erkennen wir zuverlässiger die fröhlichen Gesichter der Menschen, mit denen es sich zu feiern lohnt.


(* Ursprünglich war es eine Spaßaktion der britischen Indie-Rock-Band „Editors“. Schmeckt Bier besser, wenn man den Song „Oceans of Light“ vom Album „In Dream“ dazu hört?)

Quellen:

Carvalho1, F.R. et al. (2016): Music Influences Hedonic and Taste Ratings in Beer. Frontiers in Psychology, online veröffentlicht am 06.05. 2016. doi:10.3389/fpsyg.2016.00636

Dolder, P.C. et al. (2016): Alcohol acutely enhances decoding of positive emotions and emotional concern for positive stimuli and facilitates the viewing of sexual images. Psychopharmacology, online veröffentlicht am 19.09. 2016. DOI: 10.1007/s00213-016-4431-6

Erstellt am 23. September 2016
Zuletzt aktualisiert am 23. September 2016

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