Wetter

Regenduft

von Holger Westermann

Herbst Regenduft

Regnet es nach langer Hitze und Trockenheit weht kurzzeitig ein typischer Geruch über die Landschaft. Dabei ist Regen selbst frei von Duftstoffen. Aus den Wolken fällt destilliertes Wasser. Nur einzelne Staubkörnchen, die als Kondensationskeime die Tröpfchenbildung fördern, werden auf dem Weg bis zum Boden aufgesammelt. Doch im ausgetrockneten Boden sammeln sich Duftstoffe, die von den auftreffenden Regentropfen empor geschleudert werden und dann von sensiblen Nasen wahrgenommen werden - das Gehirn erinnert sich an den Geruch von Regen.

Bei heißer Saharaluft im Sommer oder Heizungsluft im Winter schützen Menschen hierzulande ihre empfindliche Haut durch fetthaltige Cremes vor dem Austrocknen. Auch Pflanzen müssen im Hitzestress verhindern, dass besonders sensible Gewebe verdorren, beispielsweise die feinen Wurzeln. Auch hier haben sich (im Lauf der Evolution) fetthaltige Substanzen bewährt: Viele Pflanzen sondern während längerer Trockenperioden ein Öl ab, um die Wurzeln zu schützen und beim nächsten Regen sofort wieder Wasser aufnehmen zu können.

Diese gelbfarbenen Wurzelöle erzeugen den charakteristischen Regengeruch. Bereits 1964 wurde der Duftstoff identifiziert und von den Entdeckern „Petrichor“ genannt („petros", griechisch „Stein“ und „ichor“ nach der Flüssigkeit in den Adern der griechischen Götter). Besonders intensiv ist das Geruchserlebnis, wenn erste Regentropfen auf ausgetrocknete Lehmböden fallen. Ergänzt wird der Sinneseindruck durch Beimengung eines zweiten natürlichen Geruchsstoffs, das Geosmin (C12H22O). Er wird von Mikroorganismen im Boden produziert und riecht ausgeprägt erdig-muffig. Ähnlich dem wasserunlöslichen Petrichor-Öl verbindet sich der bicyclische Alkohol Geosmin sehr schlecht mit Wasser.

Zahlreiche Theorien wurden entwickelt, wie der kurzlebige Regengeruch entstehen könnte. Eine direkte Übertragung auf die Regentropfen schied aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit der identifizierten Duftstoffe aus. Eine Idee verwies darauf, dass mit Annäherung eines Regengebietes die Luftfeuchtigkeit steigt. Da die feinen Poren des trockenen Bodens eine sehr große Oberfläche bilden (wie in einem Schwamm), könnte sich dort kondensierter Wasserdampf anlagern. So kann unmittelbar an der Oberfläche des Bodens großflächig Duftstoff in feine Wassertröpfchen übertreten - wenn auch in geringer Konzentration. Gelangen diese durch thermische Effekte (mit aufsteigender Warmluft aus dem Boden) in die Luft, können Menschen sie riechen. Man spekuliert auch, ob der Effekt durch den Luftdruckabfall bei Heranziehen eines Tiefdruckgebiets unterstützt wird. Geringerer Druck von oben soll das Ausdünsten des Bodens bewirken.

Doch offensichtlich ist die Wirkung der Regentropfen unmittelbar für den Regengeruch verantwortlich und das Herauslösen und Emporwirbeln der Duftstoffe erfolgt deutlich dynamischer. Mit modernen Hochgeschwindigkeitskameras gelang Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT, Cambridge, Massachusetts, USA) die präzise Analyse der physikalisch-chemischen Effekte beim Auftreffen von Regentropfen auf ausgetrockneten Naturboden. Die poröse Oberfläche ist dabei weniger wichtig als die staubfeine Struktur der obersten Schicht. Beim harten Aufprall bersten die große Tropfen zu feinen Tröpfchen, die dabei Partikel des Bodenstaubs einschließen. Einige Tröpfchen werden empor geschleudert und transportieren den Geruch als Aerosol (fein zerstäubte Flüssigkeit in einem Gas) zur Nase; vergleichbar der Aromaentfaltung von prickelndem Champagner.

Wieviel Duftstoff freigesetzt wird, ist abhängig von der Bodenbeschaffenheit, der Temperatur und der Intensität des Regens. Ideale Bedingungen sind leichter Regen auf sommerlich trockenem Lehmboden. Bei Starkregen überdeckt rasch ein Wasserfilm die Staubschicht am Boden. Andere Bodenarten sind nicht hart genug, dass zu Tröpfchen geborstene Regentropfen wieder empor schleudern oder sie bilden keine Staubschicht. Notwendig sind auch Pflanzen Petrichor-Öl produzieren und Mikroorganismen und Pilze, die Geosmin freisetzen.

Im Hochsommer wird der Petrichor-Regen-Geruch im urbanen Umfeld gelegentlich ergänzt oder gar übertönt durch den markanten Duft von nassem Asphalt. Die Entstehungseffekte gleichen sich. Fahrbahnbelag und Lehmboden haben ähnliche Eigenschaften. Der Fahrbahnbelag ist nicht fest und glatt, sondern gleicht einer sehr zähen Flüssigkeit (viskoelastisch) mit offenporiger Oberfläche. In der Sommerhitze nimmt die Viskosität zu, im Winter überwiegen die elastischen Eigenschaften. Asphalt besteht aus grobem Gesteinsmehl und dem schwarzen Bindemittel Bitumen (lateinisch „pix tumens“ = „ausschwitzendes Pech“), das durch Pyrolyse (Verschwelung) aus Kohle gewonnen wird (im Gegensatz zu Teer, der aus Erdöl gewonnen wird. Insofern ist es nicht korrekt, von einer geteerten Straße zu sprechen). Die öligen Bestandteile des Bitumens im Steinmehlgemenge verhalten sich bei einsetzendem Regen ähnlich wie die Wurzelöle im Lehmboden. In der groben Pore sammelt sich Staub (Sand, Reifenabrieb) an den sich das Öl anlagert. Aufspritzender Regen kann diese Geruchsträger aufwirbeln; je heißer (und jünger = ölhaltiger) der Asphalt ist, um so deutlich ist dieser Effekt.

Ein weiterer Wetterduft ist typisch für den Herbst. Auch hier spielt Feuchtigkeit eine wichtige Rolle, jedoch nicht in Form von Regen, sondern als Tau. Zur Tagundnachtgleiche (Äquinoktium, astronomischer Herbstbeginn) werden die Nächte schnell länger. Täglich schwindet der lichte Tag um 4 Minuten (zur Sonnenwende verläuft die Änderung von Tag zu Tag dagegen unmerklich langsam). Während Hochdruck-Wetterlagen entweicht in sternklaren Nächten die tagsüber eingestrahlte Wärme wieder ins Weltall, die bodennahe Luft kühlt stark ab und kann weniger Wasserdampf tragen. Schon am Abend oder spätestens gegen Sonnenaufgang bildet sich Tau oder Nebel. Durch den Laubfall ist der Boden mit Blättern bedeckt. Die Bodenfeuchte am Morgen und im Sonnenschein rasch ansteigende Temperatur schaffen ein ideales Klima für rasantes Wachstum von Mikroorganismen - die den typischen Geosmin-Geruch hervorrufen.

Regen beeinträchtigt diesen Effekt, denn dann bleibt es auch tagsüber kühl und die Laubrottung verläuft langsamer. Deshalb gibt es auch keinen Regenduft im Winter. Es ist schlicht zu kalt. Die Forscher vermuten jedoch, dass bei einsetzendem Regen nach langer Trockenheit mit den Duftstoffen auch Viren und Bakterien aus dem Boden in die Region der Atemorgane transportiert werden. Der „Tropfenschlag auf poröse Unterlage“ erzeuge zuverlässig ein Aerosol (Gemisch aus fein verteilter Flüssigkeit und/oder Feststoffe in einem Gas). Dadurch kann sich eine Vielzahl von Substanzen in bodennahe Luftschichten mischen, auch der Geruch von Regen.

Quellen:

Dipl.-Met. Marcus Beyer: Der Geruch des Regens. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 06.09.2016

Joung, Y.S.; Buie, C.R. (2015): Aerosol generation by raindrop impact on soil. Nature Communications 6, Article number: 6083. doi:10.1038/ncomms7083

Erstellt am 22. September 2016
Zuletzt aktualisiert am 22. September 2016

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Gesundheitsrisiko Temperatursturz im April

Nach einer rekordverdächtigen Warmwetterphase von Februar bis Mitte April, ist jetzt das kühle wechselhafte April-Wetter mit Wind, Regen und vereinzelt auch Schneefall zurück. Der Temperatursturz um 15 bis 20°C ist an sich schon ein Gesundheitsrisiko, doch die physiologische und psychologischen Herausforderungen sind diesmal besonders drastisch. weiterlesen...


Admarker

Der digital Asthma-Helfer für die Tasche

Breazy Health


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...