Eingewanderte Mückenart hat nicht erst am Abend Appetit

Rund um die Uhr: Stechmücken im Schichtbetrieb

von Holger Westermann

Folgt auf regenreiche Wochen mit Überschwemmungen endlich sommerliche Wärme, vermiesen penetrante Blutsauger die Freude an lauen Sommernächten. Enttarnt ein hochfrequentes Sirren die Gegenwart von Stechmücken, schwindet die Gemütlichkeit. Verstummt das Geräusch plötzlich, bricht Panik aus. Ein jeder kontrolliert unbekleidete Körperregionen auf Insektenbesuch. Unaufmerksamkeit erkennt man alsbald an roten Flecken, die zu unschönen Quaddeln anwachsen können und tagelang jucken. Konzentrierten sich die Attacken bislang auf die Stunden um den Sonnenuntergang, drohen nun auch tagsüber gierige Gelsen.

Ob gemeine Stechmücke (auch wenn gemein im Sinne von fies durchaus angemessen wäre, hier ist „allgemein“ gemeint) oder Gelse (süddeutsch und österreichisch), ob Rheinschnake (Auwaldmücke, Aedimorphus vexans) oder Nördlichen Hausmücke (Culex pipiens), es sind nur die Weibchen, die Blut saugen. Das Säugetierblut benötigen sie zur Produktion proteinhaltiger Eier. Zur Ernährung nutzen Stechmücken Nektar. Der Rüssel von Männchen ist nicht stabil und lang genug, um solide Säugetierhaut zu druchdringen - er eignet sich nur zum Nektarsaugen.

Beim Stich gelangt Sekret in die kleine Wunde, mit dem die Blutgerinnung gehemmt wird. Verklumptes Blut könnten die Mückenweibchen durch den schmalen Stechrüssel (Proboscis) nicht einsaugen. Rund um die Einstichstelle zeigt sich rasch eine allergische Reaktion; eine punktuelle Rötung verbunden mit lästigem Juckreiz. Empfindliche Menschen entwickeln vorübergehend deutlich von der Haut aufgeworfene Quaddeln. Diese stark juckende, manchmal auch schmerzende Hautveränderung ist Folge einer überschießenden Immunreaktion durch die Ausschüttung von körpereigenem Histamin.

Allergiker können mit Antihistaminika aus ihrer Hausapotheke die überschießende Immunreaktion dämpfen. Einreiben der Stichstelle mit Essig kann den Juckreiz lindern. Entgegen landläufiger Meinung erhöht der essigsaure Geruch diese Behandlung die Attraktivität für weitere Mückenattacken nicht. Es ist vielmehr so, dass besonders lockend duftende Menschen nicht nur zuerst gestochen werden (und daher auch zuerst juckreizlindernde Maßnahmen ergreifen - müssen), sondern auch von nachfolgenden Mücken bevorzugt aufgesucht werden. Bei der Annäherung an ihr Opfer orientieren sich Stechmücken zunächst am Kohlendioxid (CO2), das Warmblüter ausatmen (bis zu 50m Entfernung), dann optisch (5 - 15m) wobei helle Flächen am Besten gesehen werden, im Nahbereich informieren Wärmeunterschiede, wo besonders gut durchblutete Körperregionen liegen.

Die zielsicheren Attacken konzentrierten sich bislang auf den Sommer, am Nachmittag und Abend. Wenn die Sonne den Zenith verlassen hat und die Luft bereits abkühlt, steigt die relative Luftfeuchte an und schafft ideale Flugbedingungen für die heimischen Mückenarten. Für Menschen auf Balkon und Terrasse, im Biergarten und am Baggersee der Zeitpunkt „sich was überzuziehen“. Doch womöglich ist es dann bereits zu spät. Nach Informationen des Instituts für Virologie der Vetmeduni (Wien) ist  inzwischen die Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus; Ochlerotatus japonicus japonicus) in Österreich heimisch. Die Buschmücke hat sich von Kärnten über die Oststeiermark und dem Südburgenland bis nach Ungarn ausgebreitet,und bereits die Feuchtgebiete um den Plattensee erreicht. Im Mai 2016 wurden erste Mücken nahe Wiener Neustadt (kein Vorort der österreichischen Hauptstadt Wien, sondern die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs) gefunden und könnten alsbald auch Wien erreichen.

Diese ursprünglich in Japan, Korea und China verbreitete Stechmückenart kommt mit dem mitteleuropäischen Wetter und Jahreszeitenwechsel prächtig zurecht. Sie stammt aus vergleichbar kühlem Klima und kann sich hierzulande gut vermehren. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile weiträumige geschlossene Verbreitungsgebiete - von Südosten nach Nordwesten ausweitend. Inzwischen sind solide Bestände in den Niederlanden etabliert.

Im Gegensatz zu heimischen Mückenarten, die vorrangig in den Stunden vor und nach dem Sonnenuntergang aktiv sind, attackiert die Buschmücke auch tagsüber. Zukünftig malträtieren Mücken die Mensch rund um die Uhr. Ausgeweitet wird auch die Mückensaison: Die ersten Weibchen der Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus) schlüpfen deutlich früher im Jahr als Rheinschnaken (Aedimorphus vexans) oder Nördlichen Hausmücken (Culex pipiens) und bleibt stechlustig bis in den späten Herbst. So können sie eine größere Zahl von Generationen pro Brutsaison erzeugen und sich unter günstigen Wetterbedingungen massenhaft vermehren. Für Menschen in Mückenregionen kann sich die jährliche Parasitenplage verschärfen und verlängern.

Quellen:

Seidel, B. et al. (2016a): First record of the Asian bush mosquito, Aedes japonicus japonicus, in Italy: invasion from an established Austrian population. Parasites & Vectors 9: 284. DOI: 10.1186/s13071-016-1566-6

Seidel, B. et al. (2016b)
: Spread of Aedes japonicus japonicus (Theobald, 1901) in Austria, 2011–2015, and first records of the subspecies for Hungary, 2012, and the principality of Liechtenstein, 2015. Parasites & Vectors 9: 356. DOI: 10.1186/s13071-016-1645-8

Westermann, H. (2015)
: Stechmücken finden ihre Opfer zielsicher. Menschenswetter Artikel 1268, online veröffentlicht am 21. Juli 2015.

Zielke, D.E. et al. (2015): Recently discovered Aedes japonicus japonicus (Diptera: Culicidae) populations in The Netherlands and northern Germany resulted from a new introduction event and from a split from an existing population. Parasites & Vectors, online veröffentlicht am 22.01. 2015. DOI: 10.1186/s13071-015-0648-1

Erstellt am 22. Juli 2016
Zuletzt aktualisiert am 22. Juli 2016

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