Nicht nur nasskaltes Wetter, auch Hitzewelle und Dauerregen belasten Asthmatiker

Wetterempfindlichkeit bei Asthma

von Holger Westermann

Nasskalte Luft provoziert Verkrampfungen der oberen Atemwege und damit ein hohes Risiko für einen Asthma-Anfall. Eine umfangreiche Kohortenstudie zeigt nun, dass auch große Hitze sowie Gewitterwetterlagen Bronchien und Lunge reizen und dadurch die Wahrscheinlichkeit für eine Attacke steigt.

Für die retrospektive Studie (Analyse bereits vorliegender Daten, die nicht eigens für diese Studie erhoben wurden) analysierten die Forscher 115.923 Krankenhaus-Einweisungen aufgrund akuter Asthma-Anfälle im Bundesstaat Maryland (5,8 Millionen Einwohner) in den Jahren 2000 bis 2012. Maryland liegt an der Ostküste (Atlantikküste) der USA, die Jahreszeiten sind ausgeprägt, der Temperaturverlauf aber moderat. Zumeist ist das Wetter mild und ausgeglichen, Schnee fällt nur in den höheren Mittelgebirgslagen der Appalachen (der Hoye Crest ist 1024m hoch). Die größte Stadt ist Baltimore mit mehr als 600.000 Einwohnern (mit Umland rund 1,5 Millionen). Ein weitere Siedlungsschwerpunkt ist Prince George’s County im Speckgürtel zu Washington D.C., der Hauptstadt der USA. Ansonsten dominieren kleine Gemeinwesen bis hin zu beschaulichen Fischerdörfern entlang der flachen, sandigen Strände der Chesapeake Bay. Aufgrund seiner topografischen und klimatisch-meteorologischen Vielfalt ist Maryland durchaus ein geeignetes Modell für Mitteleuropa.

Die Analyse der Korrelation zwischen tagesaktuellen Wetterbedingungen und der Häufigkeit von Krankenhaus-Einweisungen aufgrund akuter Asthma-Anfälle zeigte wie erwartet ein erhöhtes Risiko bei feucht-kalter Witterung im Herbst und im frühen Frühling. Die Forscher konnten jedoch noch einen zweiten Schwerpunkt im Hochsommer identifizieren, wenn Wetterextreme auftreten: Hitze und Gewitter mit Starkregen. Dann melden sich vorrangig sehr junge Asthma-Patienten, Kinder und Jugendliche (5-17-Jährige), mit bedrohlichen Beschwerden in den Kliniken. Während ausgeprägter Hitzeperioden kamen 23% mehr Patienten mit Asthmabeschwerden ins Krankenhaus als an durchschnittlichen Tagen, nach heftigen Regenfällen 11%. Man muss davon ausgehen, dass noch deutlich mehr Asthma-Patienten einen erhöhten Leidensdruck spüren, aber nicht gleich ins Krankenhaus gehen: junge, deren Eltern nicht so schnell besorgt reagieren sowie ältere, die aus Erfahrung die Symptomverschlechterung als weniger dramatisch klassifizieren.

Dieses Sommer-Asthma wird nicht durch eine kälteinitiierte Verkrampfungen der Atemmuskulatur hervorgerufen, die Wissenschaftler identifizierten andere Provokationen der oberen Atemwege, die Asthma-Anfälle auslösen. Bei längeren Perioden großer Hitze wirbelt viel trockener Staub in der Luft, zudem steigt gerade in Städten (unter UV-Strahlung und dem Einfluss ansteigender Stickoxid-Konzentration aus Autoabgasen, NOx) die Ozon-Belastung (O3) in der Atemluft. Ozon ist ein sehr reaktionsfreudiges - und damit auch aggressives - Sauerstoffmolekül, das die Schleimhäute (Rachen, Hals, Bronchien) reizt. Ab einer Ozon-Konzentration von etwa 200 µg/m3 Atemluft treten Tränenfluss, Kopfschmerzen, verstärkter Hustenreiz sowie Verschlechterung der Lungenfunktion auf. In der Europäischen Union (EU) wird ab einem Ein-Stunden-Mittelwert von 180 µg/m3 die Bevölkerung informiert, da dann bereits die Leistungsfähigkeit empfindlicher Menschen beeinträchtigt sein kann; ab 360 µg/m3 wird gewarnt, da mit ernsten Gesundheitsbeeinträchtigungen zu rechnen ist. Asthma-Patienten sind dabei besonders wetterempfindlich. Oftmals verstärken sich die typischen Symptome schon, bevor die erste Informations-Stufe erreicht ist.

Die sprunghaft ansteigende Belastung bei Sommer-Regen, insbesondere bei Gewitter-Regen, beruht auf der besonderen Sensibilität vieler Asthma-Patienten gegenüber Pollen. Steigt die Luftfeuchte rasant, dringt Feuchtigkeit in die trockenen Pollen, sie quellen auf, vergrößern ihr Volumen und platzen letztendlich. Dabei werden Proteine (Eiweiße) frei, die eine sensible oder gar allergische Reaktion auslösen können. Bei Asthma-Patienten verläuft sie zumeist spektakulärer als bei Menschen mit gesunden Atemwegen. Menschenswetter hat schon 2013 auf diesen Zusammenhang hingewiesen.

Asthma-Patienten müssen ihre Wetterempfindlichkeit neu bewerten - und bei der Planung körperlich belastender Aktivitäten berücksichtigen. Neben Fröstelanfällen während nasskalter Witterungsperioden sind auch Hochsommer-Episoden risikoreich: Hitze und hohe UV-Strahlung lassen in Regionen mit regem Autoverkehr die Ozonkonzentration steigen; nachfolgende Wärmegewitter erhöhen die Konzentration reizender Allergene aus geplatzten Pollen.

Quellen:

Westermann, H. (2013): Allergische Atemnot nach kühlendem Sommerregen. Menschenswetter Artikel 747, online veröffentlicht am 20.07.2013.

Soneja, S. et al. (2016): Exposure to extreme heat and precipitation events associated with increased risk of hospitalization for asthma in Maryland, U.S.A.. Environmental Health, online veröffentlicht am 27.04.2016. DOI: 10.1186/s12940-016-0142-z

Erstellt am 13. Juni 2016
Zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2016

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