Wetter

Scirocco-Schwüle

von Holger Westermann

Wenn Saharastaub oder Blutregen angekündigt werden, belastet ein veritabler Temperatursprung die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit der Menschen in Mitteleuropa. Starker Südwind transportiert in großer Höhe Sand und Staub aus der Wüste über das Mittelmeer und Südeuropa hinweg bis nach Deutschland. Nach Bayern und Österreich gelangt die körnige Windfracht nach einer Alpenüberquerung; die Saharaluft wird durch Föhneffekt zusätzlich erwärmt. Unter der Staubdecke wird es bei steigender Luftfeuchte zunehmend schwül.

Der Schirokko oder Scirocco (italienisch, vom arabischen sarqui = östlicher Wind) ist ein heißer und trockener Süd- oder Südostwind. Die Luftmassen erwärmen sich über den nordafrikanischen Sandwüsten und verfrachten Staub und Sand nordwärts. Andere, regionale Bezeichnungen für den Scirocco sind Ghibli (Libyen, Tunesien), Chamsin (Ägypten, Israel), Samum (nordafrikanischer-arabischer Raum), Leveche (Spanien), Sirokos (Griechenland) oder Chergui (Perischer Golf).

Zwar kann der Scirocco jederzeit wehen, doch während der Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst ist die Wahrscheinlichkeit am größten. Dann ist der Temperaturunterschied zwischen den polaren und tropischen Regionen am größten. Dadurch entsteht zwischen den Tropen und den mittleren nördlichen Breiten eine meridionale (Süd nach Nord oder umgekehrt verlaufende) Ausgleichströmung.

Die Folge ist ein rasanter Luftmassenaustausch, der eine hochdynamische Temperaturänderung mit sich bringt. In Verbindung mit einem Höhentrog (Tief in höheren Luftschichten, das am Boden kaum messbar ist) kann Kaltluft über dem Ostatlantik weit nach Süden vordringen. Meistens reicht der Höhentrog dabei bis zur Nordwestspitze Afrikas und schwenkt dann ostwärts. Dabei wird die heiße Saharaluft angehoben, der Luftdruck fällt stark ab, über der westlichen Sahara entsteht ein eigenständiges Tiefdruckgebiet. Die Folge sind markante Luftdruckdifferenzen auf engem Raum, die sich durch kräftigen Wind ausgleichen wobei viel Saharastaub aufwirbelt. Dieser Staub wird an der Ostflanke des entstandenen Tiefdruckgebietes und des Höhentroges (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum) nordwärts transportiert.

Genau so eine Wetterentwicklung mit einen ausgeprägten Kaltluftvorstoß über die Britischen Inseln und Westeuropa hinweg weit nach Süden bis an die Küste Marokkos provozierte die Entwicklung eines Tiefdruckgebiets vor der Küste Libyens. Der Staub des aktuellen Scirocco ist Saharasand aus Tunesien, der über Süditalien und die Dalmatinische Adriaküstenregion (Kroatien, Montenegro, Albanien), Südgriechenland und die südwestliche Türkei heranweht

Bei seinem Weg über das Meer kann der Scirocco sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen, die beim erzwungenen Aufstieg an Gebirgen in Spanien, Italien, Griechenland und Dalmatien abregnet. Dabei wird der Staub ausgewaschen. Nach dem Abtrocknen bleiben gelbrötliche bis rotbraune Tropfenspuren zurück, phantasiebegabte Beobachter sprechen von „Blutregen“.

Aber auch nördlich der Alpen und westlich der Burgundischen Pforte und des Rheins ist der Scirocco zu spüren. Durch ein Tief über Spanien entwickelt sich lebhafte, südliche Höhenströmung. Der Himmel über Mitteleuropa trübt sich ein, nicht nur durch dichte Wolken, sondern auch durch eine hohe Staubkonzentration. Der Wolkendeckel über den bodennahen Luftschichten ist besonders dicht, die Wärmeabstrahlung wird sehr effektiv eingeschränkt. Wie in einem Gewächshaus staut sich die Wärme darunter, in Kombination mit hoher Luftfeuchte entsteht selbst bei geringer Lufttemperatur und wenig Strahlungswärme (Wärmeempfinden im Sonnenschein) eine unangenehme Schwüle, sobald das Thermometer über 17°C steigt.

Setzt Regen ein, wird der Staub aus der Luft gewaschen und trotz ansteigender Luftfeuchte kann dann die Schwüle schwinden - und damit auch die Gesundheitsbelastung für wetterempfindliche Menschen.

Quellen:

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel: Der "Scirocco" - heiß und staubig! Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 18.04.2016

Erstellt am 22. April 2016
Zuletzt aktualisiert am 22. April 2016

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